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Frautragen

Beim adventlichen „Frautragen“ handelt es sich nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, um einen vorweihnachtlichen Hochzeitsbrauch, bei dem der Bräutigam seine frisch Angetraute über die Schwelle trägt. Es ist auch nicht zu verwechseln mit dem „Frauentragen“, das laut Wikipedia eine Sportart darstellt, bei der Paare Wettläufe über einen 253,5m langen Parcours veranstalten. Dabei geht es über Stock und Stein, durch Wassergräben und Sandgräben. Seit 1992 findet sogar jährlich eine Weltmeisterschaft in Sonkajärvi in Finnland statt. Der Weltrekord liegt bei 55,5 Sekunden.

Das hier gemeinte „Frautragen“ ist ein Brauch, der in der Adventszeit an die Herbergssuche von Maria und Josef erinnert, die in Bethlehem eine Bleibe für die Nacht suchten. Die Figur einer schwangeren Maria wird dabei von Haus zu Haus getragen und dort wird um eine Unterkunft für die Nacht gebeten. Über Stock und Stein und durch Wassergräben und Sandgruben wie in Finnland geht es dabei selten. Eher wird dieser Brauch in besiedelten Gebieten ausgeübt und ist vor allem im katholisch geprägten alpenländischen Raum verbreitet.

Im Landkreis Dachau hat er hingegen wenig Tradition. So bezeichnete Pfarrer Josef Neureuther aus Wollomoos (1878 -1956) das „Frautragen“ zwar als „schönen und sinnigen Adventsbrauch“, der aber „hier kaum jemals heimisch“ gewesen sei. In Altomünster ist er in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts dokumentiert, allerdings mit einer geschnitzten Heiligen Familie, die „von einer Familie aufgenommen, vom Gebetläuten des einen Tages bis zum gleichen des nächsten Tages aufbewahrt und dann weitergegeben“ wurde. (Aichacher Zeitung 13.12.1950)

Seit einigen Jahren gibt es das „Frautragen“ auch in Markt Indersdorf: Ab dem 1. Advent werden in den einzelnen Pfarrgemeinden des Pfarrverbandes Indersdorf Marienfiguren von den Familien der Kommunionkinder beherbergt und jeden Abend in ein neues Zuhause gebracht. Bei der Übergabe wird immer eine kleine Andacht gefeiert.

Ich finde, dass dies auch eine schöne Form der Begegnung und des gegenseitigen Kennenlernens ist, verbunden mit einem Innehalten in der oftmals hektischen Vorweihnachtszeit. Es veranschaulicht das biblische Geschehen und erinnert daran, dass auch heutzutage nicht jeder ein Heim oder eine Heimat hat.

 

Und gibt es diesen Brauch auch bei Ihnen? Ich freue mich auf Ihre Berichte.

Das Foto entstand in der Sakristei der Klosterkirche Markt Indersdorf. Die aus Olivenholz geschnitzten Marienfiguren sind für die einzelnen Pfarrgemeinden des Pfarrverbandes bestimmt.

Mehr zum vorweihnachtlichen Brauchtum und dem „Frautragen“ im Dachauer Land finden sie u.a. bei Robert Böck: Vom Advent bis Heiligdreikönig – Sitte, Brauch und Heiligenverehrung in der Weihnachtszeit, insbesondere im Dachauer Land. In: Ausstellungskatalog Bezirksmuseum Dachau: Auf Weihnachten zu. Altdachauer Weihnachtszeit. 30.11.2003 – 11.01.2004. Hg. Museumsverein Dachau. (hier Zitat Neureuther und Aichacher Zeitung auf S. 21). Albrecht A. Gribl: Häusliche Andacht (Kulturgeschichte des Dachauer Landes Band 6), Dachau 1994, S.138f. und S.146f.

Herbergssuche

Was würde ich tun, wenn morgen ein junges Paar in abgetragenen Kleidern, sie hochschwanger, an meiner Tür klingeln und um ein Nachtquartier bitten würde? Diese Frage haben sie sich vielleicht auch schon einmal gestellt, wenn sie an Weihnachten die Vorgeschichte zu Christi Geburt im Evangelium von Lukas gehört haben.

Die Suche nach einer Unterkunft wird auch heute im volkstümlichen Brauchtum als „Frautragen“ nachvollzogen, wenn symbolisch eine Marienstatue von Haus zu Haus getragen und jeweils für eine Nacht beherbergt wird. So auch in unserem Landkreis z.B. in Markt Indersdorf, wo Maria in der Adventszeit in den Häusern der künftigen Kommunionkinder zu Gast sein darf. Auch in den zahlreichen Krippenspielen, die Kinder in der vorweihnachtlichen Zeit oder auch an Hl. Abend aufführen, ist die Herbergssuche ein Bestandteil des Schauspiels.

Die Herbergssuche ist für viele Menschen aber auch eine reale und bittere Tatsache. Über 2.000 Menschen suchen einen bezahlbaren Wohnraum im Landkreis Dachau. Die Caritas Dachau weist unermüdlich auf diesen Notstand hin und versucht im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu helfen: mit Informationen, Spendenaufrufen, mit Appellen an Wohneigentümer, ihren Wohnraum zu vermieten, an Bauherren und Gemeinden, neuen sozialverträglichen Wohnraum zu schaffen. Auch die Presse setzt sich dafür ein, diesen Missstand aufzuzeigen und Änderungen in die Wege zu leiten.

Denn einen Ort zum Wohnen zu haben, bedeutet nicht nur einfach ein Dach über dem Kopf zu besitzen. Obwohl der moderne Mensch im weltweiten Netz zu Hause sein kann, ist die eigene Wohnung immer noch ein Ort für den persönlichen Rückzug, für Selbstbestimmung und Individualität. Die selbst gestaltete Umgebung kann für viele Heimat sein.

Zurück zu meiner eingangs gestellten Frage: die Unterbringung für eine Nacht wäre sicherlich ein Anfang, den ich auch leisten könnte. Aber erst wenn eine dauerhafte Wohnsituation geschaffen werden könnte, würde das Paar eine Heimat finden.

 

Auf dem FOTO ist eine der Krippen des in Dachau lebenden Künstlers Walter von Ruckteschell (1884-1941) zu sehen.