Schlagwort: Bezirksmuseum Dachau

Abschied vom schlechten Geschmack?

Was wohl die alten Spartaner zur Weiterentwicklung ihrer Idee, den Abschied vom Singledasein zu feiern, gesagt hätten?

„Ein Schaf läuft übers Karpfhamer Volksfest im Rottal, es ist die verkleidete Braut, angefeuert von einer Horde junger Frauen. Sie verkauft Gaben aus ihrem Körbchen, getrunken wird nicht nur Limo. Ein Mann muss in der Münchner Fussgängerzone Bussis von Passantinnen sammeln, gequetscht in einen rosafarbenen Latexanzug, fast nackt….“, so beschrieb Hans Kratzer 2016 zwei Jungesell*innenabschiede in der Süddeutschen Zeitung.

Längst hat diese Form der Feier den Polterabend abgelöst, bei dem früher reichhaltig Porzellan (kein Glas – weil es Unglück bringt) geworfen wurde. Die Scherben musste dann das Brautpaar zusammenkehren.

Heute feiern junge und auch nicht mehr ganz so junge Männer und Frauen häufig anders. Wie Hans Kratzer beschrieb, treffen sie sich in Gruppen, meist ausgestattet mit Mottoshirts, Haarreifen, Bauchläden und Alkoholischem. Manche schicken die künftigen Brautleute auch auf eine Schnitzeljagd, bei der sie mehr oder weniger „originelle“ Aufgaben lösen müssen. Vielerorts sind die ausgelassen Feiernden für Gastronomen inzwischen ein rotes Tuch, wie Eintrittsverbote „Keine Jungesellenabschiede“ belegen.

Keine Frage, dass Wendepunkte im Leben gefeiert werden müssen. Dazu gehört auch der Übergang vom Single- zum Paardasein, früher ein Schritt, der die Jugendzeit offiziell beendete und die Rolle der Brautleute als Mann und Frau in der Gesellschaft unterstrich. Der Altbauer ging mit seiner Bäuerin in den Austrag und machte für die neue Generation Platz, die die Verantwortung für den Hof übernahm und selbst eine Familie gründete. So kann man in den Feiern am Vorabend der Hochzeit auch eine Art von Initiationsritus sehen, der auf das neue Leben vorbereitete. Als Erwachsener durfte man Alkohol konsumieren und (erste) sexuelle Erfahrungen machen. Dies wurde später in Parties aufgegriffen, zu denen Tänzerinnen oder Stripper*innen eingeladen wurden oder werden.

Und heute? Zunehmend beobachte ich, dass jetzt Freunde und Freundinnen des Paares auf eine Art von Kurzurlaub eingeladen werden, um gleich einen ganzen Tag oder ein Wochenende zusammen zu sein. Vom Bayrischen Wald bis Mallorca ist hier alles möglich, von Wellness bis Ballermann, Mädelsabende, Männerausflüge oder gemeinsame Unternehmungen – im Mittelpunkt steht das gemeinsame Freizeiterlebnis.

Die Hochzeit findet heute bei vielen Paaren nach einem längeren gemeinsamen Zusammensein und -leben statt. Damit hat der Jungesell*innenabend seinen ursprünglichen Charakter verloren und ist nurmehr  e i n  Baustein bei den Hochzeitsfeierlichkeiten und erinnert so nur noch in Teilen an seine ursprüngliche Bedeutung.

Jetzt bleibt für mich nur zu hoffen, dass sich mit den neuen Entwicklungen des Brauchs auch zunehmend der Abschied von peinlichen Verhaltensweisen und damit vom schlechten Geschmack durchsetzt.

 

FOTO: Alles was es heutzutage für einen Junggesellinnenabschied braucht, entdeckte ich vor einigen Jahren in einem Laden für Deko aller Art in Miesbach: Dekoschirmchen für Cocktails, Blütenketten, Haarreife, Lippenstift, Einladungen…

Hans Kratzer veröffentlichte den Artikel, aus dem ich zitierte, am Wochenende 08./09.Oktober 2016 in der Süddeutschen Zeitung. Ein weiterer Beitrag von ihm findet sich in einer Ausgabe der SZ von 2010. Zum Thema „Erwachsensein“ s.a. Ausst.Kat. Bezirksmuseum Dachau: Wie es war und ist, erwachsen zu sein, Dachau 2020.

 

 

 

 

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Wenn „Hemd und Hose“ am Kirchturm flattern…

Wofür steht eine rot-weiße Fahne am Kirchturm? So eine im Volksmund kurz „Zachäus“ genannte „Zachäusfahne“, bezieht sich auf den Zöllner Zachäus, von dem im Lukasevangelium berichtet wird, dass er auf einen Baum gestiegen sei, um Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem besser sehen zu können (Lk 19, 1-10). Die Legende berichtet, dass Zachäus eine rote Hose und ein weisses Hemd getragen habe, die dabei zerrissen seien.

Am dritten Sonntag im Oktober wird im Evangelium von der Begegnung des Zachäus mit Jesus erzählt. An diesem Sonntag wird auch das allgemeine Kirchweihfest gefeiert, weshalb die rot-weiße Fahne für diesen Festtag steht. Bevor dieser verbindliche Termin für die Feier von Kirchweih festgelegt wurde, feierte man die Weihe der Ortskirchen ganz individuell. Man kann sich vorstellen, dass bei der großen Anzahl an Kirchen praktisch das ganze Jahr über irgendwo eine Kirchweih war. Und eine Kirchweih wurde nicht nur an einem Tag begangen – nein – man feierte meist ausgelassen gleich mehrere Tage. Das war schließlich der Obrigkeit ein Dorn im Auge, sodass nurmehr der dritte Sonntag im Oktober als Kirchweih-Feiertag festgelegt wurde.

Kirchweih war schon immer ein Dorf- und Familienfest. Es wurde üppig gegessen und getrunken, es gab Tanz und Unterhaltung und Märkte wurden abgehalten. Und heute? Gasthäuser, auch bei uns im Landkreis Dachau, bieten häufig das traditionelle Festtagsgericht mit Gans, Knödel und Blaukraut an. Im Bezirksmuseum kann man manchmal eine Kirtahutschn (ein langes Brett, das an Seilen aufgehängt wird) ausprobieren. In Bäckereien und Cafés werden Kirtanudeln angeboten. In Petershausen und Altomünster laden Kirchweihmärkte zum Bummeln und Einkaufen ein. An manchen Orten gibt es einen Kirchweihtanz. Und dann weht da noch der „Zachäus“ am Kirchturm – schauen sie doch mal nach oben…

 

Foto: Zachäusfahne in Thalhausen

Einen Kirchweihtanz bietet z.B. der Pfarrgemeinderat Großinzemoos am Vorabend von Kirchweih an. Zachäusfahnen habe ich bisher in Indersdorf und Thalhausen entdeckt. Wenn sie noch einen weiteren Ort im Landkreis Dachau wissen, dann ergänze ich gerne meine Liste.

 

 

Ein Kamel, ein erwartungsvoller Hochzeiter und ein prämiertes Wirtshaus

Das sind drei meiner Highlights aus dem druckfrischen neuen Heimatbuch der Gemeinde Erdweg. Zu ihrem 50. „Geburtstag“ schenkt sich die Großgemeinde eine Chronik: 1972 entstand im Rahmen der Gebietsreform aus mehreren selbstständigen Altgemeinden eine Verwaltungsgemeinschaft mit Hauptsitz in Erdweg. Darüber wird in diesem Buch auch berichtet – neben vielem anderen.

40 Autoren und 57 Vereine haben dazu beigetragen: ehrenamtliche Heimatforscher, Ortskundige, Neubürger, regionale und überregionale Wissenschaftler, Vereinsvorstände, Vereinsmitglieder, Hobbyfotografen, Sammler und Heimatinteressierte. So bunt wie das Autorenteam, so sind auch die Beiträge, die ein breites Spektrum an Wissen mit vielen Bildern anschaulich vermitteln. Klassische Heimatforschung, Archivrecherchen und mündliche Überlieferungen sind hier bestens vereint.

Und um was geht es bei dem Kamel, dem erwartungsvollen Hochzeiter und dem prämierten Wirtshaus?

Das Wirtshaus am Erdweg ist das älteste Gasthaus im Landkreis Dachau, das an einer ehemaligen Römerstraße liegt und schon immer eine Versorgungsstation am Flussübergang der Glonn war. Es ist das Erkennungszeichen der Gemeinde Erdweg in deren Ortsmittelpunkt – ein markantes Baudenkmal und gleichzeitig Zeichen des bürgerschaftlichen Engagements, das glücklicherweise zu seinem Erhalt geführt hat. 2016 erhielten die IG Wirtshaus und die Gemeinde Erdweg deshalb die Bayrische Denkmalschutzmedaille.

Der erwartungsvolle Hochzeiter ist eine Geschichte aus dem Ortsteil Welshofen um 1900, als ein Bräutigam vor lauter Vorfreude auf seine Künftige auf den Kirchturm stieg, um ihre Ankunft im Dorf frühzeitig zu sehen.

Und das Kamel? Ja, das ist eine Erinnerung des Dachauer Malers und Schriftstellers Carl Olof Petersen, der mit seiner Jagdgesellschaft eines Tages auf ein Kamel im Wald nahe dem Petersberg stieß. Wie es dazu kam? Das möchte ich an dieser Stelle noch nicht verraten.

Wer diese und andere Geschichten nachlesen möchte: bis zum 2. Juli bietet die Gemeinde das Buch zum Vorzugspreis von 50.- € im Rathaus in Erdweg an. Über die Gebietsreform informiert auch die aktuelle Sonderausstellung im Bezirksmuseum in Dachau „LebensRaumOrdnung“.

FOTO: Detail bearbeitet aus C.O.Petersen: Mein Lebenslexikon, München 1934.  

Chicken crossing

In Unterweikertshofen findet sich dieses einzigartige Schild: Vorsicht – hier queren Hühner die Straße!

Ich liebe dieses Schild, das immer für Schmunzeln und gute Laune bei allen sorgt, die es bemerken. Und es passt jetzt auch so gut in die österliche Zeit: schließlich gelten Hühner als Lieferanten der Eier, die für Ostern gekocht und gefärbt werden. Wobei dies nicht immer so gesehen wurde.

Da Hennen nur weiße oder braune Eier legen, wählte man zeitweise als Erklärung für die bunten Ostereier den Märzhasen. Der Chronist für Bräuche im 17. Jahrhundert, Doktor Georg Frank schrieb dazu 1682: „Man macht einfältigen Leuten und kleinen Kindern weis, diese Eier brüte der Osterhase aus und verstecke sie im Garten“. Schließlich würde er auf dem Feld, bevor er loshopple, eine Weile innehalten – dieser Moment sei der des Eierlegens. In manchen Gegenden Deutschlands war laut Volksglaube auch der Storch, Fuchs, Kuckuck oder Kiebitz unterwegs, um die Eier zu bringen. Letztendlich siegte aber der Hase, für dessen Popularität zahlreiche Grußkarten um 1900 und dann die  populäre „Häschenschule“, ein Bilderbuch von 1924, sorgten.

Im Dachauer Land hielt sich jedoch lange die Ansicht, dass der Gockel die Eier bringen würde. Kinder bastelten hier ein Nest, das ihn anlocken sollte. So ist aus Pellheim überliefert, dass ein Gockelnest aus im Boden gesteckten Weidenzweigen gebaut wurde, die oben zusammengebunden wurden. Zwei Seiten waren mit Fichtenreisig abgedeckt und die dritte Seite als Eingang offen gelassen. Der Boden wurde mit Moos bedeckt.

In Erdweg ließ sich der Gockel partout nicht in das vorbereite Nest locken, wie sich ein Zeitzeuge erinnerte – dennoch hätten die Kinder am folgenden Tag bunte Eier im Nest gefunden. In Wollomoos wurde sichtlich etwas nachgeholfen: „Der Gockel entledigt sich seiner Aufgabe sehr gerne, wird er doch von den Kindern schon längere Zeit vorher mit Eierschalen und Brot gefütter “, hielt der Ortspfarrer fest.

Inzwischen wurde in unserer Region der Gockel auch vom Osterhasen abgelöst – zumindest als Eierbote. Gelegt werden die Eier immer noch von den Hühnern – denn die haben ja schließlich Vorrang – zumindest in Unterweikertshofen.

 

FOTO: Schild in Unterweikertshofen, Richtung Langengern. Birgitta Unger-Richter.

 

Zu Osterbräuchen, nicht nur im Dachauer Land, gibt der Ausstellungskatalog des Bezirksmuseums in Dachau „Allerlei ums Osterei“ von 1996 Auskunft (hier auch das Zitat von Sebastian Frank). Im Mai 2022 erscheint die Chronik Erdweg mit einem Beitrag zu örtlichen Bräuchen von Annegret Braun. Dort wird auch der unwillige Gockel erwähnt. Zu Pfarrer Neureuthers Aufzeichnungen über den Gockel in Wollomoos  s. Chronik Altomünster. Hg. Wilhelm Liebhart für den Museumsverein Altomünster, Altomünster 1999, S. 537.

 

 

 

 

 

Blumen pflücken verboten!

Am 8. Juli 1912 war es soweit: die erste Lokalbahn fuhr durch den Dachauer Landkreis – allerdings  vorerst nur bis Schwabhausen. Denn erst ein Jahr später, im Dezember 1913 war das letzte Teilstück bis Altomünster vollendet. Zahlreiche Geschichten und Anekdoten ranken sich um das von den Einheimischen liebevoll genannte „Bockerl“ oder „Bummerl“. So wird und wurde augenzwinkernd berichtet, dass Blumen pflücken während der Fahrt im „Alto-Express“ verboten gewesen sei. Tatsächlich kam es vor, dass der Zug auf offener Strecke außerplanmäßig anhielt, wenn z.B. der Schaffner beim Blick aus dem offenen Zugfenster seine Mütze verloren hatte …

Gerne wird auch von der Jubiläumsfeier „60 Jahre Lokalbahn“ erzählt, bei der noch einmal an die Gründerzeit der Bahn erinnert wurde. Die Organisation übernahm ein Festkomitee, das die Zeit um das Jahr 1913 in Anlehnung an Ludwig Thomas Schriften aufleben ließ. Ein von einer Dampflok gezogener Zug beförderte die in Kostümen der Jahrhundertwende und Dachauer Tracht erschienenen Fahrgäste, darunter auch viel Prominenz. So wurde unter anderen am Bahnhof Dachau der königliche Prinz Xaver musikalisch mit dem Defiliermarsch und „literarisch“ von einer Ehrenjungfrau mit Versen begrüßt:

„Heil der königlichen Hoheit,

dem Prinz Xaver Heil, der wo heut

diesen Zug besteigen tat,

der nach Altomünster fahrt….“

Der von Thoma erfundene Landtagsabgeordnete Filser versuchte sich an einer Rede, ein störrischer Ochse wurde in den Viehwaggon eingeladen, Hochzeitslader und ein Brautpaar, Bauern und ihre Frauen lieferten sich schlagfertige Wortgefechte, bis die Abfahrt angekündigt wurde. Der dampfgetriebene Zug zuckelte durch das Dachauer Land, wo an allen festlich geschmückten Bahnhöfen angehalten wurde und besondere Darbietungen auf die Zugreisenden und die Schaulustigen vor Ort warteten: Reden der Bürgermeister und des Prinzen, Begrüßungsmusik und Sketche mit Lokalbezug. In Schwabhausen beklagte sich der Postillon, dass der neumodische Dampfzug ihm die Arbeit wegnähme, in Arnbach wurde der Räuber Kneissl von Polizisten gestellt, in Erdweg gab es eine große Bauernhochzeit mit Tanzboden und Rauferei, in Kleinberghofen versammelten sich viele Trachtler um einen täuschend echt wirkenden Ludwig Thoma, bevor der Zug mit seinen ausgelassenen Fahrgästen am Zielbahnhof Altomünster eintraf.

Viele, die dieses Jubiläum damals erlebt haben, schwärmen noch heute von diesem Ausnahmefest, viele erinnern sich an die Fahrten mit der alten Lokalbahn. Wer heute aus dem Fenster der modernen S-Bahnzüge blickt, sieht sogar teilweise noch die vom Prinzen Xaver geschätzte „liebliche“ Landschaft „von sanften Höhen durchzogen und mit Wäldern bedeckt“, wird aber mit zahlreichen anderen Mitfahrern zügig von A nach B gebracht – ohne unterwegs Blumen zu pflücken…

 

FOTO: Collage. Mehr zum Jubiläum der 70er Jahre bei Hans Günther Richardi und Gerhard Winkler: Ludwig Thoma und die Dachauer Lokalbahn. Geschichte und Jubiläum einer bayerischen Nebenstrecke, Dachau (Bayerland) 1974. Dort auch auf S. 85 das Zitat des Prinzen Xaver und auf S. 80 das Gedicht der Ehrenjungfrau. Im Ausstellungskatalog des Bezirksmuseums Dachau „´s Bockerl“ von 1993 ist die Geschichte der Lokalbahn von den Anfängen bis zur modernen Bahn aufgezeichnet.

Zu Thoma und der Lokalbahn noch ein Nachtrag: In einigen seiner Werke bezog er sich auf die Dachauer Bahn: in „Altaich (=Altomünster)“, 1918, „Der Ruepp“, 1921 und in verschiedenen Artikeln für die Zeitschrift März. Auch zu seinem Dreiakter „Die Lokalbahn“ ließ sich der Schriftsteller während seiner Aufenthalte in Dachau und im Dachauer Land inspirieren. Als das Theaterstück 1902 im Residenztheater in München aufgeführt wurde, war die Bahnlinie nach Altomünster allerdings noch nicht fertig. So wählte Thoma als Schauplatz für sein Stück „Dornstein“ – gleichbedeutend mit Traunstein – und die dortige Lokalbahnstrecke nach Ruhpolding.

Tatsächlich Liebe

Das Anschauen des Weihnachtsfilms „Tatsächlich Liebe“ ist eines der neueren Adventsrituale, die mein Mann und ich pflegen. In diesem Film wird auf amüsante Art die Partnersuche unterschiedlichster Menschen zu einem Ganzen verknüpft.

Wie ein Blick zurück zeigt, ging es auch schon früher in der Adventszeit nicht nur um das Warten aufs Christfest, sondern auch ums „Obandln“: „Bereits am ersten Tag der Adventszeit, dem Namenstag des Hl. Andreas (30.11.) glaubten heiratslustige Mädchen, dass der erste Bursche, dem sie am Andreastag begegnen, ihr zukünftiger Liebhaber oder Mann werde“, schrieb der Dachauer Brauchtumsforscher Robert Böck. Dieser und weitere sogenannte Orakelbräuche wurden, neben den Losnächten an Silvester und der Wintersonnenwende, an den Namenstagen der Heiligen Andreas und Thomas (21.12.) praktiziert. So konnte diejenige, die mehr über den Künftigen wissen wollte, am Thomastag einen Schuh oder – wie es aus Oberzeitlbach bei Altomünster überliefert ist – einen Pantoffel werfen. Es hieß, dass die Schuhspitze in die Richtung weisen würde, aus der er kommen würde. In Großberghofen und in Schluttenberg sollen Mädchen in den dunklen Hühnerstall gegangen sein und einer Henne eine Feder ausgerupft haben, um die Haarfarbe des Liebsten, hell oder dunkel auszumachen. Über die Körpergestalt sollten aus dem Feuer gezogenen Scheite Auskunft geben: groß, klein, gerade oder krumm. Auch die beim Bleigießen entstandenen Formen konnten Näheres über den Liebhaber aussagen. Wem dies noch zu vage war, der drosch vor dem ins Bettgehen abends auf den Strohsack ein und sprach: „Strohsack, i´tritt di´, Heiliger Thomas, i´ bitt´ di, laß mir erscheinen, mein´ Herzallerlieabst“ oder: „laß mi heut drama vo dem Mo, den i zum Altar führen ko“.

Die eine oder andere Verliebte schaute derweil täglich auf ihre am 4. Dezember, dem Barbaratag geschnittenen Obstzweige. Ein blühender Zweig an Weihnachten verhieß schon einmal einen nahenden Bräutigam. Wer den Zweigen die Namen der möglichen Kandidaten zuordnete, dem verriet der zuerst erblühte den Erwählten. Ob es dann auch „tatsächlich Liebe“ war – darüber schweigen die Quellen…

 

 

 

Mehr zum adventlichen Brauchtum im Dachauer Land wurde 2003 im Ausstellungskatalog des  Bezirksmuseums „Auf Weihnachten zu“ zusammengetragen. Dort ist auch Robert Böcks Aufsatz zum vorweihnachtlichen Brauchtum erschienen. Wilhelm Kaltenstadler widmete sich den Bräuchen im Altomünsterer Raum in der 1999 erschienen Ortschronik „Altomünster“ (Hg. Museums- und Heimatverein Altomünster mit Wilhelm Liebhart).

Das FOTO entstand bei einem Ausflug auf die Burg Trausnitz in Landshut.

 

 

Brandaktuell…

„Bratwurst mit Sauerkraut!“ an die sonore Stimme des Erzählers auf der Lieblingsschallplatte meiner jüngeren Schwester erinnere ich mich auch heute noch sehr gut. Sie erzählte vom Räuber Hotzenplotz, der sich unerlaubterweise das Lieblingsessen von Kasperl und Seppl bei der Großmutter einverleibte. Der zuvor im „Spritzenhaus“ inhaftierte Räuber hatte seinen Aufpasser Wachtmeister Dimpflmoser getäuscht und überwältigt, ihm die Uniform geraubt und ihn mit einem Feuerwehrschlauch gefesselt. „Spritzenhäuser“ waren damals, als die Geschichte spielt, nämlich nicht nur Aufbewahrungsorte für die Feuerspritze und Wasserschläuche der Feuerwehr, sondern dienten auch als Gefängnisse.

Einige Jahrhunderte zuvor waren die einzelnen Bürger selbst für das Löschen der Brände zuständig. In Dachau war es sogar eine der Voraussetzungen um überhaupt das Bürgerrecht zu erwerben: man musste einen Feuerkübel mitbringen. Eine Vorstellung davon gibt ein ledernes Exemplar aus dem 18. Jahrhundert im Bezirksmuseum Dachau. Damit ein Brand erst gar nicht entstehen konnte, waren Schutzmaßnahmen durch eine „Feuerordnung“ geregelt. Häuser sollten nur mit Ziegel- oder sogenannten „Schlierdächern“ (Lehm und Stroh) gedeckt werden und der Rat, der Marktschreiber und der Kaminkehrermeister kontrollierten zweimal jährlich die Feuerstätten. Dennoch ereigneten sich verheerende Großbrände, gerade in den ländlichen Gemeinden im Dachauer Land, wo die landwirtschaftlichen Anwesen noch häufig Strohdächer hatten. So in Großberghofen 1823, wo ein in Brand geratener Backofen das schnell um sich greifende Feuer auslöste und nahezu alle Bauernhöfe brannten – eindrücklich in einem Modell im dortigen Heimatmuseum dargestellt. Zwanzig Jahre später wütete in nahen Arnbach (1845) ebenfalls ein Großbrand.

Solche Ereignisse trugen maßgeblich zur Entstehung der ortsansässigen Feuerwehren bei. In Altomünster und Dachau wurden die Vereine im Jahr 1869 offiziell gegründet – wobei wohl in Altomünster bereits im 18. Jahrhundert eine Wehr bestand, wie in der Ortschronik stolz berichtet wird. Anfangs war die Ausrüstung mit Feuerkübeln, Feuerleitern und Feuerhacken noch einfach. Im Laufe der Jahre kamen immer mehr Pumpen, Spritzen und Gerätschaften hinzu. Heutzutage verfügt die Feuerwehr über modernste Geräte, die nicht nur zur Brandbekämpfung eingesetzt werden, sondern auch bei der Rettung und dem Schutz von Menschenleben bis hin zu technischen Einsätzen benutzt werden. Von „Spritzenhaus“ kann deshalb heutzutage nicht mehr die Rede sein.

150 Jahre nach ihrer Gründung haben die Feuerwehren in Dachau und Altomünster ihr Jubiläum gefeiert. Es gab Vorführungen, Vergnügungen und auch etwas zum Essen – vielleicht standen auch Bratwürste auf der Speisekarte…

Was die Pflichten eines angehenden Bürgers in Dachau anbelangt verweise ich auf August Kübler: Dachau in verflossenen Jahrhunderten, Dachau 1928, Neudruck 1981, S. 222. Der Feuerkübel im Bezirksmuseum ist auch im 11. Band der Kulturgeschichte des Dachauer Landes „Bezirksmuseum Dachau“ auf S. 24 abgebildet. Das BLOGFOTO zeigt ein altes Feuerwehrspielauto meiner Kinder.

Mit diesem Beitrag gratuliere ich allen Feuerwehren im Landkreis Dachau, die in diesem Jahr Jubiläum feiern! Weiterhin bedanke ich mich bei meiner Heimat-Feuerwehr, dank deren Hilfe ich heute nach einer längeren Auszeit wieder im Dienst sein kann.

 

 

 

 

Coole Typen

Die kleine Schneemannfamilie auf dem Foto fand ich letzte Woche im Biergarten eines griechischen Lokals in Weimar. Sie waren die einzigen Gäste in der frostigen Kälte, schienen sich aber sehr wohl zu fühlen. Mein Mann und ich haben uns aber nicht zu ihnen gesetzt: wir wählten statt dessen ein gemütliches warmes Café, wo es einen Schokoladenschneemann zum heissen Kaffee gab.

„Klassische“ Schneemänner erinnern sicherlich viele an ihre Kindheit, den ersten Schnee, tanzende Flocken, vielleicht Kohlenstücke als Augen oder Knöpfe und eine Rübennase. Aber von den nostalgischen Erinnerungen einmal abgesehen, kann man zum Thema „Schneemann“ noch einiges mehr entdecken. So las ich nach und fand, dass dem Schneemann sogar ein eigener Gedenktag gewidmet ist: am 18. Januar wird der „Tag des Schneemanns“ begangen. Laut Internetquellen wurde er 2011 von Cornelius Grätz aus Reutlingen ins Leben gerufen. Grätz ist offensichtlich ein Schneemann-Fan, denn er verfügt über eine Sammlung mit 3.000 dazu passenden Objekten, womit er es sogar ins Guiness-Buch der Rekorde geschafft hat. Einen weiteren Rekord hält die Gemeinde Bischofsgrün im Fichtelgebirge: 2006 wurde dort ein 12,80 m hoher Schneemann gebaut – bis heute der größte in Deutschland.

Wenn ich mich im näheren Umfeld umschaue, dann ist für mich auch ein Schneemann bemerkenswert, der bereits im Oktober 2012 den Teilnehmern der Leonhardi-Wallfahrt in Pasenbach zuwinkte, die zunächst wohl eher mit herbstlichen Temperaturen gerechnet hatten. Zu den lokalen Schneemännern gehört auch der freundlich blickende große Schneemann, der zusammen mit schneeballwerfenden jungen Männern für die aktuelle Ausstellung  „Winterfreuden“ im Dachauer Bezirksmuseum wirbt.

Vielleicht haben sie jetzt auch Lust bekommen einen Schneemann zu bauen? Natürlich vorausgesetzt, dass wir noch etwas Schnee haben. Und falls sie noch nie einen Schneemann oder eine Schneefrau gebaut haben – dafür gibt es im weltweiten Netz sogar Bauanleitungen für coole Typen. Aber es ist ja so einfach drei Kugeln zu rollen, aufeinander zu setzen und ein Gesicht mit gelber Rübe, Steinen, Mütze und Schal zu gestalten. Mit klassischem Zylinder wäre er sogar ein Vorbote für die Redoute am kommenden Samstag im Dachauer Schloss…

Fotos: Der „herbstliche“ Schneemann von 2012 in Pasenbach, mein Schokoladenschneemann vor dem Verzehr, das Kind der Weimarer Schneemannfamilie, der aufblasbare Schneemann meiner Kindheit, die Schneemannfamilie in Weimar.

In einem fremden Land

Wenn mich jemand nach „Geheimtipps“ im Dachauer Land fragt, dann nenne ich auch die Kirchenbauten der ersten Protestanten. Sie stehen an landschaftlich reizvollen Punkten im Dachauer Hügelland, können gut per Rad erkundet werden und erzählen von der weniger bekannten Geschichte unserer Heimat – ja von einem „fremden Land“,  wie es einer der ersten Siedler nannte.

Die Anfänge der protestantischen Ansiedlung datieren ins beginnende 19. Jahrhundert. Vornehmlich aus der Pfalz und dem Elsass kamen die sogenannten „Überrheiner“. Sie erwartete die schwierige Aufgabe, Moorgegenden zu kultivieren oder landwirtschaftlich vernachlässigte Gebiete wieder nachhaltig zu bewirtschaften. In Karlsfeld entstand die Mooskolonie und im nördlichen Landkreis wurden Weiler und einzelne Höfe in der Gegend um Langenpettenbach und Hilgertshausen übernommen.

Die neuen Bewohner brachten ein großes Wissen mit und setzten es tatkräftig in die Praxis um. Von der Mennonitengemeinde in Eichstock ist überliefert, dass ihre Mitglieder mit der Dreifelderwirtschaft, dem Anbau von Klee und intensiver Viehhaltung große Erfolge in der Landwirtschaft erzielten. Auch technischen Neuerungen gegenüber waren sie sehr aufgeschlossen: einzigartig in Bayern war 1847 der Import einer amerikanischen Dreschmaschine, die gemeinschaftlich von zehn Familien genutzt wurde. Die vorhandenen Höfe wurden instand gesetzt und um- oder ausgebaut. Ein Beispiel dafür ist der Hof Eichstock 1, wo 1839 auch der Pfälzer Baustil in einer Hofanlage mit straßenseitigem Eingangstor einen Widerhall fand.

Im überwiegend katholischen Dachauer Land lebten die protestantischen Siedler ihren Glauben in ihren Gemeinschaften und versammelten sich zum sonntäglichen Gebet anfangs im Umland von Kemmoden und auf den Höfen der Siedler wie dem Hammerhof in Stachusried oder dem Tafelhof in Tafern. Taufen, Trauungen und Beerdigungen wurden zu diesem Zeitpunkt noch von katholischen Geistlichen vorgenommen. Mit der Errichtung der Bethäuser in Kemmoden (1829), Lanzenried (1836) und Eichstock (1841) gab es Säle für Gottesdienste und Räume für den Schulunterricht. Auf den dazugehörigen Friedhöfen konnten die toten Gemeindemitglieder bestattet werden. Zuvor wird berichtet, dass das Begräbnis eines Protestanten ohne jedes Aufsehen vor sich zu gehen hatte, nämlich „sine lux et crux“ ohne Licht und Kreuz, und der Pfarrer Zivilkleidung getragen habe.  Ja es wird sogar mündlich überliefert, dass es eine „evangelische“ und eine „katholische Schaufel“ gegeben habe….

Trotz wirtschaftlicher Erfolge und der Schaffung von geistlichen Zentren wurde für viele Siedler das Dachauer Land dennoch nicht zur dauerhaften Heimat. Als 1848 die Revolution ausbrach, formulierte der Mennonit David Ruth seine Sorgen: „Wir hatten große Angst … weil wir in einem fremden Land und nicht katholisch waren“. Über die Hälfte der Protestanten machte sich nochmals auf den Weg nach Amerika – andere blieben und bewohnen mit ihren Nachfahren bis heute das nördliche Hügelland des Dachauer Landkreises.

 

 

Der Geschichte der Protestanten im Landkreis ist eine Ausstellung im Bezirksmuseum Dachau gewidmet. Die Informationen zu diesem Beitrag entnahm ich dem dazu erschienenen Ausstellungskatalog und den darin enthaltenen Aufsätzen von Susanne Pfisterer-Haas und Helmut Funck. Weiterhin: Helmut Funck: Zur Geschichte der Überrheiner. In: Zeitschrift Amperland 2005, Heft 3, S. 88-94.

Die Heimatpflege Dachau erinnert mit „Gegen das Vergessen“ 2017 an die beiden Stifter des Baugrundes für die Gebäude in Lanzenried und Eichstock. 

Auf dem FOTO ist die evangelische Kirche in Kemmoden zu sehen.