Schlagwort: Röhrmoos

(K)ein Busserl für den Herrn

Hl. Gräber erleben eine Renaissance! Bereits im letzten Jahr konstatierte der Brauch-Referent beim Landesverein für Heimatpflege, Michael Ritter, dass „die Kulissen für diese Inszenierungen ( …) vielerorts auf Dachböden entdeckt, entstaubt und wieder aktiviert“ würden. Auch im Landkreis Dachau kann man während der Kartage vielerorts in katholischen Kirchen wieder Hl. Gräber aufsuchen.

Am Karfreitag beginnt nach dem Beten des Kreuzweges und der Station „Der hl. Leichnam Christi wird in das Grab gelegt“ die Grabesruhe Christi. Bis zur Säkularisation 1803 wurde in vielen bayerischen Klöstern die Grablegung in einer feierlichen Prozession nachvollzogen. Heute verweisen die erhaltenen Gräber auf dieses szenische Nachvollziehen des Evangeliums.

Als Schulbub durfte der ehemalige Lehrer und Landtagsabgeordnete Blasius Thätter beim Aufbau des Hl. Grabes in seinem Heimatort Großberghofen mithelfen, wie er in seinen 2009 veröffentlichten Erinnerungen „Das Milchholen“ festhielt. Bereits am Morgen des Gründonnerstags wurde der Kirchenraum abgedunkelt, die Altäre verhüllt und das Grab aufgestellt. Die vom Mesner vorgefertigten Tafeln aus Holz wurden in die Kirchenfensteröffnungen gehängt. Die Ritzen verstopften die Buben mit Moos, damit kein Licht mehr in die Kirche fiel. Die Glaskugeln für die Beleuchtung waren mit gefärbtem Wasser gefüllt, das durch Ostereierfarben seine Farbe erhielt. Für den Aufbau hatten „andere Buben … zusammen mit dem Mesner im Altarraum ein zwei Meter hohes Holzgestell mit einer Plattform aufgebaut. Eine schmale Treppe führte hinauf. Links und rechts vom Gestell fügten sie gerade hohe Stellwände ein, die mit Leinwand bespannt waren. Auf deren Fläche waren die Marmorwände, waren die Palmbäume aufgemalt. (…) Nun wurde vorn in der Mitte das heilige Grab dazu gestellt, das aus Holz gefertigt und ebenfalls marmoriert war…“. Bis das Grab mit Verdunkelung aufgebaut war, erinnert sich Blasius Thätter, sei ein ganzer Tag vergangen.

Bereits als kleiner Bub war er vom Hl. Grab beeindruckt: „Die Kirche war völlig abgedunkelt gewesen. Nur im Altarraum strahlten viele Lichter in verschiedenen Farben. Allmählich gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit und ich erkannte, dass vorne ein steinernes Grabgewölbe aufgebaut war, welches den ganzen Altarraum ausfüllte und von den bunten Lichtern umrahmt war…“. Er erzählt weiter, dass der schmerzhafte Rosenkranz gebetet wurde und er am Ende des Kirchenbesuchs aufgefordert wurde, es wie die Mutter zu machen und die Wunden des Gekreuzigten an Händen, Füßen und am Herzen des Heilands zu küssen: „Komm Bub, knie dich hin, tu den Himmelvater schmatzen! Mach es so wie ich.“. Dieser Brauch ist noch als „Himmelvaterschmatzn“ in Petershausen und als „Herrrgott-Abbusseln“ in Röhrmoos bekannt. Heute wird er meines Wissens nicht mehr ausgeübt – kein Busserl für den Herrn!

 

FOTO: Birgitta Unger-Richter, Das Hl. Grab im Museum in Großberghofen.

Wer Hl. Gräber aufsuchen möchte: im Großberghofener Hutter-Museum ist am Karfreitag geöffnet. Dort befindet sich das dauerhaft installierte Hl. Grab des Ortes. In Langenpettenbach ist es im rechten Seitenschiff aufgebaut, in Hirtlbach und in den Klosterkirche Markt Indersdorf gibt es ebenfalls Hl. Gräber. Weitere Aufstellungen werden in der Tagespresse veröffentlicht. Hintergrundinformationen bietet u.a. ein Beitrag von Fabian Brand über die Tradition der Heiligen Gräber.

 

 

 

Wenn „Hemd und Hose“ am Kirchturm flattern…

Wofür steht eine rot-weiße Fahne am Kirchturm? So eine im Volksmund kurz „Zachäus“ genannte „Zachäusfahne“, bezieht sich auf den Zöllner Zachäus, von dem im Lukasevangelium berichtet wird, dass er auf einen Baum gestiegen sei, um Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem besser sehen zu können (Lk 19, 1-10). Die Legende berichtet, dass Zachäus eine rote Hose und ein weisses Hemd getragen habe, die dabei zerrissen seien.

Am dritten Sonntag im Oktober wird im Evangelium von der Begegnung des Zachäus mit Jesus erzählt. An diesem Sonntag wird auch das allgemeine Kirchweihfest gefeiert, weshalb die rot-weiße Fahne für diesen Festtag steht. Bevor dieser verbindliche Termin für die Feier von Kirchweih festgelegt wurde, feierte man die Weihe der Ortskirchen ganz individuell. Man kann sich vorstellen, dass bei der großen Anzahl an Kirchen praktisch das ganze Jahr über irgendwo eine Kirchweih war. Und eine Kirchweih wurde nicht nur an einem Tag begangen – nein – man feierte meist ausgelassen gleich mehrere Tage. Das war schließlich der Obrigkeit ein Dorn im Auge, sodass nurmehr der dritte Sonntag im Oktober als Kirchweih-Feiertag festgelegt wurde.

Kirchweih war schon immer ein Dorf- und Familienfest. Es wurde üppig gegessen und getrunken, es gab Tanz und Unterhaltung und Märkte wurden abgehalten. Und heute? Gasthäuser, auch bei uns im Landkreis Dachau, bieten häufig das traditionelle Festtagsgericht mit Gans, Knödel und Blaukraut an. Im Bezirksmuseum kann man manchmal eine Kirtahutschn (ein langes Brett, das an Seilen aufgehängt wird) ausprobieren. In Bäckereien und Cafés werden Kirtanudeln angeboten. In Petershausen und Altomünster laden Kirchweihmärkte zum Bummeln und Einkaufen ein. An manchen Orten gibt es einen Kirchweihtanz. Und dann weht da noch der „Zachäus“ am Kirchturm – schauen sie doch mal nach oben…

 

Foto: Zachäusfahne in Thalhausen

Einen Kirchweihtanz bietet z.B. der Pfarrgemeinderat Großinzemoos am Vorabend von Kirchweih an. Zachäusfahnen habe ich bisher in Indersdorf und Thalhausen entdeckt. Wenn sie noch einen weiteren Ort im Landkreis Dachau wissen, dann ergänze ich gerne meine Liste.

 

 

Heimatland?

„Heimatland“ – dieses alte Filmplakat hat sofort meine Neugierde geweckt. Ich fand es bei einem unserer letzten Außentermine im südwestlichen Landkreis in einer ehemaligen Werkstatt.

Der Filmtitel „Heimatland“ sagte mir zunächst nichts. Recherchen im Internet ergaben, dass der Streifen im Jahr 1955 erschien. Kurz gefasst handelt es sich um eine typische 50er Jahre-Geschichte in einer vermeintlich heilen Welt. Thematisiert werden Werte der Nachkriegszeit und Sanktionen für Menschen, die vom strengen Regelgerüst der Zeit abweichen. Dabei wird tief in die Klischeekiste mit feschen Jägern, einem süßen Hund, hübschen jungen Frauen im Dirndl und einem Wilderer gegriffen.

Aber der Titel „Heimatland“ weist auch über die 50er Jahre hinaus, mitten in die immer noch aktuelle Heimat-Debatte, die zu Beginn des Jahres mit der Ankündigung ein „Heimatministerium“ auf Bundesebene schaffen zu wollen, erneut in Fahrt kam. Sehr wohltuend inmitten all der politischen Statements nahm sich eine Serie in der Süddeutschen Zeitung aus, die Heimat von allen Seiten beleuchtete und die neue Heimat z.B. im Internet genauso berücksichtigte (23. 01.2018) wie auch die kulinarische Heimat (10.01.2018). Interessant fand ich auch den Beitrag der österreichischen Schriftstellerin Petra Piuk (09.01.2018), die sich mit den Inhalten des Heimatromans befasste. Ihre aufgelisteten Charakteristika für den klassischen Heimatroman können genauso gut auf altbackene Heimatfilme à la „Heimatland“ angewandt werden: heile Welt, Brauchtum, Naturverbundenheit, Familienidylle, Tierliebe, Hochzeitsglocken… Piuk plädierte dafür, diesen Bildern ehrliche, aktuelle Themen in der Heimat entgegenzusetzen. In die gleiche Richtung dachte die Journalistin Constanze von Bullion, die die Aufgabe eines „Heimatministeriums“ darin sah, ein Ort zu sein „in dem sich das Eigene mit dem Fremden versöhnt“. Das ist für mich eine schöne salomonische und dennoch aufgeschlossene Definition für ein neues „Heimatland“, nicht für neue Filme und Romane, sondern für die sich stetig wandelnden Realitäten unserer Zeit.

 

Zum Thema Heimat lade ich sie herzlich zu meiner Heimat-Sprechstunde – ohne Anmeldung – rezeptfrei! ein:

  • Was hilft gegen Heimweh?
  • Kann man auch unter Heimatklischees leiden?
  • Wann trägt Heimat zum Wohlbefinden bei?
  • Ist Heimat nur ein Symptom oder ein Syndrom?
  • Gibt es Denkmalschutz nur auf Rezept?
  • Kann man Brauchtum verordnen?
  • Was hilft gegen Flächenfraß?
  • Wie schafft man den Balanceakt zwischen Tradition und Moderne?

Es werden keine Patentrezepte ausgestellt – aber es gibt Zeit für ein gemeinsames Gespräch, einen Informationsaustausch und für Anregungen und Fragen.

Aktuell steht kein neuer Termin fest.

Für Kinder und interessierte Erwachsene lesen Andrea Wilfer und ich ab und an aus dem Landkreisbuch „Auf Mäusepfoten durchs Dachauer Land“. Termine sind der Presse zu entnehmen oder beim Bayerland Verlag und der Autorin zu erfahren.

Das FOTO entstand während eines Amtstages in einer ehemaligen Werkstatt im westlichen Landkreis Dachau.

 

 

 

 

Dachauer Heimatkrimi(s)

„Am St. Johannitag, den 24. Juni, nachmittags, ertrank beim Baden in der Glonn bei Indersdorf der praktische Arzt Herr Dr. Heinrich Schmederer aus München, 30 Jahre alt, und wurde die Leiche am 25. Juni aus dem Wasser gezogen“. So lautete die Meldung im Amperboten vom 26. Juni 1880.

Der Arzt Dr. Schmederer hatte an diesem Tag beruflich im Distriktskrankenhaus in Indersdorf zu tun. Dort untersuchte er als Mitglied einer Münchner Kommission die Leiche des am 13. Juni erstochenen Röhrmooser Dienstknechts Raimund Fleischmann. Danach begaben sich die Herren zum Mittagessen in die Klosterbrauerei. Dr. Schmederer wollte sich nach dem Mahl bei einem Bad erfrischen und lud auch die anderen Herren ein, die jedoch ablehnten. „So ließ er sich allein zu der in nächster Nähe Indersdorf an der Glonnbrücke sich befindenden Brücke führen“, berichtete der Amperbote vom 27. Juni. Nach einer Stunde wurde Dr. Schmederer vermisst. Man fand zunächst nur seine Kleider und erst einen Tag später die Leiche des Verunglückten. Der Vorfall sprach sich wie ein Lauffeuer im Ort herum und zahlreiche Schaulustige verfolgten die Bergung und Überführung des Ertrunkenen. Als Erinnerung an den Unglücksfall ließ die Familie Schmederer am Unfallort ein Kreuz errichten.

Diese Begebenheit hätte durchaus das Potential für einen Heimatkrimi:  Ich sehe den Ermittler schon vor mir, wie er den Ausführungen der Angehörigen folgt, dass es sich um keinen Unglücksfall handeln könne, da der Tote äußerst gesund und ein ausgezeichneter Schwimmer gewesen sei. Der Klosterwirt widerspricht dem Verdacht, dass die Brotzeit schuld gewesen sei, weist aber mit verschwörerischer Miene darauf hin, dass der Mörder des Röhrmooser Dienstknechts noch immer nicht gefasst sei…

Aber an dieser Stelle breche ich ab –  schließlich schreibe ich (noch) keinen Heimatkrimi. Aber die Geschichte hat auch so noch eine spannende Fortsetzung, die mein hochgeschätzter Vorgänger Kreisheimatpfleger Alois Angerpointner festgehalten hat: „Vom Schmederer Kreuz“.

Angerpointner berichtet, dass bald nach dem Tod des Arztes das Gerücht aufkam, dass es beim „Schmederer-Kreuz“ spuke. Ein Geist sei erschienen hieß es oder auch ein großohriger Hund sei gesichtet worden. Bei einbrechender Dunkelheit meide man die Unglücksstelle und Schulkinder trauten sich nur in Gruppen die Brücke zu passieren. Das wurde mir auch von einer Indersdorferin bestätigt, die erzählte, dass man auch noch in den 50er Jahren den jungen Mädchen davon abriet, abends die Brücke beim „Schmederer-Kreuz“ zu passieren, weil einen sonst der „oide Schmederer holt“.

In Alois  Angerpointners gesammelte Sagen aus dem Dachauer Land werden häufig Begebenheiten mit historischem Kern erzählt, wie beim Schmederer-Kreuz, eingebettet in eine Spukgeschichte. Oft erscheinen Geister, mit oder ohne Kopf, feurige oder schwarze Hunde und der Teufel sucht sich eine immer wieder andere Gestalt, um den Menschen Verderben zu bringen. Für den Menschen scheinbar Unerklärliches wird erläutert, Frevel bestraft, gottgefälliges Leben belohnt. Eine wahre Fundgrube für historisch Interessierte und für Liebhaber spannender Geschichten – Geschichten, die viele Heimatkrimis in den Schatten stellen.

 

 

Die Zitate stammen aus dem Amperboten, nachzulesen im Stadtarchiv Dachau. Die Sage „Vom Schmederer-Kreuz“ findet man bei: Alois Angerpointner: Altbairische Sagen. Geschichten und Legenden aus dem Dachauer Land (Teil 2), Dachau (Bayerland) 1980.

 

FOTO: Abendstimmung bei Fritzlar.