Schlagwort: Brauch

„Sie hupen – wir trinken“ …

… stand auf einem Schild am Straßenrand, das ich bereits zweimal im Landkreis Dachau sah. So ließ sich ein Geburtstagskind von den vorüberfahrenden Autofahrern feiern, indem es bei jedem Hupton mit seinen Mitfeiernden anstieß.

Ein neuer Brauch? Ich bin mir nicht sicher, ob das auch weiter verbreitet ist und als „Brauch“ bezeichnet werden kann. Bräuche nennen wir ja immer wiederkehrende Ereignisse, die zu bestimmten Gelegenheiten immer gleich begangen werden – also keine einmaligen oder seltenen Ereignisse.

Ein Brauch im Dachauer Land ist aber auf jeden Fall das Aufstellen von Bäumen anläßlich eines runden Geburtstages. Diese ähneln den Bäumen, die andere freudige Ereignisse begleiten: der Maibaum stimmt auf den Frühling ein, der Hochzeitsbaum auf die traute Zweisamkeit, der Geburtsbaum feiert einen neuen Erdenbürger. Immer handelt es sich um einen geschälten Baumstamm, oftmals weiß-blau bemalt mit begleitenden Schildern. Den Maibaum ziert häufig ein Kranz, den Hochzeitsbaum manchmal ein Brautpaar oder Herz und auf die Geburt eines Kindes macht gerne ein Storch aufmerksam.

Bei den Geburtstagsbäumen hingegen, bildet das aus dem Straßenverkehr bekannte rot umrandete runde Schild mit der Geburtstagszahl den oberen Abschluss. An sich ist dies eher ein Verbotsschild, das mit einer Zahl die Höchstgeschwindigkeit anzeigt. Woher wohl dazu die Idee kam? Ich habe bisher keine Antwort darauf.

Auf den Schildern darunter sind Hinweise auf Hobbies und Vorlieben des Geburtstagskindes angebracht wie das Lieblingsessen oder (Fußball-)Vereine. Auf dem abschließenden unteren Schild eines Baumes wird alles Gute gewünscht und häufig zu einem Umtrunk mit Essen ein Jahr nach dem Geburtstag aufgefordert – wenn der Baum wieder abgebaut wird. So wird bei diesem Brauch gegessen und getrunken – ohne dass man durch Hupen aufgefordert wird.

FOTO: Unger-Richter, Baum in Eisenhofen

Haben sie eine Idee, woher das runde Verbotsschild kommen könnte? Ich freue mich über ihre Kommentare und Anregungen! 

 

Raunächte

„Ist das ihre Wäsche auf dem Speicher?“ fragte mich besorgt meine Nachbarin kurz vor Weihnachten, als wir noch in einem Mehrfamilienhaus in Dachau wohnten, denn es bringe Unglück zwischen den Jahren Wäsche aufzuhängen. Etwas verwundert brachte ich die nasse Wäsche rechtzeitig in die Wohnung zum Trocknen, ohne mir weitere Gedanken zu machen.

Heute weiß ich, dass die zwölf Nächte zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Januar als „Raunächte“ gelten, in denen von altersher angenommen wurde, dass Dämonen und böse Gestalten ihr Unwesen treiben. Man fürchtete sich davor, dass sie Kinder, Frauen und Mädchen belästigten oder herumliegende Gegenstände verschleppten. Es wurde sogar geglaubt, dass „Totenheere“ oder die „wilde Jagd“ durch die Lande ziehen und Unheil verbreiten würden.

Und wie konnte man sich dagegen schützen? Frauen und Kinder sollten nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr nach draußen gehen. Der Haushalt sollte aufgeräumt sein und die Wäsche nicht auf der Leine hängen, Hausarbeit und auch Handarbeiten wie Stricken und Sticken sollten unterlassen werden, denn Unordnung und auch Arbeitstätigkeiten würden von den Dämonen bestraft werden.

Weiterhin war das Räuchern, woher wahrscheinlich auch der Name der „Raunächte“ kommt, ein probates Mittel, um alles Schlechte aus den häuslichen Räumen zu vertreiben. Dazu wurde auf eine Räucherpfanne oder Schaufel Glut gelegt und darauf Weihrauch, geweihte Kräuter oder Teile des Kräuterbuschens von Maria Himmelfahrt gegeben. Damit ging man vom Keller bis zum Speicher. Auf Bauernhöfen wurden auch die Ställe und die Scheune geräuchert. Meist versprengte man zusätzlich Weihwasser und sagte dazu Gebete und Segenssprüche auf.

Auch heutzutage möchte man alles aufgeräumt, eingekauft und hergerichtet haben. Räuchern scheint inzwischen auch wieder Brauch zu werden, wie zahlreiche Alltagsratgeber zeigen. Ob auch das Wäscheabhängen dazu gehört,  weiß ich nicht. Ich mache das jedoch immer noch automatisch vor Weihnachten und denke dabei jedes Jahr an unsere Nachbarin.

 

Foto: Wir haben heuer auch im eigenen Haushalt geräuchert!

Eine Sage aus der Zeit der Raunächte hat sich aus Hirtlbach erhalten: dort wurden Kirchgänger vom Teufel in Versuchung geführt. Wer Lust hat, kann sich die Geschichte von Jörg Baesecke von der Kleinsten Bühne der Welt erzählen lassen. Wer lieber selber liest, kann zum zweiten Band der Altbairischen Sagen, gesammelt von Alois Angerpointner, Dachau 1980, S. 43f. greifen.

 

Zu den Raunächten oder „Rauhnächten“  findet man weiterhin Wissenswertes bei: Alois Angerpointner: Vom Prehentag, der Perchtennacht und der Pefana. Alte Namen für das Fest der Heiligen-Drei-Könige. In:  Amperland Jg.2, 1966, S.02-03. Manfred Becker-Hubert: Feier, Feste, Jahreszeiten. Lebendige Bräuche im ganzen Jahr, Freiburg/Basel/Wien 2001, S.153-54.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der große Kürbis

Zu diesem Blogbeitrag inspirierte mich mein Gemüsegarten: hier wuchs heuer ein (!) Hokkaido-Kürbis. Er ist klein und kompakt, schön orangefarben und ließ mich, wie Linus van Pelt von den Peanuts, von einem großen Kürbis träumen. Nicht dass ich, wie er im Zeichentrickfilm „Der große Kürbis“, mir eine Phantasiegestalt vorgestellt hätte, die mir Geschenke an Halloween bringt. Nein, vielmehr hätte der Kürbis ruhig ein bisschen größer ausfallen können, um zumindest eine Suppe zu ergeben.

Aber meine kümmerliche Ernte brachte mich zumindest auf die Idee, über die Verknüpfung von Kürbissen und Halloween nachzulesen.

Darüber geben verschiedene Quellen recht gut Auskunft: der Kürbis erinnere an einen Betrüger und Trinker mit Namen Jack O. aus Irland. Als er starb hätten, laut Sage, weder der Himmel noch die Hölle ihn haben wollen, da er sogar den Teufel ausgetrickst habe. Allerdings habe der Fürst der Finsternis Mitleid mit ihm gehabt und ihm ein Stück glühende Kohle in einer Rübe mitgegeben, damit er auf seinem einsamen Weg zwischen den Welten ein Licht habe. In Amerika wurde aus der Rübe dann ein Kürbis, der in Erinnerung an den Gauner Jack O´Lantern (Jack mit der Laterne) genannt wurde und häufig gruselige Gesichter eingeschnitten bekam. Sie leuchteten furchteinflößend und sollten auf Geister abschreckend wirken.

Heutzutage zieren solche Kürbisköpfe auch bei uns die Hauseingänge am Abend des 30. Oktober. Obwohl das Gedenken an die Heiligen am 1. November vielerorts mit liturgischen Feiern begangen wird, ist das Fest an dessen Vorabend, „All Hallows Evening“ (d.h. die Nacht vor allen Heiligen) inzwischen populärer. Besonders Familien und Kinder feiern es gerne. Sie verkleiden sich und ziehen von Haus zu Haus, um mit dem Spruch „Süßes oder Saures“ Süßigkeiten zu erbetteln – andernfalls würden Streiche gespielt, also „Saures gegeben“.

So sind auch alle Freunde der Peanuts im zuvor genannten Film kostümiert unterwegs, während Linus auf dem Kürbisfeld auf den großen Süßigkeitenspender, den „Großen Kürbis“ wartet, der leider auch an diesem Abend nicht kommt. Lieber Linus, lass uns zusammen warten: nächstes Jahr kommt er sicher, vielleicht auch in meinen Garten, der „große Kürbis“.

Foto: unser Kürbis, gestaltet von meinem Mann, einem großen Peanuts-Fan, der mich mit den Zeichentrickfiguren von Charles M. Schultz bekannt machte. Ihm ist dieser Beitrag gewidmet: Charlie Brown, seine Familie und Freunde, aber vor allem der Hund Snoopy begleiten uns und unsere Familie seit unserem ersten „Date“.  Noch ein Lesetipp: Dr. Daniela Sandner vom Landesverein für Heimatpflege schreibt sehr unterhaltsam über Pro und Contra zum neuen Brauch „Halloween“.

 

 

 

 

Das kommt in die Tüte

Schulanfang – Schultütenzeit! Und was kommt in die Tüte? Früher zeigte schon die Bezeichnung „Zuckertüte“, dass vor allem Süßes darin zu finden war. Bereits 1817 wird berichtet, dass einem Schulanfänger eine „Tüte Konfekt“ mitgegeben wurde. Rund hundert Jahre später erzählte Albert Sixtus in seinem Buch „Der Zuckertütenbaum“ (1920) die Geschichte von einem Baum, an dem im Keller der Schule Zuckertüten wachsen. Wenn diese reif seien, dann sei es für die Kinder Zeit, in die Schule zu gehen.

Eine Geschichte, die mir neu war. Kein Wunder, denn dieser Brauch kam erst relativ spät in den Süden der Bundesrepublik. Er hat seine Wurzeln im protestantischen Osten in Thüringen, Sachsen und Schlesien, wie der Volkskundler Hermann Bausinger herausfand. Dort gab es auch ab 1910 die erste industrielle Produktion von Zucktertüten bei der Firma Nestler im Erzgebirge. In den katholischen Süden kam die hier als „Schultüte“ bezeichnete Tüte erst ab den 50er Jahren mit dem Wirtschaftswunder, zunächst in den Städten und später auf dem Land.

Wissen sie noch, was in ihrer Schultüte war? Meine Schwester, die auf dem Foto aus den 70er Jahren abgebildet ist, meint, dass sie Buntstifte oder Wachsmalkreiden neben Süßem erhalten habe.

Das scheint auch heute noch der Brauch zu sein: Nützliches für den Schulanfang und etwas zum Naschen, um den jetzt beginnenden „Ernst des Lebens“ zu versüßen. Und dann wird heutzutage nach dem ersten Schulbesuch auch mit Eltern, Geschwistern und häufig auch den Großeltern bei Kaffee und Kuchen oder mit einem Restaurantbesuch das Ereignis gefeiert. Manchmal gibt es dann nicht nur eine Tüte, sondern gleich mehrere.

Die „offizielle“ Schultüte wird dabei häufig von den Müttern oder Vätern bereits im Kindergarten gebastelt: rund oder vieleckig mit Motiven wie Märchenfiguren, Astronauten, Comicfiguren, Pferden, Feen – je nach Vorlieben des Schulanfängers. Oben wird sie mit einem Krepppapier oder Stoff zugebunden, sodass man den Inhalt nicht sehen kann. So bleibt die Spannung bis nach dem ersten Schulbesuch bestehen: was wird wohl in der Tüte sein? Buntstifte, Radiergummi, Trinkflasche, Brotzeitbox und auch, wie mir mitgeteilt wurde, manchmal ein Handy und natürlich Süßes, heutzutage häufig gesundheitsbewußt mit weniger Zucker.

Auf jeden Fall stecken in jeder Tüte Dinge, die mit den Augen nicht zu sehen sind. Es sind die guten Wünsche, die alle Eltern ihren Kindern mitgeben: Freude am Lernen, eine nette Klassengemeinschaft und eine verständnisvolle Lehrkraft. Meine Nichte wird übrigens als frischgebackene Lehrerin im Herbst ihr Referendariat beginnen und von ihrer Mutter (auf dem Foto) eine Schultüte erhalten. Ihr und allen Schulanfängern wünsche ich einen guten Start ins Schulleben!

 

FOTO: Dank an meine Schwester für ihr Einschulungsfoto, das ein Schulfotograf gemacht hat. Er brachte eine Schultüte mit Figuren mit und legte eine Fibel vor sie auf den Tisch.

Weitere Informationen zur Schulttüte lieferte Brauchwiki mit weiterführender Literatur und ein Beitrag auf der Webseite des mdr. Wer als Lehrkraft neu im Landkreis Dachau ist, ist herzlich zu einer „Schnuppertour“ mit der Kreisheimatpflegerin am 28. September eingeladen. Bei der nachmittäglichen Busrundfahrt können sie Kunst, Kultur und viele Ansprechpartner kennenlernen. Anmeldungen erfolgen über FIBS.

 

 

 

 

 

 

Abschied vom schlechten Geschmack?

Was wohl die alten Spartaner zur Weiterentwicklung ihrer Idee, den Abschied vom Singledasein zu feiern, gesagt hätten?

„Ein Schaf läuft übers Karpfhamer Volksfest im Rottal, es ist die verkleidete Braut, angefeuert von einer Horde junger Frauen. Sie verkauft Gaben aus ihrem Körbchen, getrunken wird nicht nur Limo. Ein Mann muss in der Münchner Fussgängerzone Bussis von Passantinnen sammeln, gequetscht in einen rosafarbenen Latexanzug, fast nackt….“, so beschrieb Hans Kratzer 2016 zwei Jungesell*innenabschiede in der Süddeutschen Zeitung.

Längst hat diese Form der Feier den Polterabend abgelöst, bei dem früher reichhaltig Porzellan (kein Glas – weil es Unglück bringt) geworfen wurde. Die Scherben musste dann das Brautpaar zusammenkehren.

Heute feiern junge und auch nicht mehr ganz so junge Männer und Frauen häufig anders. Wie Hans Kratzer beschrieb, treffen sie sich in Gruppen, meist ausgestattet mit Mottoshirts, Haarreifen, Bauchläden und Alkoholischem. Manche schicken die künftigen Brautleute auch auf eine Schnitzeljagd, bei der sie mehr oder weniger „originelle“ Aufgaben lösen müssen. Vielerorts sind die ausgelassen Feiernden für Gastronomen inzwischen ein rotes Tuch, wie Eintrittsverbote „Keine Jungesellenabschiede“ belegen.

Keine Frage, dass Wendepunkte im Leben gefeiert werden müssen. Dazu gehört auch der Übergang vom Single- zum Paardasein, früher ein Schritt, der die Jugendzeit offiziell beendete und die Rolle der Brautleute als Mann und Frau in der Gesellschaft unterstrich. Der Altbauer ging mit seiner Bäuerin in den Austrag und machte für die neue Generation Platz, die die Verantwortung für den Hof übernahm und selbst eine Familie gründete. So kann man in den Feiern am Vorabend der Hochzeit auch eine Art von Initiationsritus sehen, der auf das neue Leben vorbereitete. Als Erwachsener durfte man Alkohol konsumieren und (erste) sexuelle Erfahrungen machen. Dies wurde später in Parties aufgegriffen, zu denen Tänzerinnen oder Stripper*innen eingeladen wurden oder werden.

Und heute? Zunehmend beobachte ich, dass jetzt Freunde und Freundinnen des Paares auf eine Art von Kurzurlaub eingeladen werden, um gleich einen ganzen Tag oder ein Wochenende zusammen zu sein. Vom Bayrischen Wald bis Mallorca ist hier alles möglich, von Wellness bis Ballermann, Mädelsabende, Männerausflüge oder gemeinsame Unternehmungen – im Mittelpunkt steht das gemeinsame Freizeiterlebnis.

Die Hochzeit findet heute bei vielen Paaren nach einem längeren gemeinsamen Zusammensein und -leben statt. Damit hat der Jungesell*innenabend seinen ursprünglichen Charakter verloren und ist nurmehr  e i n  Baustein bei den Hochzeitsfeierlichkeiten und erinnert so nur noch in Teilen an seine ursprüngliche Bedeutung.

Jetzt bleibt für mich nur zu hoffen, dass sich mit den neuen Entwicklungen des Brauchs auch zunehmend der Abschied von peinlichen Verhaltensweisen und damit vom schlechten Geschmack durchsetzt.

 

FOTO: Alles was es heutzutage für einen Junggesellinnenabschied braucht, entdeckte ich vor einigen Jahren in einem Laden für Deko aller Art in Miesbach: Dekoschirmchen für Cocktails, Blütenketten, Haarreife, Lippenstift, Einladungen…

Hans Kratzer veröffentlichte den Artikel, aus dem ich zitierte, am Wochenende 08./09.Oktober 2016 in der Süddeutschen Zeitung. Ein weiterer Beitrag von ihm findet sich in einer Ausgabe der SZ von 2010. Zum Thema „Erwachsensein“ s.a. Ausst.Kat. Bezirksmuseum Dachau: Wie es war und ist, erwachsen zu sein, Dachau 2020.

 

 

 

 

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Die Brücke der ewigen Liebe

Bei einem Spaziergang fanden mein Mann und ich drei blinkende Schlösser, die an beiden Geländern der Fußgängerbrücke in unserem Dorf festgemacht waren. Es handelt sich dabei um sogenannte „Liebesschlösser“. Solche Schlösser werden von verliebten Paaren bevorzugt an Brücken angebracht, um, wie Brauchwiki schreibt, „symbolisch ihre ewige Liebe zu besiegeln“ – häufig auch mit eingravierten Namen.

Hier handelt es sich um einen neuen Liebesbrauch, dessen Ursprung in Italien vermutet und in die Nullerjahre datiert wird: Bestseller von Federico Moccia, wie „Drei Meter über dem Himmel“ (2005, das Original „Tre metri sopra il cielo“ erschien bereits 1992) oder die Fortsetzung „Ich steh auf dich“ (2007, italienisch „Ho voglia di te“ von 2006) und deren Verfilmungen gelten als dessen Ausgangspunkt. In diesen Geschichten befestigen die Protagonisten als Zeichen ihrer ewigen Liebe Schlösser an der Tiberbrücke in Rom und werfen die Schlüssel anschließend in den Fluss.

Inzwischen ist dieser Brauch weit verbreitet und wird auch als Idee für den Valentinstag genannt. Es gibt auch Webseiten, die die besten Orte für das Anbringen von Liebesschlössern auflisten. Weit oben auf der Hitliste steht dabei natürlich die „Stadt der Liebe“ – Paris. Dort musste sogar schon einmal die Pont des Arts gesperrt werden, weil die vielen Schlösser ein Brückengeländer zum Einsturz brachten.

Also: bevor sich der eine oder die andere, angeregt durch diesen Beitrag, mit einem Vorhängeschloss und eingravierten Namen auf den Weg macht: bitte zuerst recherchieren, ob es die Bauweise und Statik der favorisierten Brücke zulässt, ob sie vielleicht denkmalgeschützt ist (geht gar nicht), oder ob es eventuell ein Verbot der Anbringung gibt (die Rialtobrücke in Venedig  und die New Yorker Brooklyn Bridge sind dafür Beispiele). Fast jede europäische Hauptstadt hat ihre „Brücke der Liebe“ – und jetzt auch Kleinberghofen.

 

FOTO: Raimund Richter

Sicherlich gibt es noch weitere „Brücken der Liebe“ im Umfeld von Dachau. Schreiben sie mir doch, wenn sie noch weitere Orte mit Liebesschlössern kennen. 

 

 

 

Wenn „Hemd und Hose“ am Kirchturm flattern…

Wofür steht eine rot-weiße Fahne am Kirchturm? So eine im Volksmund kurz „Zachäus“ genannte „Zachäusfahne“, bezieht sich auf den Zöllner Zachäus, von dem im Lukasevangelium berichtet wird, dass er auf einen Baum gestiegen sei, um Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem besser sehen zu können (Lk 19, 1-10). Die Legende berichtet, dass Zachäus eine rote Hose und ein weisses Hemd getragen habe, die dabei zerrissen seien.

Am dritten Sonntag im Oktober wird im Evangelium von der Begegnung des Zachäus mit Jesus erzählt. An diesem Sonntag wird auch das allgemeine Kirchweihfest gefeiert, weshalb die rot-weiße Fahne für diesen Festtag steht. Bevor dieser verbindliche Termin für die Feier von Kirchweih festgelegt wurde, feierte man die Weihe der Ortskirchen ganz individuell. Man kann sich vorstellen, dass bei der großen Anzahl an Kirchen praktisch das ganze Jahr über irgendwo eine Kirchweih war. Und eine Kirchweih wurde nicht nur an einem Tag begangen – nein – man feierte meist ausgelassen gleich mehrere Tage. Das war schließlich der Obrigkeit ein Dorn im Auge, sodass nurmehr der dritte Sonntag im Oktober als Kirchweih-Feiertag festgelegt wurde.

Kirchweih war schon immer ein Dorf- und Familienfest. Es wurde üppig gegessen und getrunken, es gab Tanz und Unterhaltung und Märkte wurden abgehalten. Und heute? Gasthäuser, auch bei uns im Landkreis Dachau, bieten häufig das traditionelle Festtagsgericht mit Gans, Knödel und Blaukraut an. Im Bezirksmuseum kann man manchmal eine Kirtahutschn (ein langes Brett, das an Seilen aufgehängt wird) ausprobieren. In Bäckereien und Cafés werden Kirtanudeln angeboten. In Petershausen und Altomünster laden Kirchweihmärkte zum Bummeln und Einkaufen ein. An manchen Orten gibt es einen Kirchweihtanz. Und dann weht da noch der „Zachäus“ am Kirchturm – schauen sie doch mal nach oben…

 

Foto: Zachäusfahne in Thalhausen

Einen Kirchweihtanz bietet z.B. der Pfarrgemeinderat Großinzemoos am Vorabend von Kirchweih an. Zachäusfahnen habe ich bisher in Indersdorf und Thalhausen entdeckt. Wenn sie noch einen weiteren Ort im Landkreis Dachau wissen, dann ergänze ich gerne meine Liste.

 

 

Der Storch ist da!!!

Die Störche sind aus dem Winterquartier zurück! An mehreren Orten im Landkreis sind sie angekommen – und sie sind nicht alleine – sie haben sogar noch Nachwuchs mitgebracht! Aufmerksame Spaziergänger entdecken die Hinweise dort, wo frisch gebackenen Eltern zu ihren Buben oder Mädchen auf eine ganz eigene Weise gratuliert wird: handbemalte Schilder, blank polierte Konservendosen oder bunt zusammengewürfelte Putzlappen weisen den Weg zu einer Lumpen–  oder Bixnmacherei.

Bei Brauch- und Sprachforschern löst das natürlich ein Stirnrunzeln aus: als „Lump“ wurde ursprünglich ein Mensch in zerlumpter Kleidung bezeichnet. Später wurde der Begriff auf einen betrügerischen, charakterlosen oder gesinnungslosen Zeitgenossen übertragen, wie das Bairische Wörterbuch erklärt. Und „Bixn“? Sachlich ist damit erst einmal eine Büchse gemeint. Der Sprachforscher Ludwig Zehetner hat ihren Ursprung jedoch von einem Behältnis des Buchsbaumes hergeleitet ( von mittellateinisch buxis oder griechisch pyxis), das sinnbildlich für die Vulva sei. Also auch ein abwertender Begriff.

Obwohl die Bezeichnung der Eltern als Bixn- oder Lumpenmacher nicht sehr schmeichelhaft ist, scheinen die Gratulanten es aber gut zu meinen: die Wegweiser sind immer sehr aufwendig und liebevoll gestaltet. Manchmal werden die Wegmarken mit ausgesägten bunten Störchen oder auch mit Herzchen verziert. Ein harmloser Spaß oder sehen sie das auch eher skeptisch? Nehmen sie doch dazu auch an der Umfrage des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege teil, der Meinungen dazu sammelt.

Die leibhaftigen Störche, die seit letztem Jahr wieder nach Eisenhofen kommen,  kümmert das sicherlich nicht. Ein Schild mit Lumpen- oder Bixnmacherei habe ich bei deren Nest auf dem Kirchturm noch nie erspäht…

 

   

FOTOS: wurden in Arnbach, Brand und Eisenhofen von mir aufgenommen.

Wie lange es den Brauch schon gibt,  Eltern auf diese Art und Weise zu ihren Neugeborenen zu gratulieren konnte ich bisher nicht herausfinden. Es scheint jedoch ein Zusammenhang mit dem Brauch des Aufstellens eines Hochzeitsbaumes zu bestehen, der wiederum eine Nachfolge in Jubiläumsbäumen zu runden Geburtstagen gefunden hat. Diesem Brauch werde ich einen späteren Blog widmen.

 

Frautragen

Beim adventlichen „Frautragen“ handelt es sich nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, um einen vorweihnachtlichen Hochzeitsbrauch, bei dem der Bräutigam seine frisch Angetraute über die Schwelle trägt. Es ist auch nicht zu verwechseln mit dem „Frauentragen“, das laut Wikipedia eine Sportart darstellt, bei der Paare Wettläufe über einen 253,5m langen Parcours veranstalten. Dabei geht es über Stock und Stein, durch Wassergräben und Sandgräben. Seit 1992 findet sogar jährlich eine Weltmeisterschaft in Sonkajärvi in Finnland statt. Der Weltrekord liegt bei 55,5 Sekunden.

Das hier gemeinte „Frautragen“ ist ein Brauch, der in der Adventszeit an die Herbergssuche von Maria und Josef erinnert, die in Bethlehem eine Bleibe für die Nacht suchten. Die Figur einer schwangeren Maria wird dabei von Haus zu Haus getragen und dort wird um eine Unterkunft für die Nacht gebeten. Über Stock und Stein und durch Wassergräben und Sandgruben wie in Finnland geht es dabei selten. Eher wird dieser Brauch in besiedelten Gebieten ausgeübt und ist vor allem im katholisch geprägten alpenländischen Raum verbreitet.

Im Landkreis Dachau hat er hingegen wenig Tradition. So bezeichnete Pfarrer Josef Neureuther aus Wollomoos (1878 -1956) das „Frautragen“ zwar als „schönen und sinnigen Adventsbrauch“, der aber „hier kaum jemals heimisch“ gewesen sei. In Altomünster ist er in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts dokumentiert, allerdings mit einer geschnitzten Heiligen Familie, die „von einer Familie aufgenommen, vom Gebetläuten des einen Tages bis zum gleichen des nächsten Tages aufbewahrt und dann weitergegeben“ wurde. (Aichacher Zeitung 13.12.1950)

Seit einigen Jahren gibt es das „Frautragen“ auch in Markt Indersdorf: Ab dem 1. Advent werden in den einzelnen Pfarrgemeinden des Pfarrverbandes Indersdorf Marienfiguren von den Familien der Kommunionkinder beherbergt und jeden Abend in ein neues Zuhause gebracht. Bei der Übergabe wird immer eine kleine Andacht gefeiert.

Ich finde, dass dies auch eine schöne Form der Begegnung und des gegenseitigen Kennenlernens ist, verbunden mit einem Innehalten in der oftmals hektischen Vorweihnachtszeit. Es veranschaulicht das biblische Geschehen und erinnert daran, dass auch heutzutage nicht jeder ein Heim oder eine Heimat hat.

 

Und gibt es diesen Brauch auch bei Ihnen? Ich freue mich auf Ihre Berichte.

Das Foto entstand in der Sakristei der Klosterkirche Markt Indersdorf. Die aus Olivenholz geschnitzten Marienfiguren sind für die einzelnen Pfarrgemeinden des Pfarrverbandes bestimmt.

Mehr zum vorweihnachtlichen Brauchtum und dem „Frautragen“ im Dachauer Land finden sie u.a. bei Robert Böck: Vom Advent bis Heiligdreikönig – Sitte, Brauch und Heiligenverehrung in der Weihnachtszeit, insbesondere im Dachauer Land. In: Ausstellungskatalog Bezirksmuseum Dachau: Auf Weihnachten zu. Altdachauer Weihnachtszeit. 30.11.2003 – 11.01.2004. Hg. Museumsverein Dachau. (hier Zitat Neureuther und Aichacher Zeitung auf S. 21). Albrecht A. Gribl: Häusliche Andacht (Kulturgeschichte des Dachauer Landes Band 6), Dachau 1994, S.138f. und S.146f.

Auf die Palme bringen

Gestern las ich in einer der beiden lokalen Tageszeitungen eine Ankündigung zum Binden von „Ostersträußen“ am 8. und 9. April. Ein Blick in den Kalender bestätigte mir, dass diese Aktion am Wochenende des Palmsonntags stattfinden wird. „Aha,“ seufzte ich da, „der gute alte Palmbuschen hat jetzt offenbar auch ausgedient! Jetzt werden dekorative Ostersträuße gebunden. Wieder ein Zeichen dafür, dass auch diesem Brauch die religiöse Wurzel inzwischen verloren gegangen ist.“

Auf die Palme gebracht hat mich das schon, aber nicht im Sinne von „sich maßlos aufregen“. Ich erinnerte mich vielmehr an die Palmbuschen meiner Kindheit, die an Stecken aufgebunden mit schmückenden Eiern und bunten Bändern neben den Hauseingängen der Bauernhöfe standen. Am Palmsonntag zogen die Buben mit ihren prächtigen Buschen in die Kirche ein, neidisch bewundert von uns Mädchen. Was hätte ich damals dafür gegeben, selbst so einen Buschen tragen zu dürfen! In den 60er Jahren blieb uns Mädchen das jedoch genauso verwehrt wie der Dienst als Ministrant.

Vielleicht habe ich aus diesem Grund viele Jahre später begeistert mit einer Kollegin im Museum zwei Tage vor dem Palmsonntag eine Veranstaltung angeboten, bei der Groß und Klein, Mädchen und Buben Palmbuschen binden konnten. Zuvor gab es einen Rundgang durch die Sammlung mit Informationen zum vorösterlichen und österlichen Brauchtum: dass es von Gründonnerstag bis zur Osternacht kein Glockengeläut gebe, weil man sich vorstellte, dass die Glocken in der Karwoche nach Rom flögen und deshalb ersatzweise Ratschen zum Gottesdienst einlüden. Dass man am Gründonnerstag traditionell eine grüne Suppe zubereiten könne. Dass man an Ostern mit den Eiern „Oarwoagln“ spielen könne – ein Wettrollen auf einer schiefen Ebene. Und selbstverständlich auch, dass die Palmbuschen an den Einzug Jesu Christi in Jerusalem erinnerten, bei dem ihn viele begeisterte Menschen mit Palmwedeln in der Hand begrüßt hatten. Wir erzählten auch, dass Palmbuschen am Palmsonntag in einer Prozession in die Kirche getragen, dort gesegnet und dann nach Hause gebracht würden, wo sie oftmals das Kreuz schmückten oder über dem Stall angebracht die Tiere vor Krankheit schützen sollten.

Und die „Ostersträuße“? Ich las nochmals genauer im Programm des Veranstalters nach und fand dort, dass neben botanischen Kenntnissen über Pflanzen im Frühjahr auch auf „alte Bräuche, …, die zum Palmsonntag gehören“ eingegangen werde. So kann einen ein „Osterstrauß“ also auch im übertragenen Sinne „auf die Palme bringen“. Warum nicht?

 

 

Zum Palmbuschen oder auch „Palmbuschn“ gehören traditionell Weidenkätzchen und Buchsbaumzweige. Je nach Ort und Tradition werden zusätzlich bunte Bänder und bemalte Eier, blühende Zweige oder frische Blumen wie Narzissen in den Strauß gebunden. Wenn sie in geselliger Runde einen Buschen binden wollen, schauen sie doch auf die Ankündigungen der Pfarrgemeinden, Gartenbauvereine und Heimatmuseen. An vielen Orten im Landkreis gibt es dementsprechende Angebote.

Der selbst gebundene Palmbuschen durfte aufs FOTO.