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Der große Kürbis

Zu diesem Blogbeitrag inspirierte mich mein Gemüsegarten: hier wuchs heuer ein (!) Hokkaido-Kürbis. Er ist klein und kompakt, schön orangefarben und ließ mich, wie Linus van Pelt von den Peanuts, von einem großen Kürbis träumen. Nicht dass ich, wie er im Zeichentrickfilm „Der große Kürbis“, mir eine Phantasiegestalt vorgestellt hätte, die mir Geschenke an Halloween bringt. Nein, vielmehr hätte der Kürbis ruhig ein bisschen größer ausfallen können, um zumindest eine Suppe zu ergeben.

Aber meine kümmerliche Ernte brachte mich zumindest auf die Idee, über die Verknüpfung von Kürbissen und Halloween nachzulesen.

Darüber geben verschiedene Quellen recht gut Auskunft: der Kürbis erinnere an einen Betrüger und Trinker mit Namen Jack O. aus Irland. Als er starb hätten, laut Sage, weder der Himmel noch die Hölle ihn haben wollen, da er sogar den Teufel ausgetrickst habe. Allerdings habe der Fürst der Finsternis Mitleid mit ihm gehabt und ihm ein Stück glühende Kohle in einer Rübe mitgegeben, damit er auf seinem einsamen Weg zwischen den Welten ein Licht habe. In Amerika wurde aus der Rübe dann ein Kürbis, der in Erinnerung an den Gauner Jack O´Lantern (Jack mit der Laterne) genannt wurde und häufig gruselige Gesichter eingeschnitten bekam. Sie leuchteten furchteinflößend und sollten auf Geister abschreckend wirken.

Heutzutage zieren solche Kürbisköpfe auch bei uns die Hauseingänge am Abend des 30. Oktober. Obwohl das Gedenken an die Heiligen am 1. November vielerorts mit liturgischen Feiern begangen wird, ist das Fest an dessen Vorabend, „All Hallows Evening“ (d.h. die Nacht vor allen Heiligen) inzwischen populärer. Besonders Familien und Kinder feiern es gerne. Sie verkleiden sich und ziehen von Haus zu Haus, um mit dem Spruch „Süßes oder Saures“ Süßigkeiten zu erbetteln – andernfalls würden Streiche gespielt, also „Saures gegeben“.

So sind auch alle Freunde der Peanuts im zuvor genannten Film kostümiert unterwegs, während Linus auf dem Kürbisfeld auf den großen Süßigkeitenspender, den „Großen Kürbis“ wartet, der leider auch an diesem Abend nicht kommt. Lieber Linus, lass uns zusammen warten: nächstes Jahr kommt er sicher, vielleicht auch in meinen Garten, der „große Kürbis“.

Foto: unser Kürbis, gestaltet von meinem Mann, einem großen Peanuts-Fan, der mich mit den Zeichentrickfiguren von Charles M. Schultz bekannt machte. Ihm ist dieser Beitrag gewidmet: Charlie Brown, seine Familie und Freunde, aber vor allem der Hund Snoopy begleiten uns und unsere Familie seit unserem ersten „Date“.  Noch ein Lesetipp: Dr. Daniela Sandner vom Landesverein für Heimatpflege schreibt sehr unterhaltsam über Pro und Contra zum neuen Brauch „Halloween“.

 

 

 

 

In einem fremden Land

Wenn mich jemand nach „Geheimtipps“ im Dachauer Land fragt, dann nenne ich auch die Kirchenbauten der ersten Protestanten. Sie stehen an landschaftlich reizvollen Punkten im Dachauer Hügelland, können gut per Rad erkundet werden und erzählen von der weniger bekannten Geschichte unserer Heimat – ja von einem „fremden Land“,  wie es einer der ersten Siedler nannte.

Die Anfänge der protestantischen Ansiedlung datieren ins beginnende 19. Jahrhundert. Vornehmlich aus der Pfalz und dem Elsass kamen die sogenannten „Überrheiner“. Sie erwartete die schwierige Aufgabe, Moorgegenden zu kultivieren oder landwirtschaftlich vernachlässigte Gebiete wieder nachhaltig zu bewirtschaften. In Karlsfeld entstand die Mooskolonie und im nördlichen Landkreis wurden Weiler und einzelne Höfe in der Gegend um Langenpettenbach und Hilgertshausen übernommen.

Die neuen Bewohner brachten ein großes Wissen mit und setzten es tatkräftig in die Praxis um. Von der Mennonitengemeinde in Eichstock ist überliefert, dass ihre Mitglieder mit der Dreifelderwirtschaft, dem Anbau von Klee und intensiver Viehhaltung große Erfolge in der Landwirtschaft erzielten. Auch technischen Neuerungen gegenüber waren sie sehr aufgeschlossen: einzigartig in Bayern war 1847 der Import einer amerikanischen Dreschmaschine, die gemeinschaftlich von zehn Familien genutzt wurde. Die vorhandenen Höfe wurden instand gesetzt und um- oder ausgebaut. Ein Beispiel dafür ist der Hof Eichstock 1, wo 1839 auch der Pfälzer Baustil in einer Hofanlage mit straßenseitigem Eingangstor einen Widerhall fand.

Im überwiegend katholischen Dachauer Land lebten die protestantischen Siedler ihren Glauben in ihren Gemeinschaften und versammelten sich zum sonntäglichen Gebet anfangs im Umland von Kemmoden und auf den Höfen der Siedler wie dem Hammerhof in Stachusried oder dem Tafelhof in Tafern. Taufen, Trauungen und Beerdigungen wurden zu diesem Zeitpunkt noch von katholischen Geistlichen vorgenommen. Mit der Errichtung der Bethäuser in Kemmoden (1829), Lanzenried (1836) und Eichstock (1841) gab es Säle für Gottesdienste und Räume für den Schulunterricht. Auf den dazugehörigen Friedhöfen konnten die toten Gemeindemitglieder bestattet werden. Zuvor wird berichtet, dass das Begräbnis eines Protestanten ohne jedes Aufsehen vor sich zu gehen hatte, nämlich „sine lux et crux“ ohne Licht und Kreuz, und der Pfarrer Zivilkleidung getragen habe.  Ja es wird sogar mündlich überliefert, dass es eine „evangelische“ und eine „katholische Schaufel“ gegeben habe….

Trotz wirtschaftlicher Erfolge und der Schaffung von geistlichen Zentren wurde für viele Siedler das Dachauer Land dennoch nicht zur dauerhaften Heimat. Als 1848 die Revolution ausbrach, formulierte der Mennonit David Ruth seine Sorgen: „Wir hatten große Angst … weil wir in einem fremden Land und nicht katholisch waren“. Über die Hälfte der Protestanten machte sich nochmals auf den Weg nach Amerika – andere blieben und bewohnen mit ihren Nachfahren bis heute das nördliche Hügelland des Dachauer Landkreises.

 

 

Der Geschichte der Protestanten im Landkreis ist eine Ausstellung im Bezirksmuseum Dachau gewidmet. Die Informationen zu diesem Beitrag entnahm ich dem dazu erschienenen Ausstellungskatalog und den darin enthaltenen Aufsätzen von Susanne Pfisterer-Haas und Helmut Funck. Weiterhin: Helmut Funck: Zur Geschichte der Überrheiner. In: Zeitschrift Amperland 2005, Heft 3, S. 88-94.

Die Heimatpflege Dachau erinnert mit „Gegen das Vergessen“ 2017 an die beiden Stifter des Baugrundes für die Gebäude in Lanzenried und Eichstock. 

Auf dem FOTO ist die evangelische Kirche in Kemmoden zu sehen.

Go west

1927 bestieg ein junger Mann aus dem Schwarzwald ein Schiff der Hamburg-Amerika-Linie, um in Übersee sein Glück zu machen. In seinem Heimatort herrschte aufgrund der Wirtschaftskrise der 20er Jahre eine hohe Arbeitslosigkeit und Verwandte im fernen Amerika versprachen ihm eine bessere Zukunft.

Auch aus der Stadt und dem Landkreis Dachau machten sich in diesen Jahren viele Menschen auf den Weg nach Amerika. Ihre Namen, Abreisedaten, Alter und Berufe kann man im Archiv des Auswanderermuseums in Bremerhaven nachlesen.

Ab und an wurde  auch in den Dachauer Lokalzeitungen über Auswanderer geschrieben. Der Heimatforscher Hubert Eberl aus Bergkirchen wies mich dankenswerterweise auf einen Artikel hin, der am 30. August 1997 in den Dachauer Nachrichten erschien und über den Besuch von einem Verwandten der Familie Haas aus Bergkirchen berichtete. 1926 waren auf Vermittlung des damaligen Pfarrers Schöttl, der selbst in Amerika gewesen war, sieben junge Männer aus dieser Gemeinde ausgewandert. Einer dieser Auswanderer war Thomas Haas: „Im elterlichen Anwesen gab es nichts, was ihn hielt. Bei 13 Geschwistern konnte bei dem über 100 Tagwerk großen Hof nicht viel herausschauen. Es reichte gerade mal für das Essen.“

Ein weiterer Auswanderer aus Dachau nahm am 21. Oktober 1926 die „München“ von Bremen nach New York: der Malermeister Josef Bachmaier, der im März des gleichen Jahres zu den Gründungsmitgliedern des Trachtenvereins  „Schlossbergler“ gehört hatte, die sich weiterhin für den Erhalt der Gebirgstracht einsetzen wollten. Er blieb dem Verein auch in seiner neuen Heimat verbunden und ermöglichte durch mehrere Spenden, dass 1928 eine Tischstandarte in Dachau erworben werden konnte.

Zwei Schicksale aus unserem Landkreis unter vielen, die der Besucher des Auswanderermuseums in Bremen kennenlernen kann. Hier schlüpft er selbst in die Rolle eines Emigranten und durchlebt dessen Weg von der Einschiffung über die Reise bis hin zu Ankunft in Ellis Island. Er kann beim Abschied im Hafen die Ängste und Sorgen der Einwanderer erfahren, den schwankenden Boden im Schiff unter seinen Füßen spüren und sowohl die Enge und Strapazen der Überfahrt als auch die demütigende Prozedur der Registrierung nachvollziehen. Nach bestandenem Einwanderungstest darf er einreisen und gelangt dann zur Central Station. Er erfährt dann im weiteren Rundgang, wie es einzelnen Immigranten in ihrer neuen Heimat ergangen ist. Die Reise zurück nach Deutschland erlebt der Besucher dann aus der Perspektive eines Zuwanderers nach Deutschland in den Wirtschaftswunderjahren.

Übrigens: der eingangs genannte junge Mann kehrte bereits ein Jahr nach seiner Ankunft in den Staaten wieder nach Deutschland zurück. Sein Heimweh war stärker als seine Träume von einer goldenen Zukunft. Und so blieb die Reise meines Großvaters Emil eine Fußnote in unserer Familiengeschichte. Immerhin war sie der Anlass das Bremerhavener Auswanderermuseum zu besuchen, was ich jedem nur wärmstens empfehlen kann.

 

Die Postkarte mit dem FOTO der New York  befand sich im Nachlass meines Grossvaters.