Schlagwort: Brauchtum

Happy Birthday!!!

Liebe Leser, es ist kaum zu glauben: der Heimatpflege-Blog wird am 31. Juli fünf Jahre alt! Das ist doch ein Anlass, um ein Geburtstagsständchen anzustimmen. Als Heimatpflegerin werde ich „viel Glück und viel Segen auf all deinen Wegen“ singen – mit besonderer Betonung auf „viel Frohsinn sei auch dabei“. Schließlich sollen meine Blogbeiträge Themen zur Heimatforschung und Heimatpflege fundiert, informativ aber auch immer mit einem Augenzwinkern beschreiben.

Mein Blog ist inzwischen auf 70 Beiträge, über 40 Newsletter-Abonnenten und ca. 300 Leser bereits in den ersten Tagen neu veröffentlichter Beiträge angewachsen. Über die Jahre hinweg haben sich dabei einige Spitzenreiter mit mehreren tausend Zugriffen gebildet. Was meinen sie, welche Geschichte bisher am meisten Leser hatte? Mit annähernd 5.000 Klicks führt das legendäre Krokodil Emil aus dem Karlsfelder See die Hitliste an, dicht gefolgt von einem Beitrag zum Thema vorösterliches Brauchtum „Auf die Palme bringen“. Besonders interessiert haben meine Leser auch die Beiträge zum Grüßen „Griaß di“ und der Faschingsbrauch des Krawattenabschneidens „Fred Feuersteins Krawatte“.

Zum Thema „Geburtstag“ hatte ich bisher noch nicht gebloggt – nur zur Feier des Namenstages „Josefi“. Früher waren Geburtstage keine Feste, sondern Bestandteil eines harten Alltags. Eine hohe Geburtenrate verbunden mit einer großen Kindersterblichkeit war die Regel. Wichtig war deshalb, dass Kinder schnell getauft wurden, weil nach allgemeiner Auffassung ungetaufte Kinder nicht in den Himmel kommen konnten. Der Pate oder die Patin brachten das Neugeborene deshalb häufig ohne die Mutter, zusammen mit der Hebamme und Familienangehörigen möglichst bald (ein bis zwei Tage nach der Geburt) zur Taufe. Die Neugeborenen erhielten in katholischen Gegenden dann oft den Namen eines Heiligen, dessen Gedenktag – der Namenstag – dann gefeiert wurde. Damit machte man deutlich, dass man christlich getauft war und gleichzeitig einen Fürbitter und Beschützer hatte. Manchmal wurde der Täufling auch nach dem Heiligen des Geburtstages benannt.

Und wer hat am 31. Juli Namenstag? Der Hl. Ignatius von Loyola (1491-1556), Ordensgründer und Mystiker. Als Schutzpatrone für einen Blog hätten vielleicht eher die der Journalisten (Franz von Sales , Maximilian Kolbe) oder Schreiber (Markus, Lukas, Johannes) gepasst? Für Blogger gibt es ja keine ausgesprochenen Fürsprecher unter den Heiligen. Aber vielleicht hält der Hl. Ignatius von Loyola doch schützend die Hand über den Blog? Schließlich bricht er eine Lanze für reflektierte Informationen: „Nicht das Vielwissen sättigt die Seele und gibt ihr Befriedigung, sondern das innere Schauen und Verkosten der Dinge“. In diesem Sinne weiterhin viel Freude beim Lesen und Happy Birthday Heimatblog!

 

 

FOTO: Ausschnitt einer selbstgebastelten Einladungskarte zum Geburtstag meines Sohnes.

Zur Feier des Namenstages fand ich u.a. Hinweise bei kirche-und-leben.de. Bräuche zu Geburt und Taufe im Dachauer Landkreis werden im Ausstellungskatalog des Bezirksmuseum Dachau von 2009: Da ich ein Kind war, S. 29ff. beschrieben. Alle Heiligen und ihre Namenstage, Legenden und Attribute sind im Ökumenischen Heiligenlexikon verzeichnet, auch das Zitat des hl. Ignatius von Loyola.

 

Tatsächlich Liebe

Das Anschauen des Weihnachtsfilms „Tatsächlich Liebe“ ist eines der neueren Adventsrituale, die mein Mann und ich pflegen. In diesem Film wird auf amüsante Art die Partnersuche unterschiedlichster Menschen zu einem Ganzen verknüpft.

Wie ein Blick zurück zeigt, ging es auch schon früher in der Adventszeit nicht nur um das Warten aufs Christfest, sondern auch ums „Obandln“: „Bereits am ersten Tag der Adventszeit, dem Namenstag des Hl. Andreas (30.11.) glaubten heiratslustige Mädchen, dass der erste Bursche, dem sie am Andreastag begegnen, ihr zukünftiger Liebhaber oder Mann werde“, schrieb der Dachauer Brauchtumsforscher Robert Böck. Dieser und weitere sogenannte Orakelbräuche wurden, neben den Losnächten an Silvester und der Wintersonnenwende, an den Namenstagen der Heiligen Andreas und Thomas (21.12.) praktiziert. So konnte diejenige, die mehr über den Künftigen wissen wollte, am Thomastag einen Schuh oder – wie es aus Oberzeitlbach bei Altomünster überliefert ist – einen Pantoffel werfen. Es hieß, dass die Schuhspitze in die Richtung weisen würde, aus der er kommen würde. In Großberghofen und in Schluttenberg sollen Mädchen in den dunklen Hühnerstall gegangen sein und einer Henne eine Feder ausgerupft haben, um die Haarfarbe des Liebsten, hell oder dunkel auszumachen. Über die Körpergestalt sollten aus dem Feuer gezogenen Scheite Auskunft geben: groß, klein, gerade oder krumm. Auch die beim Bleigießen entstandenen Formen konnten Näheres über den Liebhaber aussagen. Wem dies noch zu vage war, der drosch vor dem ins Bettgehen abends auf den Strohsack ein und sprach: „Strohsack, i´tritt di´, Heiliger Thomas, i´ bitt´ di, laß mir erscheinen, mein´ Herzallerlieabst“ oder: „laß mi heut drama vo dem Mo, den i zum Altar führen ko“.

Die eine oder andere Verliebte schaute derweil täglich auf ihre am 4. Dezember, dem Barbaratag geschnittenen Obstzweige. Ein blühender Zweig an Weihnachten verhieß schon einmal einen nahenden Bräutigam. Wer den Zweigen die Namen der möglichen Kandidaten zuordnete, dem verriet der zuerst erblühte den Erwählten. Ob es dann auch „tatsächlich Liebe“ war – darüber schweigen die Quellen…

 

 

 

Mehr zum adventlichen Brauchtum im Dachauer Land wurde 2003 im Ausstellungskatalog des  Bezirksmuseums „Auf Weihnachten zu“ zusammengetragen. Dort ist auch Robert Böcks Aufsatz zum vorweihnachtlichen Brauchtum erschienen. Wilhelm Kaltenstadler widmete sich den Bräuchen im Altomünsterer Raum in der 1999 erschienen Ortschronik „Altomünster“ (Hg. Museums- und Heimatverein Altomünster mit Wilhelm Liebhart).

Das FOTO entstand bei einem Ausflug auf die Burg Trausnitz in Landshut.

 

 

Rabimmel-rabammel-rabum

„Ich geh mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir….“ – sie kennen den Text? Nach zahlreichen Laternenumzügen an St. Martin könnte man mich im Schlaf aufwecken und ich könnte ohne nachzudenken weitersingen: „…und oben leuchten die Sterne und unten leuchten wir. Ein Lichtermeer zur Martinsehr – rabimmel-rabammel-rabum“. Besonders das lautmalerische „rabimmel-rabammel-rabum“ liebte ich als Kind.

Etwas schwieriger wird es mit dem Liedtext von  „St. Martin, St. Martin…“, das die Legende des Bischofs Martin von Tours anschaulich erzählt. Der Heilige reitet durch Eis und Schnee, begegnet dem frierenden Bettler und teilt mit ihm den Mantel.

Am 11. November werden diese beiden Lieder wieder zu hören sein, wenn Kinder mit ihren Eltern bei Laternenumzügen durch die Straßen gehen, um das Martinsfest zu feiern. An manchen Orten wird die Martinsgeschichte mit einem als Martin verkleideten Reiter nachgespielt werden, der auch an die Kinder Gaben verteilt. An anderen Orten wird es ein Schattenspiel oder Theaterstück in Kirche und/oder Kindergarten geben, bei dem anschließend Gebäck in Gänseform verschenkt wird. Es erinnert daran, dass die Gänse mit ihrem Schnattern auf Martin aufmerksam gemacht haben, der sich vor der Bischofsweihe fürchtete und sich im Gänsestall versteckte. Die Gans als Attribut des Heiligen Martin verweist auch auf die Pachtzahlungen in Naturalien, die früher an „Martini“ abgeliefert wurden. Auch war der 11.11. ein Wechseltag für Dienstboten, die als Abschiedsgeschenk eine Gans erhielten. Geblieben ist davon der Speiseplan für diesen Tag, an dem häufig ein Gänsebraten mit Knödel und Blaukraut verzehrt wird. So verwundert es nicht, dass auf Cartoons von Peter Plassmann Gänse zu Wort kommen, die das mit dem Heiligen verbundene Brauchtum kritisch sehen: „Mantel teilen…..Gut und schön“ sagt da zum Beispiel eine Gans zur anderen: „Aber ich habe mit diesem Heiligen echte Probleme…“. Eine andere Gans wendet sich an eine Gruppe von Artgenossen: „Es gibt ja seit einiger Zeit aus unterschiedlicher Richtung Vorstösse, gewisse Traditionen in Zusammenhang mit Heiligenverehrungen in Frage zu stellen“. Ihr Gegenüber stimmt dem bereitwillig zu: „Ich wär dabei!!“

Die Gänse haben mein Mitgefühl – schließlich war erst Kirchweih und Weihnachten steht auch an – an Martini werde ich etwas Vegetarisches und gänseförmige Backwaren servieren…

 

BLOGFOTO: Die einzige Laterne, die wir von unseren Kindern aufgehoben haben mit dem Motiv des geteilten Mantels und Schwert, Sternen und anderen Bildern, die dem Laternenlied „Ich geh mit meiner Laterne“ zuzuordnen sind. So auch eine Katze: „Der Hahn der kräht, die Katz miaut, rabimmel-rabammel-rabum.“

 

 

Heimatland?

„Heimatland“ – dieses alte Filmplakat hat sofort meine Neugierde geweckt. Ich fand es bei einem unserer letzten Außentermine im südwestlichen Landkreis in einer ehemaligen Werkstatt.

Der Filmtitel „Heimatland“ sagte mir zunächst nichts. Recherchen im Internet ergaben, dass der Streifen im Jahr 1955 erschien. Kurz gefasst handelt es sich um eine typische 50er Jahre-Geschichte in einer vermeintlich heilen Welt. Thematisiert werden Werte der Nachkriegszeit und Sanktionen für Menschen, die vom strengen Regelgerüst der Zeit abweichen. Dabei wird tief in die Klischeekiste mit feschen Jägern, einem süßen Hund, hübschen jungen Frauen im Dirndl und einem Wilderer gegriffen.

Aber der Titel „Heimatland“ weist auch über die 50er Jahre hinaus, mitten in die immer noch aktuelle Heimat-Debatte, die zu Beginn des Jahres mit der Ankündigung ein „Heimatministerium“ auf Bundesebene schaffen zu wollen, erneut in Fahrt kam. Sehr wohltuend inmitten all der politischen Statements nahm sich eine Serie in der Süddeutschen Zeitung aus, die Heimat von allen Seiten beleuchtete und die neue Heimat z.B. im Internet genauso berücksichtigte (23. 01.2018) wie auch die kulinarische Heimat (10.01.2018). Interessant fand ich auch den Beitrag der österreichischen Schriftstellerin Petra Piuk (09.01.2018), die sich mit den Inhalten des Heimatromans befasste. Ihre aufgelisteten Charakteristika für den klassischen Heimatroman können genauso gut auf altbackene Heimatfilme à la „Heimatland“ angewandt werden: heile Welt, Brauchtum, Naturverbundenheit, Familienidylle, Tierliebe, Hochzeitsglocken… Piuk plädierte dafür, diesen Bildern ehrliche, aktuelle Themen in der Heimat entgegenzusetzen. In die gleiche Richtung dachte die Journalistin Constanze von Bullion, die die Aufgabe eines „Heimatministeriums“ darin sah, ein Ort zu sein „in dem sich das Eigene mit dem Fremden versöhnt“. Das ist für mich eine schöne salomonische und dennoch aufgeschlossene Definition für ein neues „Heimatland“, nicht für neue Filme und Romane, sondern für die sich stetig wandelnden Realitäten unserer Zeit.

 

Zum Thema Heimat lade ich sie herzlich zu meiner Heimat-Sprechstunde – ohne Anmeldung – rezeptfrei! ein:

  • Was hilft gegen Heimweh?
  • Kann man auch unter Heimatklischees leiden?
  • Wann trägt Heimat zum Wohlbefinden bei?
  • Ist Heimat nur ein Symptom oder ein Syndrom?
  • Gibt es Denkmalschutz nur auf Rezept?
  • Kann man Brauchtum verordnen?
  • Was hilft gegen Flächenfraß?
  • Wie schafft man den Balanceakt zwischen Tradition und Moderne?

Es werden keine Patentrezepte ausgestellt – aber es gibt Zeit für ein gemeinsames Gespräch, einen Informationsaustausch und für Anregungen und Fragen.

Aktuell steht kein neuer Termin fest.

Für Kinder und interessierte Erwachsene lesen Andrea Wilfer und ich ab und an aus dem Landkreisbuch „Auf Mäusepfoten durchs Dachauer Land“. Termine sind der Presse zu entnehmen oder beim Bayerland Verlag und der Autorin zu erfahren.

Das FOTO entstand während eines Amtstages in einer ehemaligen Werkstatt im westlichen Landkreis Dachau.

 

 

 

 

Schießen sie keinen Hirsch am Samstag!

„Schießen Sie keinen Hirsch am Samstag! Bitte kommen Sie.“ Diese wahrhaft merkwürdige Formulierung steht in einer Einladung.

Sie stammt aus dem Brief Georg Queris vom 26.11.1912 an den jagdbegeisterten Ludwig Thoma. Darin bittet er ihn, ihn bei einem Sittlichkeitsprozess wegen seines Buches „Kraftbayrisch“ vor Gericht zu unterstützen. Thoma kam der Aufforderung nach und gehörte mit Michael Georg Conrad, Ludwig Ganghofer und Otto Maußer, dem Leiter der Wörterbuchkommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, zu Queris Fürsprechern. Ihr persönliches Erscheinen vor Gericht bewirkte mit, dass Queri in diesem Verfahren freigesprochen und der sprachwissenschaftliche Charakter des Buches anerkannt wurde.

Ludwig Thoma (1867-1921) unterstützte Georg Queri (1879-1919) nicht nur bei seinem Prozess. Beide waren befreundet und gaben gemeinsam 1913 eine Anthologie bayrischer Schriftsteller unter dem Titel „Bayernbuch“ heraus.

Georg Queri selbst wurde zum einen bekannt durch seine Mundarterzählungen, die unter anderem in dem 1909 erschienenen Band „Die weltlichen Gesänge des Egidius Pfanzelter von Polykarpszell“ veröffentlicht wurden. Er machte sich aber auch einen Namen durch die Herausgabe volkskundlicher Schriften, wie das erwähnte „Kraftbayrisch“ von 1912 und die Studien zum Haberfeldtreiben „Bauernerotik und Bauernfehme in Oberbayern“ 1911. Ab 1918 arbeitete Queri als Redakteur bei der Zeitschrift „Jugend“.

Dennoch stand Georg Queri immer im Schatten Ludwig Thomas, wie der Direktor des Münchner Stadtarchivs Dr. Michael Stephan feststellte. Durch seine Forschungen und die Herausgabe seiner Werke hat er ihn wieder in das Bewusstsein des literarisch interessierten Publikums gebracht. Er liest in Dachau zusammen mit dem Schauspieler Bernhard Butz Texte des bayrischen Schriftstellers Georg Queri, die seinen kritischen Geist zeigen, Erotisches und Deftiges nicht auslassen und die Zeit Queris und Thomas durch Briefe und Zeitungsartikel lebendig werden lassen.

Dazu sind sie herzlich eingeladen. Folgen sie doch einfach der Aufforderung Georg Queris und nehmen sie sich dafür die Zeit: „Schießen Sie keinen Hirsch am Samstag! Bitte kommen Sie.“

 

 

Die Veranstaltung des Landkreises Dachau war ein Beitrag zum Thoma-Jubiläumsjahr. Sie  fand am Samstag, den 7. Oktober 2017 in der Gaststätte Kochwirt statt. 

Der Hirsch auf dem FOTO hat einen wunderbaren Blick  auf die Fraueninsel im Chiemsee.

 

Auf die Palme bringen

Gestern las ich in einer der beiden lokalen Tageszeitungen eine Ankündigung zum Binden von „Ostersträußen“ am 8. und 9. April. Ein Blick in den Kalender bestätigte mir, dass diese Aktion am Wochenende des Palmsonntags stattfinden wird. „Aha,“ seufzte ich da, „der gute alte Palmbuschen hat jetzt offenbar auch ausgedient! Jetzt werden dekorative Ostersträuße gebunden. Wieder ein Zeichen dafür, dass auch diesem Brauch die religiöse Wurzel inzwischen verloren gegangen ist.“

Auf die Palme gebracht hat mich das schon, aber nicht im Sinne von „sich maßlos aufregen“. Ich erinnerte mich vielmehr an die Palmbuschen meiner Kindheit, die an Stecken aufgebunden mit schmückenden Eiern und bunten Bändern neben den Hauseingängen der Bauernhöfe standen. Am Palmsonntag zogen die Buben mit ihren prächtigen Buschen in die Kirche ein, neidisch bewundert von uns Mädchen. Was hätte ich damals dafür gegeben, selbst so einen Buschen tragen zu dürfen! In den 60er Jahren blieb uns Mädchen das jedoch genauso verwehrt wie der Dienst als Ministrant.

Vielleicht habe ich aus diesem Grund viele Jahre später begeistert mit einer Kollegin im Museum zwei Tage vor dem Palmsonntag eine Veranstaltung angeboten, bei der Groß und Klein, Mädchen und Buben Palmbuschen binden konnten. Zuvor gab es einen Rundgang durch die Sammlung mit Informationen zum vorösterlichen und österlichen Brauchtum: dass es von Gründonnerstag bis zur Osternacht kein Glockengeläut gebe, weil man sich vorstellte, dass die Glocken in der Karwoche nach Rom flögen und deshalb ersatzweise Ratschen zum Gottesdienst einlüden. Dass man am Gründonnerstag traditionell eine grüne Suppe zubereiten könne. Dass man an Ostern mit den Eiern „Oarwoagln“ spielen könne – ein Wettrollen auf einer schiefen Ebene. Und selbstverständlich auch, dass die Palmbuschen an den Einzug Jesu Christi in Jerusalem erinnerten, bei dem ihn viele begeisterte Menschen mit Palmwedeln in der Hand begrüßt hatten. Wir erzählten auch, dass Palmbuschen am Palmsonntag in einer Prozession in die Kirche getragen, dort gesegnet und dann nach Hause gebracht würden, wo sie oftmals das Kreuz schmückten oder über dem Stall angebracht die Tiere vor Krankheit schützen sollten.

Und die „Ostersträuße“? Ich las nochmals genauer im Programm des Veranstalters nach und fand dort, dass neben botanischen Kenntnissen über Pflanzen im Frühjahr auch auf „alte Bräuche, …, die zum Palmsonntag gehören“ eingegangen werde. So kann einen ein „Osterstrauß“ also auch im übertragenen Sinne „auf die Palme bringen“. Warum nicht?

 

 

Zum Palmbuschen oder auch „Palmbuschn“ gehören traditionell Weidenkätzchen und Buchsbaumzweige. Je nach Ort und Tradition werden zusätzlich bunte Bänder und bemalte Eier, blühende Zweige oder frische Blumen wie Narzissen in den Strauß gebunden. Wenn sie in geselliger Runde einen Buschen binden wollen, schauen sie doch auf die Ankündigungen der Pfarrgemeinden, Gartenbauvereine und Heimatmuseen. An vielen Orten im Landkreis gibt es dementsprechende Angebote.

Der selbst gebundene Palmbuschen durfte aufs FOTO.

Tanzvergnügen

Am 21. Januar ist es wieder soweit: am Abend findet wieder eine Redoute im Renaissancesaal des Dachauer Schlosses statt. Häufig werde ich gefragt, was denn eine „Redoute“ sei? Im 1818 erschienenen Konversationslexikon ist dazu zu lesen: “ein mit Spielen und anderen Vergnügungen verbundener Maskenball“.

Die Redoute entwickelte sich aus dem Faschingsbrauchtum, höfischen Bällen (Bal paré) und auch Maskeraden zu der Festivität, die wir auch heute wieder feiern. Im Venedig des 18. Jahrhunderts bezeichnete ridotto „öffentliche Lokale, in denen während des Carnevals sonst verbotene Glücksspiele erlaubt waren“. Dorthin ging man maskiert, um unerkannt zu bleiben. In München bürgerte sich die französische Bezeichnung redoute wohl nach Max Emanuels Rückkehr aus dem französischen Exil 1715 ein.

Vor allem nach dem deutsch-französischen Krieg waren Redouten in München äußerst beliebt. Man feierte in den Sälen der großen Gasthöfe, Brauereien und im neu erbauten Deutschen Theater Kostümbälle mit Gesangs- und Theaterdarbietungen. Im Vordergrund stand jedoch das gemeinsame Tanzen.

Eröffnet wurde traditionell mit einer Polonaise, danach wurde vor allem Walzer getanzt. Den Höhepunkt jeder Veranstaltung stellte die Münchner Française dar. Dieser Kontratanz, bei dem in Reihen getanzt wurde, entwickelte sich aus der französischen „Quadrille“. In München wurde und wird er von zwei sich gegenüberstehenden Paaren getanzt.

Auch in Dachau wird die „Française“ einer der Höhepunkt des glanzvollen Balls sein. Die in bäuerlicher, bürgerlicher und höfischer Gewandung kostümierten Tänzer werden sich in Reihen aufstellen, um die fünf Touren miteinander zu tanzen. Dabei wird es wohl nicht so turbulent zugehen, wie es der Schriftsteller Josef Ruederer 1906 in seiner Erzählung „Der Fasching“ beschrieb:

„Aber schon rufts zum nächsten Tanz, zur Française. Und da stürzt es wieder aus allen Ecken mit jener Hast, die fürchtet zu spät zu kommen. Man hebt kreischende Weiber über die Brüstung der Logen, man pufft nach allen Seiten, man drängt und schiebt ohne Rücksicht, ohne Pardon. Mit Not und Mühe stellen Tanzordner die einzelnen Schlachtreihen auf. Tönen aber die ersten Klänge, dann löst sich´s in Vorder- und Zurücktreten, in Komplimente und Kußhände, in Balancieren und Drehen. Immer lauter tönt der Jubel, immer kecker fliegen die Röcke – da, bei der vorletzten Tour hebt sich im rasenden Ringelreih das wiehernde Lachen zum bacchantischen Gebrüll… Alle die hochgehobenen Weiber mit fuchtelnden Armen und strampelnden Beinen erscheinen in diesem Augenblick wie ein ungeheures Ganzes, ein Riesenpolyp, der mit den Männern erst Fangball spielte, ehe er sie gänzlich verschlingt. Das ist der Höhepunkt, die eigentliche Sensation des Karnevalfestes!“

Im Dachauer Schloss wird es natürlich gesitteter ablaufen! Dafür wird der Tanzmeister Erich Müller schon sorgen. Ob er die Männer allerdings dazu animieren kann, ihre Tanzpartnerinnen (wie bei Ruederer geschildert) beim sogenannten „Karussell“ in die Höhe zu heben – das werden wir ja sehen….

 

 

Bei den Informationen zur Redoute berufe ich mich auf die Forschungen von Volker D. Laturell: Volkskultur in München – Aufsätze zu Brauchtum, musikalische Volkskultur, Volkstanz, Trachten und Volkstheater in einer Millionenstadt. Buchendorfer, München 1997.

Das FOTO zeigt das diesjährige Motiv von Heinz Eder für die Redoute.

Herbergssuche

Was würde ich tun, wenn morgen ein junges Paar in abgetragenen Kleidern, sie hochschwanger, an meiner Tür klingeln und um ein Nachtquartier bitten würde? Diese Frage haben sie sich vielleicht auch schon einmal gestellt, wenn sie an Weihnachten die Vorgeschichte zu Christi Geburt im Evangelium von Lukas gehört haben.

Die Suche nach einer Unterkunft wird auch heute im volkstümlichen Brauchtum als „Frautragen“ nachvollzogen, wenn symbolisch eine Marienstatue von Haus zu Haus getragen und jeweils für eine Nacht beherbergt wird. So auch in unserem Landkreis z.B. in Markt Indersdorf, wo Maria in der Adventszeit in den Häusern der künftigen Kommunionkinder zu Gast sein darf. Auch in den zahlreichen Krippenspielen, die Kinder in der vorweihnachtlichen Zeit oder auch an Hl. Abend aufführen, ist die Herbergssuche ein Bestandteil des Schauspiels.

Die Herbergssuche ist für viele Menschen aber auch eine reale und bittere Tatsache. Über 2.000 Menschen suchen einen bezahlbaren Wohnraum im Landkreis Dachau. Die Caritas Dachau weist unermüdlich auf diesen Notstand hin und versucht im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu helfen: mit Informationen, Spendenaufrufen, mit Appellen an Wohneigentümer, ihren Wohnraum zu vermieten, an Bauherren und Gemeinden, neuen sozialverträglichen Wohnraum zu schaffen. Auch die Presse setzt sich dafür ein, diesen Missstand aufzuzeigen und Änderungen in die Wege zu leiten.

Denn einen Ort zum Wohnen zu haben, bedeutet nicht nur einfach ein Dach über dem Kopf zu besitzen. Obwohl der moderne Mensch im weltweiten Netz zu Hause sein kann, ist die eigene Wohnung immer noch ein Ort für den persönlichen Rückzug, für Selbstbestimmung und Individualität. Die selbst gestaltete Umgebung kann für viele Heimat sein.

Zurück zu meiner eingangs gestellten Frage: die Unterbringung für eine Nacht wäre sicherlich ein Anfang, den ich auch leisten könnte. Aber erst wenn eine dauerhafte Wohnsituation geschaffen werden könnte, würde das Paar eine Heimat finden.

 

Auf dem FOTO ist eine der Krippen des in Dachau lebenden Künstlers Walter von Ruckteschell (1884-1941) zu sehen.

 

Mittsommer-Blues

Gestern wunderte ich mich über reges Treiben in meinem Gemüsegarten: da bedienten sich doch einige freche Amseln ausgiebig an den Johannisbeeren! Johannisbeeren, die ihren Namen vom gleichnamigen Heiligen haben, an dessen Gedenktag, dem 24. Juni, sie reif sein sollen.  An „Johanni“ ist auch der Tag der Sommersonnenwende, der sogenannte „Mittsommer“. Viele waren – wie auch ich – aufgrund der letzten Regenwochen geneigt, den Mittsommer mit seiner Sonnenwende zu verdrängen. Haben wir nicht alle befürchtet, dass der halbe Sommer schon vorbei sein könnte, bevor er überhaupt angefangen hat? Wer hoffte da noch auf eine irgendwie passable Ernte von Beerenfrüchten? Ein echter Mittsommer-Blues bahnte sich an…

In den nordischen Ländern ist Midsommar ein Fest, bei dem die Sommersonnenwende mit ausgiebigem Essen, Tanzen und familiärem Beisammensein gefeiert wird – egal wie das Wetter ist. Uns wurde der Midsommar auch durch Werbekampagnen eines schwedischen Möbelanbieters nähergebracht…

Aber wie kam es zur Verbindung von „Johanni“ und Sommersonnenwende? In frühchristlicher Zeit legte die Kirche den Gedenktag Johannes des Täufers auf diesen Tag, weil mit ihm Sonne und Licht verbunden sind, beides Symbole für Christus, als dessen Vorbote Johannes gilt. Die Lichtsymbolik zeigte sich dann auch im Brauchtum: vielerorts wurden in dieser hellen Nacht Sonnwendfeuer entzündet, um die auch getanzt wurde. Auch magische Kräfte wurden dem Feuer nachgesagt: vom Verscheuchen böser Geister hin bis zum Liebeszauber. In Städten wie München war das Sonnwendfeuer im Mittelalter sehr verbreitet, sodass es aufgrund der Brandgefahr zu Verboten kam, die aber das Brauchtum nicht zum Erliegen brachten. Erst im 20. Jahrhundert vereinnahmten die nationalistischen Kreise diesen Brauch, dem sie vermeintlich „germanische“ Wurzeln zuschrieben. So wurde er nach dem Krieg nicht wieder aufgegriffen und verschwand. Heute finden in Oberbayern nur vereinzelt Sonnwendfeuer statt. Wenn, dann veranstalten häufig Vereine gesellige Feiern, die den Charakter eines Dorffestes haben.

Was heute noch gilt ist,  dass man den letzten Spargel an diesem Tag erntet und auch die Rhabarbersaison endet. Das bringt mich zurück zu meinen Johannisbeeren. Den Nachtisch für mein privates Mittsommerfest mit Freunden haben ja bereits die Amseln verspeist. Ich glaube, ich nutze die Gelegenheit und ernte nochmals Rhabarber für ein Tiramisu.  Das hilft auch gegen den Schlechtwetter-Mittsommer-Blues. Aber vielleicht wird es ja auch schön! Dann gilt für mich die Bauernregel: „Wie’s Wetter an Johanni war, so bleibt’s wohl 40 Tage gar.“ Falls nicht, dann halte ich eben Ausschau nach Glühwürmchen, gemäß dem Sprichwort: „Glüh’n Johanniswürmchen helle, schöner Juli ist zur Stelle“.

 

Ein FOTOgrafischer Blick auf meine Johannisbeeren, die noch etwas reifen müssen.

Grenz-Wertig

Der Begriff „Grenz-Wertig“ kann in zwei Richtungen interpretiert werden. Zum einen bezeichnet er Werte an einer geografischen Grenze und zum anderen stellt er eben diese Wertigkeit von Dingen in Frage. Deshalb habe ich diesen Begriff bewußt als Motto für meine Exkursionen gewählt, die die Teilnehmer einmal jährlich an die Grenzen im Landkreis Dachau führen soll.

Was die erste Bedeutung anbelangt: wir reisen zusammen entlang der Landkreisgrenze in Richtung Fürstenfeldbruck, Aichach-Friedberg, Pfaffenhofen, München. Dabei besuchen wir Baudenkmäler, interessante landschaftliche Abschnitte, historisch bedeutsame Orte. Es geht dabei nicht um ein landkreisweites „Sachschaun“ in Abgrenzung zu den Nachbarlandkreisen. Es geht vielmehr um Informationen zur Kultur- und Heimatpflege die zeigen, wie willkürlich die heutigen politischen Grenzen oftmals gesetzt sind. Drei Beispiele von vielen seien hier genannt: Pfarrverbände wie der in Haimhausen-Fahrenzhausen bilden eine Einheit über Dachau hinaus mit dem Freisinger Kreis. Die Kirche St. Dionysius in Pipinsried schlägt eine Brücke zwischen der Diözese München-Freising und dem Bistum Augsburg. Die Furthmühle trennen nur wenige Meter von der Gemeinde Pfaffenhofen. Heute gehört sie zum Landkreis Fürstenfeldbruck, während sie im 19. Jahrhundert Bestandteil der Besitztümer der Augsburger Familie von Lotzbeck war, der neben Schloss Weyhern auch die ehemalige Hofmark Eisolzried bei Bergkirchen gehörte.

Übrigens abseits der Denkmalpflege: es verläuft auch eine Art sprachlicher Grenze durch den Landkreis Dachau. Der Übergang vom Dialekt des Bairischen zum Schwäbischen manifestiert sich bereits in der Gegend um Altomünster. Auch Trachten, Musik und Brauchtum lassen sich nicht auf politische Grenzen reduzieren….

Aber zurück zum Begriff „Grenz-Wertig“, der im zweiten Sinne eine Kategorie ist, die die subjektive Geschmacksempfindung betrifft: hier treffen Anhänger von Toskanahäusern auf Liebhaber von Bauhaus-Würfeln, Freunde der neuen Ruinenarchitektur auf Gartenzwergidyllen, Tradition auf Moderne.

Kann man diese beiden Grenzwerte zusammenbringen? Ich denke schon. Der Blick auf Werte schärft den Blick für Qualität und beeinflusst den Geschmack. Und in diesem Sinne halte ich es mit Oscar Wilde, der sagte: „Ich habe einen ganz einfachen Geschmack. Ich bin immer mit dem Besten zufrieden.“

Werte setzen sich durch – auch über Grenzen hinweg.

 

Auf dem FOTO sehen sie einen Blick auf eine Straße zwischen Deutenhausen und Kreuzholzhausen. Im Hintergrund die Alpenkette.