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Hollywood am Petersberg

Knapp hundert Jahre nach der Aufstellung der legendären Buchstaben HOLLYWOOD am 13. Juli 1923 auf den kalifornischen Santa Monica Hills, wurde auch im Landkreis Dachau ein Schriftzug auf einem Berg platziert. Auf dem Saint Peter Hill, besser bekannt als „Petersberg“, prangt seit einigen Wochen ein Schild: „EISENHOFEN 2024“. Das hätten sich die Mönche, die Anfang des 12. Jahrhunderts dort ein Kloster unterhielten, sicherlich noch nicht vorstellen können. Aber selbst in Hollywood hat man schließlich 1984 beim Papstbesuch Johannes Paul II kurzfristig einen Buchstaben entfernt, um in „Holywood“ das kirchliche Oberhaupt zu begrüßen.

Und in Eisenhofen? Auf dem Petersberg? Das Schild hat weniger sakrale als vielmehr weltliche Ursachen: 2024 ist das Festjahr für den Ortsteil Eisenhofen in der Großgemeinde Erdweg. Gerade erst hat der Burschen- und Madlverein eine Fahnenweihe mit einem dreitägigen Fest gefeiert, schon steht der Krieger- und Soldatenverein in den Startlöchern für die Feier seines Jubiläums im Juli.

Der Ort mit seinen um die 1.000 Einwohnern hat ein reges Vereinsleben, zu dem neben den genannten weiterhin die Freiwillige Feuerwehr, ein Obst- und Gartenbauverein, die Jagdgenossenschaft, Brauchtum Maibaum, Heimatgeschichte Eisenhofen, die Böllerschützen und die Bergfreunde beitragen. Und heuer gibt es gleich zwei Anlässe für Feste: Eisenhofen feiert 2024!

Aus diesem Grund wurden die großen Buchstaben auf den Berg gestellt. Und vielleicht weisen sie ja nicht nur auf die aktuellen Feierlichkeiten hin, sondern auch in die Zukunft. Jedes Jahr führt die Theatergruppe Eisenhofen im Tagungshaus unterhalb des Petersbergs ein Theaterstück auf. Wer weiß, vielleicht führt auch der Weg einer der Schauspielerinnen und Schauspieler einmal vom Petersberg nach Hollywood…

 

FOTO: Birgitta Unger-Richter

Liebe Leser, falls sie sich, angeregt durch den Beitrag, auf die Suche nach EISENHOFEN 2024 machen: leider ist das Schild inzwischen auch Geschichte. Es wurde abgebaut, damit das Feld weiter landwirtschaftlich genutzt werden kann. 

Karsamstagsfeuer

Ein Zettel im Briefkasten: der ortsansässige Burschenverein bittet am Karsamstag Holz für das „Jaudusfeuer“ am Straßenrand zu deponieren, damit es dort abgeholt werden kann. Ich legte den Aufruf mit einem Seufzer auf die Seite – schließlich rege ich seit Jahren an, diese Bezeichnung nicht mehr zu verwenden!

Kurz zur Erinnerung: es gibt zwei Feuer an Ostern. Das eine ist der Auftakt der katholischen Osterliturgie, bei dem sich die Gemeinde trifft, um dann in der Osternacht (am Vorabend oder Sonntags in der Frühe) mit der am Feuer entzündeten Osterkerze in die Kirche einzuziehen.

Beim anderen Osterfeuer ist der Ursprung nicht gesichert. Es ist im Dachauer und Aichacher Raum verbreitet und wurde als „Jaudusbrennen“ (Pfaffenhofen, Unterweikertshofen, Weichs, Niederroth), „Jaudusfeuer“ (Unterbachern, Kleinberghofen, Altomünster) oder auch „Osterbrennen“ oder „Ostermobrennen“ in Petershausen bezeichnet. „Dazu wird auf einer Anhöhe eine Stange aufgestellt und daran eine Strohpuppe befestigt. Um die Stange herum wird Holz und Reisig aufgeschichtet und in der Nacht, begleitet von einer Feier, verbrannt.“, wird in der Chronik von Petershausen vermerkt. In Unterweikertshofen schilderte Hauptlehrer Hindinger das Geschehen 1908: „An Karsamstag abend wird von den Dorfbuschen der Judas verbrannt. Im Volksmunde heißt es Jaudesbrennen. Einige Tage vorher wird von diesen in der Nacht bei den Bauern Holz entwendet, oft bis zu 2 Ster. Dieses wird dann am Karsamstag auf den höchsten Punkt der Gegend gebracht und in einem Kreise gelagert. In die Mitte desselben kommt eine 3-4m lange Stange, auf die ein Hut gesetzt wird. Dieser ist eine leere Nagelkiste. In diese wird Wagenschmiere u. Pech gebracht und dann bei eintretender Dunkelheit angezündet wie auch das Holz. Beim Abbrennen erheben die Burschen einen großen Lärm, schreien, juchzen, pfeifen, singen und schießen. Groß und klein eilt aus den Häusern und schaut sich von da das Jaudusbrenna an…“

Und heute? Bis vor einigen Jahren wurden auch in unserer Gegend noch Strohpuppen verbrannt. Wenn ich heute auf die antisemitische Komponente dabei aufmerksam mache, ernte ich zumeist nur erstauntes Kopfschütteln. Das sei Brauch und nicht so gemeint…

Immer wieder gab es Vorstöße, diese Feuer zu verbieten – nicht etwa wegen eines antisemitischen Hintergrunds, sondern vielmehr aus Umweltgründen (Verbrennen von Müll), Ausschreitungen aufgrund von Alkoholmissbrauch oder der Pandemie. Der Brauch hält sich aber bis heute und hat viele Anhänger und Teilnehmer.

Es ist ja auch schön, wenn sich die Dorfbewohner, jung und alt um das Feuer versammeln und ein paar gesellige Stunden erleben! Bräuche bringen Menschen zusammen und sollen nicht ausgrenzen: in diesem Sinne darf es ein symbolisches Verbrennen einer Puppe, die Judas darstellt, der für den Tod Christi verantwortlich gemacht wurde, nicht geben. Auch wenn heutzutage meines Wissens keine Strohpuppen mehr verbrannt werden, sollte dennoch die Bezeichnung „Jaudusfeuer“ vermieden werden, um jegliche Assoziation daran auszuschließen. Mein Vorschlag wäre hingegen, in klarer Abgrenzung zum kirchlichen  „Osterfeuer“ die Bezeichnung „Karsamstagsfeuer“ für ein Dorffest im österlichen Sinne eines Neuanfangs.

 

AKTUALISIERUNG

Leider muss ich meinen vor Ostern 2023 geschriebenen Text korrigieren: es wurde mir von verschiedener Seite berichtet, dass im Landkreis Dachau sehr wohl noch viele Stohpuppen verbrannt wurden – auch nach meinen Hinweisen. Es gibt zahlreiche Augenzeugen und auch Fotodokumente, die dies belegen. Leider haben auch ein Vortrag von Dr. Rentz im März 2024 und zahlreiche Presseberichte die Verantwortlichen für die Osterfeuer dazu bewegen können, darauf zu verzichten. Zwar wurde die Bezeichnung „Jaudusfeuer“ nicht mehr verwendet – aber Puppenverbrennungen fanden dennoch statt.

 

FOTO: „Jaudusfeuer“ 2001 in Kleinberghofen, Raimund Richter

Das Zitat zu Petershausen stammt aus: Lydia Thiel: Feste und Bräuche. In: Lydia Thiel und Elisabeth Mecking: Chronik der Gemeinde Petershausen. Hg. Gemeinde Petershausen und AK Ortschronik Petershausen, Dachau 2002, S. 20. Hauptlehrer Hindinger nahm an der Umfrage des Bayerischen Vereins für Volkskunst und Volkskultur1908/09 teil. Seine Beschreibung kann u.a. nachgelesen werden unter bavarikon.  Eine umfassende und kritische Betrachtung verfasste Andreas Rentz: Das Judasfeuer – Ein antisemitischer Osterbrauch in Bayern, 2019.