Schlagwort: Dorffest

Karsamstagsfeuer

Ein Zettel im Briefkasten: der ortsansässige Burschenverein bittet am Karsamstag Holz für das „Jaudusfeuer“ am Straßenrand zu deponieren, damit es dort abgeholt werden kann. Ich legte den Aufruf mit einem Seufzer auf die Seite – schließlich rege ich seit Jahren an, diese Bezeichnung nicht mehr zu verwenden!

Kurz zur Erinnerung: es gibt zwei Feuer an Ostern. Das eine ist der Auftakt der katholischen Osterliturgie, bei dem sich die Gemeinde trifft, um dann in der Osternacht (am Vorabend oder Sonntags in der Frühe) mit der am Feuer entzündeten Osterkerze in die Kirche einzuziehen.

Beim anderen Osterfeuer ist der Ursprung nicht gesichert. Es ist im Dachauer und Aichacher Raum verbreitet und wurde als „Jaudusbrennen“ (Pfaffenhofen, Unterweikertshofen, Weichs, Niederroth), „Jaudusfeuer“ (Unterbachern, Kleinberghofen, Altomünster) oder auch „Osterbrennen“ oder „Ostermobrennen“ in Petershausen bezeichnet. „Dazu wird auf einer Anhöhe eine Stange aufgestellt und daran eine Strohpuppe befestigt. Um die Stange herum wird Holz und Reisig aufgeschichtet und in der Nacht, begleitet von einer Feier, verbrannt.“, wird in der Chronik von Petershausen vermerkt. In Unterweikertshofen schilderte Hauptlehrer Hindinger das Geschehen 1908: „An Karsamstag abend wird von den Dorfbuschen der Judas verbrannt. Im Volksmunde heißt es Jaudesbrennen. Einige Tage vorher wird von diesen in der Nacht bei den Bauern Holz entwendet, oft bis zu 2 Ster. Dieses wird dann am Karsamstag auf den höchsten Punkt der Gegend gebracht und in einem Kreise gelagert. In die Mitte desselben kommt eine 3-4m lange Stange, auf die ein Hut gesetzt wird. Dieser ist eine leere Nagelkiste. In diese wird Wagenschmiere u. Pech gebracht und dann bei eintretender Dunkelheit angezündet wie auch das Holz. Beim Abbrennen erheben die Burschen einen großen Lärm, schreien, juchzen, pfeifen, singen und schießen. Groß und klein eilt aus den Häusern und schaut sich von da das Jaudusbrenna an…“

Und heute? Bis vor einigen Jahren wurden auch in unserer Gegend noch Strohpuppen verbrannt. Wenn ich heute auf die antisemitische Komponente dabei aufmerksam mache, ernte ich zumeist nur erstauntes Kopfschütteln. Das sei Brauch und nicht so gemeint…

Immer wieder gab es Vorstöße, diese Feuer zu verbieten – nicht etwa wegen eines antisemitischen Hintergrunds, sondern vielmehr aus Umweltgründen (Verbrennen von Müll), Ausschreitungen aufgrund von Alkoholmissbrauch oder der Pandemie. Der Brauch hält sich aber bis heute und hat viele Anhänger und Teilnehmer.

Es ist ja auch schön, wenn sich die Dorfbewohner, jung und alt um das Feuer versammeln und ein paar gesellige Stunden erleben! Bräuche bringen Menschen zusammen und sollen nicht ausgrenzen: in diesem Sinne darf es ein symbolisches Verbrennen einer Puppe, die Judas darstellt, der für den Tod Christi verantwortlich gemacht wurde, nicht geben. Auch wenn heutzutage meines Wissens keine Strohpuppen mehr verbrannt werden, sollte dennoch die Bezeichnung „Jaudusfeuer“ vermieden werden, um jegliche Assoziation daran auszuschließen. Mein Vorschlag wäre hingegen, in klarer Abgrenzung zum kirchlichen  „Osterfeuer“ die Bezeichnung „Karsamstagsfeuer“ für ein Dorffest im österlichen Sinne eines Neuanfangs.

 

AKTUALISIERUNG

Leider muss ich meinen vor Ostern 2023 geschriebenen Text korrigieren: es wurde mir von verschiedener Seite berichtet, dass im Landkreis Dachau sehr wohl noch viele Stohpuppen verbrannt wurden – auch nach meinen Hinweisen. Es gibt zahlreiche Augenzeugen und auch Fotodokumente, die dies belegen. Leider haben auch ein Vortrag von Dr. Rentz im März 2024 und zahlreiche Presseberichte die Verantwortlichen für die Osterfeuer dazu bewegen können, darauf zu verzichten. Zwar wurde die Bezeichnung „Jaudusfeuer“ nicht mehr verwendet – aber Puppenverbrennungen fanden dennoch statt.

 

FOTO: „Jaudusfeuer“ 2001 in Kleinberghofen, Raimund Richter

Das Zitat zu Petershausen stammt aus: Lydia Thiel: Feste und Bräuche. In: Lydia Thiel und Elisabeth Mecking: Chronik der Gemeinde Petershausen. Hg. Gemeinde Petershausen und AK Ortschronik Petershausen, Dachau 2002, S. 20. Hauptlehrer Hindinger nahm an der Umfrage des Bayerischen Vereins für Volkskunst und Volkskultur1908/09 teil. Seine Beschreibung kann u.a. nachgelesen werden unter bavarikon.  Eine umfassende und kritische Betrachtung verfasste Andreas Rentz: Das Judasfeuer – Ein antisemitischer Osterbrauch in Bayern, 2019.

 

Wenn „Hemd und Hose“ am Kirchturm flattern…

Wofür steht eine rot-weiße Fahne am Kirchturm? So eine im Volksmund kurz „Zachäus“ genannte „Zachäusfahne“, bezieht sich auf den Zöllner Zachäus, von dem im Lukasevangelium berichtet wird, dass er auf einen Baum gestiegen sei, um Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem besser sehen zu können (Lk 19, 1-10). Die Legende berichtet, dass Zachäus eine rote Hose und ein weisses Hemd getragen habe, die dabei zerrissen seien.

Am dritten Sonntag im Oktober wird im Evangelium von der Begegnung des Zachäus mit Jesus erzählt. An diesem Sonntag wird auch das allgemeine Kirchweihfest gefeiert, weshalb die rot-weiße Fahne für diesen Festtag steht. Bevor dieser verbindliche Termin für die Feier von Kirchweih festgelegt wurde, feierte man die Weihe der Ortskirchen ganz individuell. Man kann sich vorstellen, dass bei der großen Anzahl an Kirchen praktisch das ganze Jahr über irgendwo eine Kirchweih war. Und eine Kirchweih wurde nicht nur an einem Tag begangen – nein – man feierte meist ausgelassen gleich mehrere Tage. Das war schließlich der Obrigkeit ein Dorn im Auge, sodass nurmehr der dritte Sonntag im Oktober als Kirchweih-Feiertag festgelegt wurde.

Kirchweih war schon immer ein Dorf- und Familienfest. Es wurde üppig gegessen und getrunken, es gab Tanz und Unterhaltung und Märkte wurden abgehalten. Und heute? Gasthäuser, auch bei uns im Landkreis Dachau, bieten häufig das traditionelle Festtagsgericht mit Gans, Knödel und Blaukraut an. Im Bezirksmuseum kann man manchmal eine Kirtahutschn (ein langes Brett, das an Seilen aufgehängt wird) ausprobieren. In Bäckereien und Cafés werden Kirtanudeln angeboten. In Petershausen und Altomünster laden Kirchweihmärkte zum Bummeln und Einkaufen ein. An manchen Orten gibt es einen Kirchweihtanz. Und dann weht da noch der „Zachäus“ am Kirchturm – schauen sie doch mal nach oben…

 

Foto: Zachäusfahne in Thalhausen

Einen Kirchweihtanz bietet z.B. der Pfarrgemeinderat Großinzemoos am Vorabend von Kirchweih an. Zachäusfahnen habe ich bisher in Indersdorf und Thalhausen entdeckt. Wenn sie noch einen weiteren Ort im Landkreis Dachau wissen, dann ergänze ich gerne meine Liste.

 

 

Mittsommer-Blues

Gestern wunderte ich mich über reges Treiben in meinem Gemüsegarten: da bedienten sich doch einige freche Amseln ausgiebig an den Johannisbeeren! Johannisbeeren, die ihren Namen vom gleichnamigen Heiligen haben, an dessen Gedenktag, dem 24. Juni, sie reif sein sollen.  An „Johanni“ ist auch der Tag der Sommersonnenwende, der sogenannte „Mittsommer“. Viele waren – wie auch ich – aufgrund der letzten Regenwochen geneigt, den Mittsommer mit seiner Sonnenwende zu verdrängen. Haben wir nicht alle befürchtet, dass der halbe Sommer schon vorbei sein könnte, bevor er überhaupt angefangen hat? Wer hoffte da noch auf eine irgendwie passable Ernte von Beerenfrüchten? Ein echter Mittsommer-Blues bahnte sich an…

In den nordischen Ländern ist Midsommar ein Fest, bei dem die Sommersonnenwende mit ausgiebigem Essen, Tanzen und familiärem Beisammensein gefeiert wird – egal wie das Wetter ist. Uns wurde der Midsommar auch durch Werbekampagnen eines schwedischen Möbelanbieters nähergebracht…

Aber wie kam es zur Verbindung von „Johanni“ und Sommersonnenwende? In frühchristlicher Zeit legte die Kirche den Gedenktag Johannes des Täufers auf diesen Tag, weil mit ihm Sonne und Licht verbunden sind, beides Symbole für Christus, als dessen Vorbote Johannes gilt. Die Lichtsymbolik zeigte sich dann auch im Brauchtum: vielerorts wurden in dieser hellen Nacht Sonnwendfeuer entzündet, um die auch getanzt wurde. Auch magische Kräfte wurden dem Feuer nachgesagt: vom Verscheuchen böser Geister hin bis zum Liebeszauber. In Städten wie München war das Sonnwendfeuer im Mittelalter sehr verbreitet, sodass es aufgrund der Brandgefahr zu Verboten kam, die aber das Brauchtum nicht zum Erliegen brachten. Erst im 20. Jahrhundert vereinnahmten die nationalistischen Kreise diesen Brauch, dem sie vermeintlich „germanische“ Wurzeln zuschrieben. So wurde er nach dem Krieg nicht wieder aufgegriffen und verschwand. Heute finden in Oberbayern nur vereinzelt Sonnwendfeuer statt. Wenn, dann veranstalten häufig Vereine gesellige Feiern, die den Charakter eines Dorffestes haben.

Was heute noch gilt ist,  dass man den letzten Spargel an diesem Tag erntet und auch die Rhabarbersaison endet. Das bringt mich zurück zu meinen Johannisbeeren. Den Nachtisch für mein privates Mittsommerfest mit Freunden haben ja bereits die Amseln verspeist. Ich glaube, ich nutze die Gelegenheit und ernte nochmals Rhabarber für ein Tiramisu.  Das hilft auch gegen den Schlechtwetter-Mittsommer-Blues. Aber vielleicht wird es ja auch schön! Dann gilt für mich die Bauernregel: „Wie’s Wetter an Johanni war, so bleibt’s wohl 40 Tage gar.“ Falls nicht, dann halte ich eben Ausschau nach Glühwürmchen, gemäß dem Sprichwort: „Glüh’n Johanniswürmchen helle, schöner Juli ist zur Stelle“.

 

Ein FOTOgrafischer Blick auf meine Johannisbeeren, die noch etwas reifen müssen.