Schlagwort: Dachauer Land

„Sie hupen – wir trinken“ …

… stand auf einem Schild am Straßenrand, das ich bereits zweimal im Landkreis Dachau sah. So ließ sich ein Geburtstagskind von den vorüberfahrenden Autofahrern feiern, indem es bei jedem Hupton mit seinen Mitfeiernden anstieß.

Ein neuer Brauch? Ich bin mir nicht sicher, ob das auch weiter verbreitet ist und als „Brauch“ bezeichnet werden kann. Bräuche nennen wir ja immer wiederkehrende Ereignisse, die zu bestimmten Gelegenheiten immer gleich begangen werden – also keine einmaligen oder seltenen Ereignisse.

Ein Brauch im Dachauer Land ist aber auf jeden Fall das Aufstellen von Bäumen anläßlich eines runden Geburtstages. Diese ähneln den Bäumen, die andere freudige Ereignisse begleiten: der Maibaum stimmt auf den Frühling ein, der Hochzeitsbaum auf die traute Zweisamkeit, der Geburtsbaum feiert einen neuen Erdenbürger. Immer handelt es sich um einen geschälten Baumstamm, oftmals weiß-blau bemalt mit begleitenden Schildern. Den Maibaum ziert häufig ein Kranz, den Hochzeitsbaum manchmal ein Brautpaar oder Herz und auf die Geburt eines Kindes macht gerne ein Storch aufmerksam.

Bei den Geburtstagsbäumen hingegen, bildet das aus dem Straßenverkehr bekannte rot umrandete runde Schild mit der Geburtstagszahl den oberen Abschluss. An sich ist dies eher ein Verbotsschild, das mit einer Zahl die Höchstgeschwindigkeit anzeigt. Woher wohl dazu die Idee kam? Ich habe bisher keine Antwort darauf.

Auf den Schildern darunter sind Hinweise auf Hobbies und Vorlieben des Geburtstagskindes angebracht wie das Lieblingsessen oder (Fußball-)Vereine. Auf dem abschließenden unteren Schild eines Baumes wird alles Gute gewünscht und häufig zu einem Umtrunk mit Essen ein Jahr nach dem Geburtstag aufgefordert – wenn der Baum wieder abgebaut wird. So wird bei diesem Brauch gegessen und getrunken – ohne dass man durch Hupen aufgefordert wird.

FOTO: Unger-Richter, Baum in Eisenhofen

Haben sie eine Idee, woher das runde Verbotsschild kommen könnte? Ich freue mich über ihre Kommentare und Anregungen! 

 

Karsamstagsfeuer

Ein Zettel im Briefkasten: der ortsansässige Burschenverein bittet am Karsamstag Holz für das „Jaudusfeuer“ am Straßenrand zu deponieren, damit es dort abgeholt werden kann. Ich legte den Aufruf mit einem Seufzer auf die Seite – schließlich rege ich seit Jahren an, diese Bezeichnung nicht mehr zu verwenden!

Kurz zur Erinnerung: es gibt zwei Feuer an Ostern. Das eine ist der Auftakt der katholischen Osterliturgie, bei dem sich die Gemeinde trifft, um dann in der Osternacht (am Vorabend oder Sonntags in der Frühe) mit der am Feuer entzündeten Osterkerze in die Kirche einzuziehen.

Beim anderen Osterfeuer ist der Ursprung nicht gesichert. Es ist im Dachauer und Aichacher Raum verbreitet und wurde als „Jaudusbrennen“ (Pfaffenhofen, Unterweikertshofen, Weichs, Niederroth), „Jaudusfeuer“ (Unterbachern, Kleinberghofen, Altomünster) oder auch „Osterbrennen“ oder „Ostermobrennen“ in Petershausen bezeichnet. „Dazu wird auf einer Anhöhe eine Stange aufgestellt und daran eine Strohpuppe befestigt. Um die Stange herum wird Holz und Reisig aufgeschichtet und in der Nacht, begleitet von einer Feier, verbrannt.“, wird in der Chronik von Petershausen vermerkt. In Unterweikertshofen schilderte Hauptlehrer Hindinger das Geschehen 1908: „An Karsamstag abend wird von den Dorfbuschen der Judas verbrannt. Im Volksmunde heißt es Jaudesbrennen. Einige Tage vorher wird von diesen in der Nacht bei den Bauern Holz entwendet, oft bis zu 2 Ster. Dieses wird dann am Karsamstag auf den höchsten Punkt der Gegend gebracht und in einem Kreise gelagert. In die Mitte desselben kommt eine 3-4m lange Stange, auf die ein Hut gesetzt wird. Dieser ist eine leere Nagelkiste. In diese wird Wagenschmiere u. Pech gebracht und dann bei eintretender Dunkelheit angezündet wie auch das Holz. Beim Abbrennen erheben die Burschen einen großen Lärm, schreien, juchzen, pfeifen, singen und schießen. Groß und klein eilt aus den Häusern und schaut sich von da das Jaudusbrenna an…“

Und heute? Bis vor einigen Jahren wurden auch in unserer Gegend noch Strohpuppen verbrannt. Wenn ich heute auf die antisemitische Komponente dabei aufmerksam mache, ernte ich zumeist nur erstauntes Kopfschütteln. Das sei Brauch und nicht so gemeint…

Immer wieder gab es Vorstöße, diese Feuer zu verbieten – nicht etwa wegen eines antisemitischen Hintergrunds, sondern vielmehr aus Umweltgründen (Verbrennen von Müll), Ausschreitungen aufgrund von Alkoholmissbrauch oder der Pandemie. Der Brauch hält sich aber bis heute und hat viele Anhänger und Teilnehmer.

Es ist ja auch schön, wenn sich die Dorfbewohner, jung und alt um das Feuer versammeln und ein paar gesellige Stunden erleben! Bräuche bringen Menschen zusammen und sollen nicht ausgrenzen: in diesem Sinne darf es ein symbolisches Verbrennen einer Puppe, die Judas darstellt, der für den Tod Christi verantwortlich gemacht wurde, nicht geben. Auch wenn heutzutage meines Wissens keine Strohpuppen mehr verbrannt werden, sollte dennoch die Bezeichnung „Jaudusfeuer“ vermieden werden, um jegliche Assoziation daran auszuschließen. Mein Vorschlag wäre hingegen, in klarer Abgrenzung zum kirchlichen  „Osterfeuer“ die Bezeichnung „Karsamstagsfeuer“ für ein Dorffest im österlichen Sinne eines Neuanfangs.

 

AKTUALISIERUNG

Leider muss ich meinen vor Ostern 2023 geschriebenen Text korrigieren: es wurde mir von verschiedener Seite berichtet, dass im Landkreis Dachau sehr wohl noch viele Stohpuppen verbrannt wurden – auch nach meinen Hinweisen. Es gibt zahlreiche Augenzeugen und auch Fotodokumente, die dies belegen.

 

FOTO: Jaudusfeuer 2001 in Kleinberghofen, Raimund Richter

Das Zitat zu Petershausen stammt aus: Lydia Thiel: Feste und Bräuche. In: Lydia Thiel und Elisabeth Mecking: Chronik der Gemeinde Petershausen. Hg. Gemeinde Petershausen und AK Ortschronik Petershausen, Dachau 2002, S. 20. Hauptlehrer Hindinger nahm an der Umfrage des Bayerischen Vereins für Volkskunst und Volkskultur1908/09 teil. Seine Beschreibung kann u.a. nachgelesen werden unter bavarikon.  Eine umfassende und kritische Betrachtung verfasste Andreas Rentz: Das Judasfeuer – Ein antisemitischer Osterbrauch in Bayern, 2019.

 

Chicken crossing

In Unterweikertshofen findet sich dieses einzigartige Schild: Vorsicht – hier queren Hühner die Straße!

Ich liebe dieses Schild, das immer für Schmunzeln und gute Laune bei allen sorgt, die es bemerken. Und es passt jetzt auch so gut in die österliche Zeit: schließlich gelten Hühner als Lieferanten der Eier, die für Ostern gekocht und gefärbt werden. Wobei dies nicht immer so gesehen wurde.

Da Hennen nur weiße oder braune Eier legen, wählte man zeitweise als Erklärung für die bunten Ostereier den Märzhasen. Der Chronist für Bräuche im 17. Jahrhundert, Doktor Georg Frank schrieb dazu 1682: „Man macht einfältigen Leuten und kleinen Kindern weis, diese Eier brüte der Osterhase aus und verstecke sie im Garten“. Schließlich würde er auf dem Feld, bevor er loshopple, eine Weile innehalten – dieser Moment sei der des Eierlegens. In manchen Gegenden Deutschlands war laut Volksglaube auch der Storch, Fuchs, Kuckuck oder Kiebitz unterwegs, um die Eier zu bringen. Letztendlich siegte aber der Hase, für dessen Popularität zahlreiche Grußkarten um 1900 und dann die  populäre „Häschenschule“, ein Bilderbuch von 1924, sorgten.

Im Dachauer Land hielt sich jedoch lange die Ansicht, dass der Gockel die Eier bringen würde. Kinder bastelten hier ein Nest, das ihn anlocken sollte. So ist aus Pellheim überliefert, dass ein Gockelnest aus im Boden gesteckten Weidenzweigen gebaut wurde, die oben zusammengebunden wurden. Zwei Seiten waren mit Fichtenreisig abgedeckt und die dritte Seite als Eingang offen gelassen. Der Boden wurde mit Moos bedeckt.

In Erdweg ließ sich der Gockel partout nicht in das vorbereite Nest locken, wie sich ein Zeitzeuge erinnerte – dennoch hätten die Kinder am folgenden Tag bunte Eier im Nest gefunden. In Wollomoos wurde sichtlich etwas nachgeholfen: „Der Gockel entledigt sich seiner Aufgabe sehr gerne, wird er doch von den Kindern schon längere Zeit vorher mit Eierschalen und Brot gefütter “, hielt der Ortspfarrer fest.

Inzwischen wurde in unserer Region der Gockel auch vom Osterhasen abgelöst – zumindest als Eierbote. Gelegt werden die Eier immer noch von den Hühnern – denn die haben ja schließlich Vorrang – zumindest in Unterweikertshofen.

 

FOTO: Schild in Unterweikertshofen, Richtung Langengern. Birgitta Unger-Richter.

 

Zu Osterbräuchen, nicht nur im Dachauer Land, gibt der Ausstellungskatalog des Bezirksmuseums in Dachau „Allerlei ums Osterei“ von 1996 Auskunft (hier auch das Zitat von Sebastian Frank). Im Mai 2022 erscheint die Chronik Erdweg mit einem Beitrag zu örtlichen Bräuchen von Annegret Braun. Dort wird auch der unwillige Gockel erwähnt. Zu Pfarrer Neureuthers Aufzeichnungen über den Gockel in Wollomoos  s. Chronik Altomünster. Hg. Wilhelm Liebhart für den Museumsverein Altomünster, Altomünster 1999, S. 537.

 

 

 

 

 

Es geht ans Eingemachte!

Vor einigen Jahren habe ich mich an dieser Stelle noch beklagt, dass die Amseln meine ganzen Johannisbeeren vertilgt und bei mir einen „Mittsommerblues“ verursacht hätten. Heuer kam ich ihnen zuvor und brachte eine reiche Ernte ein! Also ging es dieses Jahr ans Eingemachte, das Wesentliche  – wie es die gängige Redewendung so schön auf den Punkt bringt: was fange ich mit den geernteten Früchten an?

Dabei fiel mir wieder eine Methode ein, die vor einigen Jahrzehnten in Mode war: erinnern sie sich auch noch an die bauchigen Gefäße mit Früchtedekor oder der Aufschrift „Rumtopf“? In den 80er Jahren fand ich beim Einzug in meine WG in München einen braunen Topf aus Steingut im Besitz meiner Mitbewohnerin vor. In diesen Topf mit Deckel wurden je nach Saison die geernteten Früchte mit zusätzlichem Zucker geschichtet und dann mit Rum übergossen. Das Ganze ließ man für mindestens vier Wochen ziehen und schöpfte daraus nach Bedarf beschwipste Früchte zum Dessert wie Pudding oder Eis.

Ich dachte, dass diese Art der Haltbarmachung von Früchten inzwischen vergessen sei, bis ich im Internet auf Tipps, wie: „Machen Sie frische Früchte nach alter Art haltbar – Konservieren Sie Erdbeeren, Pfirsiche, Kirschen & Co. in einem Rumtopf und genießen Sie in der kalten Jahreszeit ein köstliches Dessert!“ stieß. Es gibt ihn also noch: den guten alten Rumtopf! Und ich hätte ihm einen würdigen Platz im Museum eingeräumt…

Selber habe ich das Experiment nie wiederholt und koche stattdessen lieber Marmeladen und Gelees ein. Aber ich werde diesen Beitrag zum Anlass nehmen, um meine ehemalige Mitbewohnerin anzurufen und zu fragen, ob sie einen Rumtopf angesetzt hat. Wenn ja, lade ich mich gerne ein und bringe ein passendes Dessert dazu mit…

 

Foto: Ein Teil der verarbeiteten Johannisbeerernte

Wenn sie jetzt Lust aufs Einmachen, Kochen oder Backen bekommen haben: die MuseenDachauerLand arbeiten gerade an einer Serie über Kochkultur im Dachauer Land, die ab Mitte des Monats in der Presse veröffentlicht wird. Und am Tag der Regionen am 3. Oktober können alle, die gerne essen und kochen ein saisonales und regionales Menü kochen, begleitet und angeleitet von jungen Köchen aus dem Dachauer Land bei einer Live-Kochshow auf Youtube. Oder sie können in einem Wirtshaus im Landkreis das Menü fertig gekocht bestellen und genießen. Näheres dazu unter https://www.der-petersberg.de/tag-der-regionen/.

 

Siebenschläfer

Ein banger Blick aus dem Fenster am Morgen – und dann die große Erleichterung: am Siebenschläfer-Tag ist es zwar (noch) nicht sonnig, aber zumindest nur etwas bedeckt und nicht  regnerisch. Denn laut Bauernregeln ist das Wetter an diesem „Lostag“ ein Indikator für die nächsten Wochen: „Ist der Siebenschläfer nass, regnet’s ohne Unterlass“.

Wäre dem nicht so gewesen, hätte ich mich vielleicht damit getröstet, dass der eigentliche Gedenktag – nicht an das gleichnamige Nagetier, sondern sieben frühchristliche Märtyrer – am 7. Juli wäre. Die Gregorianische Kalenderreform von 1582 hat nämlich eine Verschiebung auf den Juni bewirkt. Und woher kommt der Name des Tages? Es handelt sich um eine Legende, die von  sieben Männern handelt, die man als Christen im 3. Jahrhundert n. Chr. in Ephesus verfolgte. Glücklicherweise fanden diese Zuflucht in einer Höhle und wurden nach einem 195 Jahre lang andauernden Schlaf wieder lebendig gefunden.

Das Wetter wird in der nächsten Zeit also laut Siebenschläfer-Prognose schön werden und damit kann auch die Musikreihe „Zamghockt und aufgspuit“ im Freien stattfinden. Zum Abschluss des LEADER-Projektes „Volksmusik im Wittelsbacher und Dachauer Land“ gibt es Biergartenkonzerte mit vielen bekannten und auch neuen Volksmusikgruppen aus den Landkreisen Dachau und Aichach. Der junge Verein „Zamgricht“ hat sich der Organisation angenommen und ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt. Die Vereinsmitglieder sind zum Teil selber Musiker und im Dachauer und Wittelsbacher Land gut vernetzt. Also: Dirndl und Lederhose aus dem Schrank holen, sicherheitshalber nochmals den aktuellen Stand der täglichen Planung auf der Webseite von Zamgricht abrufen, dann im Einzelfall reservieren oder einfach hingegen oder hinradeln… und dann wünsche ich viel Vergnügen beim Zuhören und Mitsingen, wenn im Freien „zamghockt“ wird und „aufgspuit“.

 

FOTO: Einstimmung auf den Biergarten

Dank an Josef, Stefanie, Julia und David für die gute Zusammenarbeit beim Weiterführen des Volksmusikprojektes und Zamgricht für die Organisation der Biergartenreihe! 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zeichen der Liebe

Valentinstag und ein Herz im Schnee: da kam beim Spaziergang rund ums Dorf Freude auf! Hier hatte  jemand ein überdimensionales Zeichen der Liebe für seine Liebste oder seinen Liebsten gesetzt.

Als Zeichen der Liebe dienten früher auch Hühnereier, die an Ostern verschenkt wurden. Im Winter legen die Hühner weniger, sodass deren Eier sorgfältig gesammelt und haltbar gemacht wurden. Dazu zählte auch das Kochen und dann das Einfärben der Eier. Von daher waren Eier wertvoll und dienten auch als Zahlungsmittel. Sie waren Bestandteil des Pachtzinses oder wurden als Lohn, Geschenk und Dank an Dienstboten und andere Berufsstände wie Geistliche, Mesner, Lehrer oder Handwerker verteilt. Eier wurden aber auch als besondere Gabe von Paten an ihre Patenkinder verschenkt oder von jungen Menschen an ihre Angebeteten.

Wie aus Röhrmoos überliefert ist, schenkten dort die Mädchen den Burschen an Ostern Eier und drückten damit Sympathie oder auch Antipathie aus. Das wurde in Reimform übermittelt wie „Der Himmel ist blau, die Eier sind rot, ich will dich lieben bis in den Tod“ oder „Unsere Lieb´ hat die Katz gefressen, ich will jetzt auch dich vergessen“. In Pfaffenhofen gingen die Burschen zu den unverheirateten Mädchen und erhielten am Fenster einen sogenannten Gockl, ein Ei oder auch Zigaretten. Die Gunst der Mädchen drückte sich in der Anzahl der geschenkten Eier aus. Heute wird beim Oarbetteln der Bittsteller ins Haus gebeten, wo er eine Brotzeit erhält. In manchen Orten, wie in Kleinberghofen, gab es dazu auch das eine oder andere Stamperl Schnaps zur Stärkung.

Eier als Liebesgabe sollen ihren Ursprung am französischen und russischen Hof haben. Ludwig XIV verschenkte goldene Eier und die „Fabergé-Eier“ gelten bis heute als Inbegriff des kostbaren Schmuckeies. In der Biedermeierzeit standen in der bürgerlichen Gesellschaft Kurbeleier mit Liebesbotschaften hoch im Kurs.

Heutzutage gibt es das ganze Jahr über Eier zu kaufen, auch hart gekochte und gefärbte Exemplare. Als Zeichen der Zuneigung an Ostern haben sie größtenteils ausgedient. Sie sind Bestandteil bunt gefüllter Osternester und werden – mit oder ohne Speisenweihe im Gottesdienst der Osternacht – an Ostern verzehrt. Herzen als Zeichen der Liebe bleiben jedoch immer aktuell, wie das Herz im Schnee beweist.

 

 

Das FOTO hat mein Mann am letzten Wochenende in Kleinberghofen aufgenommen. Die Informationen zu Eiern als Liebesgaben entnahm ich den Chroniken der Gemeinden in Röhrmoos, bearb. v. Helmuth Rumrich und Franz Thaler, Horb am Neckar 1986 und Pfaffenhofen, Geschichte und Geschichten lebendig erleben, Pfaffenhofen 2014. Zu Osterbräuchen im Dachauer Land gibt der Katalog zur Ausstellung im Bezirksmuseum Dachau: Allerlei ums Osterei, Dachau 1996 Auskunft. Bräuchen am Ostersonntag ist auch ein Artikel im Kreisblick 1-2021 gewidmet. Weitere Beiträge zur Fasten- und Osterzeit habe ich in den letzten Jahren veröffentlicht:  Zeit für Brezn, Fast food, Auf die Palme bringen und zu besonderen Eiern.

Blumen pflücken verboten!

Am 8. Juli 1912 war es soweit: die erste Lokalbahn fuhr durch den Dachauer Landkreis – allerdings  vorerst nur bis Schwabhausen. Denn erst ein Jahr später, im Dezember 1913 war das letzte Teilstück bis Altomünster vollendet. Zahlreiche Geschichten und Anekdoten ranken sich um das von den Einheimischen liebevoll genannte „Bockerl“ oder „Bummerl“. So wird und wurde augenzwinkernd berichtet, dass Blumen pflücken während der Fahrt im „Alto-Express“ verboten gewesen sei. Tatsächlich kam es vor, dass der Zug auf offener Strecke außerplanmäßig anhielt, wenn z.B. der Schaffner beim Blick aus dem offenen Zugfenster seine Mütze verloren hatte …

Gerne wird auch von der Jubiläumsfeier „60 Jahre Lokalbahn“ erzählt, bei der noch einmal an die Gründerzeit der Bahn erinnert wurde. Die Organisation übernahm ein Festkomitee, das die Zeit um das Jahr 1913 in Anlehnung an Ludwig Thomas Schriften aufleben ließ. Ein von einer Dampflok gezogener Zug beförderte die in Kostümen der Jahrhundertwende und Dachauer Tracht erschienenen Fahrgäste, darunter auch viel Prominenz. So wurde unter anderen am Bahnhof Dachau der königliche Prinz Xaver musikalisch mit dem Defiliermarsch und „literarisch“ von einer Ehrenjungfrau mit Versen begrüßt:

„Heil der königlichen Hoheit,

dem Prinz Xaver Heil, der wo heut

diesen Zug besteigen tat,

der nach Altomünster fahrt….“

Der von Thoma erfundene Landtagsabgeordnete Filser versuchte sich an einer Rede, ein störrischer Ochse wurde in den Viehwaggon eingeladen, Hochzeitslader und ein Brautpaar, Bauern und ihre Frauen lieferten sich schlagfertige Wortgefechte, bis die Abfahrt angekündigt wurde. Der dampfgetriebene Zug zuckelte durch das Dachauer Land, wo an allen festlich geschmückten Bahnhöfen angehalten wurde und besondere Darbietungen auf die Zugreisenden und die Schaulustigen vor Ort warteten: Reden der Bürgermeister und des Prinzen, Begrüßungsmusik und Sketche mit Lokalbezug. In Schwabhausen beklagte sich der Postillon, dass der neumodische Dampfzug ihm die Arbeit wegnähme, in Arnbach wurde der Räuber Kneissl von Polizisten gestellt, in Erdweg gab es eine große Bauernhochzeit mit Tanzboden und Rauferei, in Kleinberghofen versammelten sich viele Trachtler um einen täuschend echt wirkenden Ludwig Thoma, bevor der Zug mit seinen ausgelassenen Fahrgästen am Zielbahnhof Altomünster eintraf.

Viele, die dieses Jubiläum damals erlebt haben, schwärmen noch heute von diesem Ausnahmefest, viele erinnern sich an die Fahrten mit der alten Lokalbahn. Wer heute aus dem Fenster der modernen S-Bahnzüge blickt, sieht sogar teilweise noch die vom Prinzen Xaver geschätzte „liebliche“ Landschaft „von sanften Höhen durchzogen und mit Wäldern bedeckt“, wird aber mit zahlreichen anderen Mitfahrern zügig von A nach B gebracht – ohne unterwegs Blumen zu pflücken…

 

FOTO: Collage. Mehr zum Jubiläum der 70er Jahre bei Hans Günther Richardi und Gerhard Winkler: Ludwig Thoma und die Dachauer Lokalbahn. Geschichte und Jubiläum einer bayerischen Nebenstrecke, Dachau (Bayerland) 1974. Dort auch auf S. 85 das Zitat des Prinzen Xaver und auf S. 80 das Gedicht der Ehrenjungfrau. Im Ausstellungskatalog des Bezirksmuseums Dachau „´s Bockerl“ von 1993 ist die Geschichte der Lokalbahn von den Anfängen bis zur modernen Bahn aufgezeichnet.

Zu Thoma und der Lokalbahn noch ein Nachtrag: In einigen seiner Werke bezog er sich auf die Dachauer Bahn: in „Altaich (=Altomünster)“, 1918, „Der Ruepp“, 1921 und in verschiedenen Artikeln für die Zeitschrift März. Auch zu seinem Dreiakter „Die Lokalbahn“ ließ sich der Schriftsteller während seiner Aufenthalte in Dachau und im Dachauer Land inspirieren. Als das Theaterstück 1902 im Residenztheater in München aufgeführt wurde, war die Bahnlinie nach Altomünster allerdings noch nicht fertig. So wählte Thoma als Schauplatz für sein Stück „Dornstein“ – gleichbedeutend mit Traunstein – und die dortige Lokalbahnstrecke nach Ruhpolding.

Die trauen sich was!

Ein Stau in der Dachauer Ludwig-Thoma-Straße, und das in Corona-Zeiten! Meine Tochter und ich konnten es kaum glauben. Doch nach der Kurve klärte sich das Ganze auf: eine Kutsche mit einem Hochzeitspaar bewegte sich gemütlich vorwärts, wahrscheinlich in Richtung Altstadt zum Standesamt. „ Viel Glück!“ riefen wir dem Paar beim vorsichtigen Überholen zu und freuten uns, dass sich zwei Menschen gefunden hatten, die sich trauten, gerade in der aktuell schwierigen Zeit.

Um die passende Frau zu finden, fungierte früher der „Hochzeitslader“ oder „Schmuser“, der viel herumkam und potentielle Kandidaten vermittelte. Gefühle waren dabei zweitrangig: es ging in erster Linie darum, dass der materielle Besitz gesichert oder sogar vermehrt wurde. Eine Hochzeit war meist mit der Hofübergabe an die jüngere Generation verbunden, die wiederum mit ihren Nachkommen für den Fortbestand des „Sachs“ sorgen sollte. Deshalb waren die Mitgift der Braut, die öffentlich auf dem Kammerwagen zur Schau gestellt wurde und das „Sachschaun“ wichtige Bestandteile des Hochzeitsrituals. Diesen und andere Bräuche im ländlichen Raum beschrieb Ludwig Thoma in seinem 1902 erschienenen Roman  „Hochzeit“. Verfilmt wurde der Stoff 1983 von Kurt Wilhelm für den BR im Dachauer Land mit vielen Laiendarstellern, zu denen auch der im wirklichen Leben als Hochzeitslader tätige Franz Eder gehörte. Hochzeitslader waren häufig  nicht nur für das Zustandekommen von Ehen zuständig. Sie waren vor allem eine Art von Zeremonienmeister, die für einen geregelten Ablauf der gesamten Feierlichkeiten sorgten: von der mündlichen Einladung bis zum letzten Brauttanz um Mitternacht. Heutzutage sind statt Hochzeitsladern häufig die Brautpaare selbst Organisatoren oder lassen sich von „Wedding Plannern“ beraten.

Dadurch haben sich seit Thomas Hochzeit viele Bräuche geändert – genügend Stoff für mehrere Blogbeiträge. Auf einen möchte ich mit dem Foto des heutigen Beitrags hinweisen: seit einigen Jahren werden im Landkreis Dachau Brautpaare aus Strohballen aufgebaut. Die Strohfiguren haben immer fröhliche Gesichter und tragen Brautschleier und Zylinder. Manchmal gibt es ein zusätzliches Transparent oder Schild, auf dem den frisch Vermählten gratuliert wird. Alles ist gut sichtbar auf Feldern oder vor Bauernhöfen aufgestellt. Bei diesem Paar feierte sogar schon das Kind der Paares mit, das sich sichtlich sehr über die Hochzeit seiner Eltern freut! Das hätte man sich früher nicht getraut…

 

FOTO: Mit dieser kleinen Familie wurde einem Brautpaar 2018 in Niederroth gratuliert.

Einen prächtigen Kammerwagen kann man hoffentlich bald wieder im Dachauer Bezirksmuseum anschauen: der große Aussteuerschrank, ein großes Bett, Tisch, Stühle, ein Butterfass und sogar ein Vogelbauer sind auf dem Wagen aufgebaut. Die Braut war augenscheinlich eine gute Partie!

Sonnenstrahlen sammeln

Was kann man eigentlich noch tun in diesen bewegten Tagen, in denen eine beängstigend wachsende Zahl von Infektionen das Wohl vieler Menschen bedroht, Wirtschaftssysteme an ihre Grenzen bringt und Panikkäufer veranlasst, die Regale von Supermärkten leer zu räumen? Ich denke, dass wir gut daran tun, dass wir das, was unser Menschsein ausmacht, trotz aller berechtigten Sorgen nicht vergessen.

Bereits 1967 hatte der promovierte Volkswirtschaftler, Werbegrafiker und Schriftsteller Leo Lionni das Kinderbuch „Frederick“ veröffentlicht, das seitdem Generationen von Erwachsenen und Kindern berührt und verzaubert hat. Ich habe es sehr gerne Schülern bei Museumsrundgängen in der Dachauer Gemäldegalerie vorgelesen, um sie auf die Jahreszeitenführung „Herbst“ einzustimmen oder sie zum kreativen Gestalten anzuregen.

Der Inhalt ist schnell erzählt: im Herbst legt eine Mäusegroßfamilie Vorräte für den Winter an. Tag und Nacht sammeln die Tiere Lebensmittel, um für die kalte Jahreszeit vorbereitet zu sein. Alle sind eifrig – bis auf Frederick. Scheinbar untätig sitzt er inmitten der geschäftigen Mäuseschar. Doch was er insgeheim sammelt, erweist sich an den kalten Tagen, in denen die Mäuse abgeschlossen von der Außenwelt sind, als Segen: Frederick hat für seine Mäusefamilie Sonnenstrahlen gesammelt, die ihr Herz erwärmen sollen. Und die poetische Maus trägt zum Schluss noch ein aufmunterndes Gedicht über den Wert einer jeden Zeit vor.

In dieser Zeit der Absagen kultureller Veranstaltungen und der Schließung von Museen sollten wir unsere ideellen Vorräte nicht außer Acht lassen. Wir können uns mit Kultur, mit Musik, Literatur und Filmen den dringend benötigten Sonnenschein in unserem derzeit so turbulenten Alltag bewahren.

 

Alle Veranstaltungen der Heimatpflege im Landkreis Dachau werden auf die zweite Jahreshälfte verschoben. Die MuseenDachauerLand haben bis auf weiteres geschlossen. In der Zwischenzeit laufen u.a. die Vorbereitungen für den Poetischen Herbst 2020 und neue Ausstellungen in den Museen. 

FOTO: Sonniger Himmel, Raimund Richter

 

 

And the winner is…

Am 9. Februar werden in Hollywood die diesjährigen Oscar-Prämierungen für besondere Filme, ihre Darsteller und Produzenten vergeben. Ein Anlass für mich, auch einmal das Thema „Film“ im Landkreis Dachau zu streifen.

Unser Landkreis Dachau diente nämlich schon häufig als Drehort. Fans der bayrischen Soap „Dahoam is Dahoam“ wissen, dass sich der fiktive Ort „Lansing“ an der Schleissheimerstrasse in Dachau befindet. Die Dachauer Altstadt war ein häufig gewählter Ort für unterschiedlichste Filmproduktionen wie „Agathe kanns nicht lassen“ (2005 mit Ruth Drexel) oder „Sams im Glück“ (2012). 2019 wurde ein Teil der Actionkomödie „Guns Akimbo“ mit Daniel Radcliffe auf dem Areal der Papierfabrik gedreht. In der Gemeinde Bergkirchen, im Gasthaus Peiß in Deutenhausen durften Sebastian Eberhofer und seine Freunde ausgiebig in „Sauerkrautkoma“ und „Leberkäsjunkie“ feiern.

Für den Kinofilm „Colonia Dignidad“ (2015) mit Emma Watson und Daniel Brühl wurde in Kleinberghofen eigens eine Ampel für Autofahrer installiert, damit eine zeitweise geräuscharme Kulisse für die Dreharbeiten entstand, die im traditionellen Gasthaus Rothenfußer stattfanden. Und zur  „Beste-Trilogie“ (2007, 2008, 2014) von Markus H. Rosenmüller haben viele Landkreisbewohner einen Bezug: sie erkennen die Drehorte wieder (so befindet sich der Bauernhof der Film-Kati in einem Weiler hinter Altomünster) oder waren als Statisten beteiligt. Dazu kommt, dass die Drehbuchautorin Karin Michalke aus Tandern stammt und bei ihren Filmvorlagen aus ihren eigenen Jugend- und Heimaterfahrungen schöpfte. Als Markus H. Rosenmüller 2008 die Lebensgeschichte des Räuber Kneissl verfilmte, drehte er jedoch nicht in der Heimat des Räubers im Landkreis Dachau, sondern in Niederbayern.

Auf einen eher vergessenen Film, der u.a. bereits 1981 in Dachau entstand, brachte mich ein Kollege aus dem Landratsamt: sein Bruder durfte bei den Dreharbeiten zu Didi Hallervordens „Ach du lieber Harry“ Zeuge sein, wie dieser halsbrecherische Stunts im Dachauer Krankenhaus vollbrachte.

Neben vielen weiteren Beispielen für Filme mit Bezug zu Dachau möchte ich zum Schluss noch eine nahezu unbekannte Rarität der Filmgeschichte erwähnen: einen Stummfilm aus dem Jahre 1922 des Regisseurs Richard Eichberg: „Monna Vanna“. Für diese dramatische Liebesgeschichte wurden unzählige Statisten, Menschen und Tiere im Dachauer Ortsteil Etzenhausen verpflichtet, um das Historienspektakel auf die Leinwand zu bringen. Der Arbeitskreis „Dorfgemeinschaft Etzenhausen“ hat dieses Ereignis wieder ins Bewusstsein gebracht. Vielleicht finden sich auch irgendwann mehr als minutenlange Schnipsel, um ihn nach 1922 wieder einmal auf die Leinwand zu bringen. Das hundertjährige Jubiläum des Drehs wäre dazu ein willkommener Anlass…

 

Das FOTO ist ein Ausschnitt aus einer Abbildung mit Statisten von „Monna Vanna“. Ich verwende es mit freundlicher Erlaubnis des Arbeitskreises Dorfgemeinschaft Etzenhausen. Auf S. 87 ihrer Chronik von 2012 findet man noch mehr Informationen zum Film.