Schlagwort: Dachauer Land

Tatsächlich Liebe

Das Anschauen des Weihnachtsfilms „Tatsächlich Liebe“ ist eines der neueren Adventsrituale, die mein Mann und ich pflegen. In diesem Film wird auf amüsante Art die Partnersuche unterschiedlichster Menschen zu einem Ganzen verknüpft.

Wie ein Blick zurück zeigt, ging es auch schon früher in der Adventszeit nicht nur um das Warten aufs Christfest, sondern auch ums „Obandln“: „Bereits am ersten Tag der Adventszeit, dem Namenstag des Hl. Andreas (30.11.) glaubten heiratslustige Mädchen, dass der erste Bursche, dem sie am Andreastag begegnen, ihr zukünftiger Liebhaber oder Mann werde“, schrieb der Dachauer Brauchtumsforscher Robert Böck. Dieser und weitere sogenannte Orakelbräuche wurden, neben den Losnächten an Silvester und der Wintersonnenwende, an den Namenstagen der Heiligen Andreas und Thomas (21.12.) praktiziert. So konnte diejenige, die mehr über den Künftigen wissen wollte, am Thomastag einen Schuh oder – wie es aus Oberzeitlbach bei Altomünster überliefert ist – einen Pantoffel werfen. Es hieß, dass die Schuhspitze in die Richtung weisen würde, aus der er kommen würde. In Großberghofen und in Schluttenberg sollen Mädchen in den dunklen Hühnerstall gegangen sein und einer Henne eine Feder ausgerupft haben, um die Haarfarbe des Liebsten, hell oder dunkel auszumachen. Über die Körpergestalt sollten aus dem Feuer gezogenen Scheite Auskunft geben: groß, klein, gerade oder krumm. Auch die beim Bleigießen entstandenen Formen konnten Näheres über den Liebhaber aussagen. Wem dies noch zu vage war, der drosch vor dem ins Bettgehen abends auf den Strohsack ein und sprach: „Strohsack, i´tritt di´, Heiliger Thomas, i´ bitt´ di, laß mir erscheinen, mein´ Herzallerlieabst“ oder: „laß mi heut drama vo dem Mo, den i zum Altar führen ko“.

Die eine oder andere Verliebte schaute derweil täglich auf ihre am 4. Dezember, dem Barbaratag geschnittenen Obstzweige. Ein blühender Zweig an Weihnachten verhieß schon einmal einen nahenden Bräutigam. Wer den Zweigen die Namen der möglichen Kandidaten zuordnete, dem verriet der zuerst erblühte den Erwählten. Ob es dann auch „tatsächlich Liebe“ war – darüber schweigen die Quellen…

 

 

 

Mehr zum adventlichen Brauchtum im Dachauer Land wurde 2003 im Ausstellungskatalog des  Bezirksmuseums „Auf Weihnachten zu“ zusammengetragen. Dort ist auch Robert Böcks Aufsatz zum vorweihnachtlichen Brauchtum erschienen. Wilhelm Kaltenstadler widmete sich den Bräuchen im Altomünsterer Raum in der 1999 erschienen Ortschronik „Altomünster“ (Hg. Museums- und Heimatverein Altomünster mit Wilhelm Liebhart).

Das FOTO entstand bei einem Ausflug auf die Burg Trausnitz in Landshut.

 

 

Brandaktuell…

„Bratwurst mit Sauerkraut!“ an die sonore Stimme des Erzählers auf der Lieblingsschallplatte meiner jüngeren Schwester erinnere ich mich auch heute noch sehr gut. Sie erzählte vom Räuber Hotzenplotz, der sich unerlaubterweise das Lieblingsessen von Kasperl und Seppl bei der Großmutter einverleibte. Der zuvor im „Spritzenhaus“ inhaftierte Räuber hatte seinen Aufpasser Wachtmeister Dimpflmoser getäuscht und überwältigt, ihm die Uniform geraubt und ihn mit einem Feuerwehrschlauch gefesselt. „Spritzenhäuser“ waren damals, als die Geschichte spielt, nämlich nicht nur Aufbewahrungsorte für die Feuerspritze und Wasserschläuche der Feuerwehr, sondern dienten auch als Gefängnisse.

Einige Jahrhunderte zuvor waren die einzelnen Bürger selbst für das Löschen der Brände zuständig. In Dachau war es sogar eine der Voraussetzungen um überhaupt das Bürgerrecht zu erwerben: man musste einen Feuerkübel mitbringen. Eine Vorstellung davon gibt ein ledernes Exemplar aus dem 18. Jahrhundert im Bezirksmuseum Dachau. Damit ein Brand erst gar nicht entstehen konnte, waren Schutzmaßnahmen durch eine „Feuerordnung“ geregelt. Häuser sollten nur mit Ziegel- oder sogenannten „Schlierdächern“ (Lehm und Stroh) gedeckt werden und der Rat, der Marktschreiber und der Kaminkehrermeister kontrollierten zweimal jährlich die Feuerstätten. Dennoch ereigneten sich verheerende Großbrände, gerade in den ländlichen Gemeinden im Dachauer Land, wo die landwirtschaftlichen Anwesen noch häufig Strohdächer hatten. So in Großberghofen 1823, wo ein in Brand geratener Backofen das schnell um sich greifende Feuer auslöste und nahezu alle Bauernhöfe brannten – eindrücklich in einem Modell im dortigen Heimatmuseum dargestellt. Zwanzig Jahre später wütete in nahen Arnbach (1845) ebenfalls ein Großbrand.

Solche Ereignisse trugen maßgeblich zur Entstehung der ortsansässigen Feuerwehren bei. In Altomünster und Dachau wurden die Vereine im Jahr 1869 offiziell gegründet – wobei wohl in Altomünster bereits im 18. Jahrhundert eine Wehr bestand, wie in der Ortschronik stolz berichtet wird. Anfangs war die Ausrüstung mit Feuerkübeln, Feuerleitern und Feuerhacken noch einfach. Im Laufe der Jahre kamen immer mehr Pumpen, Spritzen und Gerätschaften hinzu. Heutzutage verfügt die Feuerwehr über modernste Geräte, die nicht nur zur Brandbekämpfung eingesetzt werden, sondern auch bei der Rettung und dem Schutz von Menschenleben bis hin zu technischen Einsätzen benutzt werden. Von „Spritzenhaus“ kann deshalb heutzutage nicht mehr die Rede sein.

150 Jahre nach ihrer Gründung haben die Feuerwehren in Dachau und Altomünster ihr Jubiläum gefeiert. Es gab Vorführungen, Vergnügungen und auch etwas zum Essen – vielleicht standen auch Bratwürste auf der Speisekarte…

Was die Pflichten eines angehenden Bürgers in Dachau anbelangt verweise ich auf August Kübler: Dachau in verflossenen Jahrhunderten, Dachau 1928, Neudruck 1981, S. 222. Der Feuerkübel im Bezirksmuseum ist auch im 11. Band der Kulturgeschichte des Dachauer Landes „Bezirksmuseum Dachau“ auf S. 24 abgebildet. Das BLOGFOTO zeigt ein altes Feuerwehrspielauto meiner Kinder.

Mit diesem Beitrag gratuliere ich allen Feuerwehren im Landkreis Dachau, die in diesem Jahr Jubiläum feiern! Weiterhin bedanke ich mich bei meiner Heimat-Feuerwehr, dank deren Hilfe ich heute nach einer längeren Auszeit wieder im Dienst sein kann.

 

 

 

 

Servus beianand!

Vorgestern auf der Autobahn sah ich auf der Gegenfahrbahn Auto an Auto, Stoßstange an Stoßstange, alle auf dem Weg in Richtung Süden, die bayrischen Seen, die Berge – alles beliebte Ausflugsziele am Wochenende und auch für den längeren Aufenthalt. Ich war hingegen auf der Fahrbahn gen Norden in unseren Landkreis unterwegs und kam zügig voran.

Dabei fiel mir wieder ein, dass die April-Ausgabe des Magazins Servus für unser Dachauer Land geworben hatte. Die Redaktion hatte zu „einem Ausflug in ein beschauliches Stück Oberbayern“ eingeladen und zum Besuch aufgefordert: „Da gehen wir jetzt hin“.

Mit etwas klopfendem Herzen hatte ich den Beitrag gelesen: was würde die Redaktion von unser Gegend zeigen, wie würde das Dachauer Land dargestellt werden? Beim ersten Durchblättern: schöne Bilder, einladende Einkehrmöglichkeiten, Kulturtipps und nur Sonnenschein, blühendes Land, barocke Pracht, lächelnde Bürger. Auch in die oberbayrische Klischeekiste wurde kräftig gegriffen: Tracht, Bier, Wallfahrt. Aber das ist ja nicht verwunderlich –  oder haben sie schon einmal eine Reiseempfehlung mit verregneten Landstrichen und griesgrämigen Bewohnern gesehen, gar mit Wanderrouten durch gesichtslose Gewerbegebiete und Neubausiedlungen?

Deshalb zeigt auch Servus einige Schokoladenseiten des Dachauer Landes, die vielleicht mehr Besucher in den Münchner Norden locken werden. Dennoch glaube ich nicht, dass sich die Besucherströme von Norden nach Süden umkehren werden. Wir werden weiterhin ohne Stau und Stress das Hügelland, die Museen und Kulturangebote genießen können. Und schließlich gibt es ja noch viel mehr bei uns zu entdecken, als der Servus-Artikel vorgestellt hat!

In diesem Sinne bis demnächst, ganz entspannt, vielleicht in einem unserer Biergärten: „Servus beianand!“

 

Mein Tipp: im Juli erscheint im Bayerland Verlag ein Heimatbuch für Kinder. Zwei Mäuse unternehmen eine Entdeckungstour durch den Landkreis. Lassen sie sich überraschen!

Und noch ein Tipp: Mit dem Dachauer Forum besuche ich im Juni Kunsthandwerker im Landkreis.  

Das FOTO entstand beim Ludwig-Thoma-Gartenfest in Mariabrunn im Frühjahr 2017.

Dachauer Heimatkrimi(s)

„Am St. Johannitag, den 24. Juni, nachmittags, ertrank beim Baden in der Glonn bei Indersdorf der praktische Arzt Herr Dr. Heinrich Schmederer aus München, 30 Jahre alt, und wurde die Leiche am 25. Juni aus dem Wasser gezogen“. So lautete die Meldung im Amperboten vom 26. Juni 1880.

Der Arzt Dr. Schmederer hatte an diesem Tag beruflich im Distriktskrankenhaus in Indersdorf zu tun. Dort untersuchte er als Mitglied einer Münchner Kommission die Leiche des am 13. Juni erstochenen Röhrmooser Dienstknechts Raimund Fleischmann. Danach begaben sich die Herren zum Mittagessen in die Klosterbrauerei. Dr. Schmederer wollte sich nach dem Mahl bei einem Bad erfrischen und lud auch die anderen Herren ein, die jedoch ablehnten. „So ließ er sich allein zu der in nächster Nähe Indersdorf an der Glonnbrücke sich befindenden Brücke führen“, berichtete der Amperbote vom 27. Juni. Nach einer Stunde wurde Dr. Schmederer vermisst. Man fand zunächst nur seine Kleider und erst einen Tag später die Leiche des Verunglückten. Der Vorfall sprach sich wie ein Lauffeuer im Ort herum und zahlreiche Schaulustige verfolgten die Bergung und Überführung des Ertrunkenen. Als Erinnerung an den Unglücksfall ließ die Familie Schmederer am Unfallort ein Kreuz errichten.

Diese Begebenheit hätte durchaus das Potential für einen Heimatkrimi:  Ich sehe den Ermittler schon vor mir, wie er den Ausführungen der Angehörigen folgt, dass es sich um keinen Unglücksfall handeln könne, da der Tote äußerst gesund und ein ausgezeichneter Schwimmer gewesen sei. Der Klosterwirt widerspricht dem Verdacht, dass die Brotzeit schuld gewesen sei, weist aber mit verschwörerischer Miene darauf hin, dass der Mörder des Röhrmooser Dienstknechts noch immer nicht gefasst sei…

Aber an dieser Stelle breche ich ab –  schließlich schreibe ich (noch) keinen Heimatkrimi. Aber die Geschichte hat auch so noch eine spannende Fortsetzung, die mein hochgeschätzter Vorgänger Kreisheimatpfleger Alois Angerpointner festgehalten hat: „Vom Schmederer Kreuz“.

Angerpointner berichtet, dass bald nach dem Tod des Arztes das Gerücht aufkam, dass es beim „Schmederer-Kreuz“ spuke. Ein Geist sei erschienen hieß es oder auch ein großohriger Hund sei gesichtet worden. Bei einbrechender Dunkelheit meide man die Unglücksstelle und Schulkinder trauten sich nur in Gruppen die Brücke zu passieren. Das wurde mir auch von einer Indersdorferin bestätigt, die erzählte, dass man auch noch in den 50er Jahren den jungen Mädchen davon abriet, abends die Brücke beim „Schmederer-Kreuz“ zu passieren, weil einen sonst der „oide Schmederer holt“.

In Alois  Angerpointners gesammelte Sagen aus dem Dachauer Land werden häufig Begebenheiten mit historischem Kern erzählt, wie beim Schmederer-Kreuz, eingebettet in eine Spukgeschichte. Oft erscheinen Geister, mit oder ohne Kopf, feurige oder schwarze Hunde und der Teufel sucht sich eine immer wieder andere Gestalt, um den Menschen Verderben zu bringen. Für den Menschen scheinbar Unerklärliches wird erläutert, Frevel bestraft, gottgefälliges Leben belohnt. Eine wahre Fundgrube für historisch Interessierte und für Liebhaber spannender Geschichten – Geschichten, die viele Heimatkrimis in den Schatten stellen.

 

 

Die Zitate stammen aus dem Amperboten, nachzulesen im Stadtarchiv Dachau. Die Sage „Vom Schmederer-Kreuz“ findet man bei: Alois Angerpointner: Altbairische Sagen. Geschichten und Legenden aus dem Dachauer Land (Teil 2), Dachau (Bayerland) 1980.

 

FOTO: Abendstimmung bei Fritzlar.