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Die Butterhex

„I glaab, da is heund gwies wieda d´Häx drin“ soll eine Bäuerin in Senkenschlag ausgerufen haben, als ihr beim Arbeiten mit dem Rührfass die Butter gar nicht gelingen wollte. Ihr Nachbar wusste Rat, holte seine Flinte und schoß eine Ladung Schrot ins Butterfass. Als er den Pulverdampf habe aufsteigen sehen, soll er gesagt haben, dass man daran sehe, dass die Hexe jetzt zum Kamin hinausfahren würde.

Eine weitere Begebenheit mit einer Butterhexe ist aus Wollomoos überliefert: als auch dort einer Frau die Milch beim Buttern zu gerinnen drohte, griff sie zu einer List und steckte Dornenzweige ins Butterfass, um die darin versteckte Hexe zu vertreiben. Daraufhin gelang das Buttern und die angebliche „Hexe“ wurde anhand von Verbänden im Gesicht und Armen schnell im Dorf identifiziert. Es war eine eher stille und bescheidene Frau, wie Alois Angerpointner berichtet, die kurz zuvor zehn Pfund Butter erfolgreich auf dem Markt in Aichach verkauft hatte. Dies hatten die Dorfbewohnerinnen mit Erstaunen und auch Neid wahrgenommen.

Gebuttert wird heute nur noch selten auf dem Land. Molkereien haben das übernommen und stellen Butter in großen Mengen her, die wir dann im Supermarkt erwerben können. Auch viele weitere Lebensmittel nehmen wir beinahe selbstverständlich aus den Regalen und Kühltheken mit nach Hause, ohne uns über deren Herstellung groß Gedanken zu machen. Schlechtes Wetter, Naturkatastrophen, Schädlingsplagen – all dies war unseren Vorfahren noch näher als uns. Erklärungen dafür und Hilfe boten ihnen damals der Glaube und der Aberglaube. Bittgänge über die Fluren sollten ein gedeihliches Wachstum der Feldfrüchte befördern, der Wettersegen als Bestandteil der sonntäglichen Gottesdienstliturgie Schutz vor Unwetter und Mißernte bieten. Bei Gewittern zündete man eine schwarze Wetterkerze an und betete den Rosenkranz. In Bergkirchen wurde für gewöhnlich der Heilige Donatus, zuständig für Blitz und Donner, angerufen. Als dort aber Pfarrer Johann Christoph von Froschheim 1738 -1779 im Amt war, übernahm dieser die Abwehr von Unwettern: „Da stand er nun beim Herannahen eines Unwetters im Friedhof zu Bergkirchen, sah gegen Westen hin über das weite Dachauer Moos in Richtung des Ammersees, woher die ‚graabn Wolken aufzogn san‘. Er holte sein altes vergilbtes Rituale heraus, breitete soweit die Arme, geriet in Ekstase. Man mußte ihm links und rechts unter die Arme greifen, ‚weil er wie geistig abwesend war und geisterbeschwörend seine Segnungen abhielt‘ “. Seine Bemühungen müssen wohl von Erfolg gekrönt gewesen sein, weil er großen, auch überregionalen Zulauf erhielt, wie der ehemalige Kreisheimatpfleger Alois Angerpointner in einer Erzählung vermerkt.

Nach all den Bemühungen um eine ertragreiche Ernte wurde auch damals im Herbst im Rahmen der sonntäglichen Messe gedankt. Bis heute feiern wir an vielen Orten Ende September bis Anfang Oktober „Erntedank“. Für Missernten wird heute allerdings zum Glück keine Hexe mehr verantwortlich gemacht – jedenfalls ist mir darüber nichts bekannt.

 

Die Legenden über die „Butterhex“ und Pfarrer Froschmayr kann man nachlesen bei Alois Angerpointner: Altbayerische Sagen. Geschichten und Legenden aus dem Dachauer Land. 3 Bände. Dachau (Bayerland), ab 1977 in mehreren Auflagen erschienen. In der Geschichte des Bergkirchner Pfarrers (Bd.3) zitiert Angerpointner Josef Burghart: Chronik von Bergkirchen. Unveröffentlichtes Manuskript v. 24.06.1948.

Um Lebensmittel geht es auch bei  „Lebens-Mittel-Punkt“ am Tag der Regionen am Petersberg am 03.10.2018.

Zum Foto: Im Freilandmuseum Fladungen kann man als Besucher einen Eimer schleppen und damit einen Eindruck vom  beschwerlichen Alltag in früherer Zeit erhalten.

Dachauer Heimatkrimi(s)

„Am St. Johannitag, den 24. Juni, nachmittags, ertrank beim Baden in der Glonn bei Indersdorf der praktische Arzt Herr Dr. Heinrich Schmederer aus München, 30 Jahre alt, und wurde die Leiche am 25. Juni aus dem Wasser gezogen“. So lautete die Meldung im Amperboten vom 26. Juni 1880.

Der Arzt Dr. Schmederer hatte an diesem Tag beruflich im Distriktskrankenhaus in Indersdorf zu tun. Dort untersuchte er als Mitglied einer Münchner Kommission die Leiche des am 13. Juni erstochenen Röhrmooser Dienstknechts Raimund Fleischmann. Danach begaben sich die Herren zum Mittagessen in die Klosterbrauerei. Dr. Schmederer wollte sich nach dem Mahl bei einem Bad erfrischen und lud auch die anderen Herren ein, die jedoch ablehnten. „So ließ er sich allein zu der in nächster Nähe Indersdorf an der Glonnbrücke sich befindenden Brücke führen“, berichtete der Amperbote vom 27. Juni. Nach einer Stunde wurde Dr. Schmederer vermisst. Man fand zunächst nur seine Kleider und erst einen Tag später die Leiche des Verunglückten. Der Vorfall sprach sich wie ein Lauffeuer im Ort herum und zahlreiche Schaulustige verfolgten die Bergung und Überführung des Ertrunkenen. Als Erinnerung an den Unglücksfall ließ die Familie Schmederer am Unfallort ein Kreuz errichten.

Diese Begebenheit hätte durchaus das Potential für einen Heimatkrimi:  Ich sehe den Ermittler schon vor mir, wie er den Ausführungen der Angehörigen folgt, dass es sich um keinen Unglücksfall handeln könne, da der Tote äußerst gesund und ein ausgezeichneter Schwimmer gewesen sei. Der Klosterwirt widerspricht dem Verdacht, dass die Brotzeit schuld gewesen sei, weist aber mit verschwörerischer Miene darauf hin, dass der Mörder des Röhrmooser Dienstknechts noch immer nicht gefasst sei…

Aber an dieser Stelle breche ich ab –  schließlich schreibe ich (noch) keinen Heimatkrimi. Aber die Geschichte hat auch so noch eine spannende Fortsetzung, die mein hochgeschätzter Vorgänger Kreisheimatpfleger Alois Angerpointner festgehalten hat: „Vom Schmederer Kreuz“.

Angerpointner berichtet, dass bald nach dem Tod des Arztes das Gerücht aufkam, dass es beim „Schmederer-Kreuz“ spuke. Ein Geist sei erschienen hieß es oder auch ein großohriger Hund sei gesichtet worden. Bei einbrechender Dunkelheit meide man die Unglücksstelle und Schulkinder trauten sich nur in Gruppen die Brücke zu passieren. Das wurde mir auch von einer Indersdorferin bestätigt, die erzählte, dass man auch noch in den 50er Jahren den jungen Mädchen davon abriet, abends die Brücke beim „Schmederer-Kreuz“ zu passieren, weil einen sonst der „oide Schmederer holt“.

In Alois  Angerpointners gesammelte Sagen aus dem Dachauer Land werden häufig Begebenheiten mit historischem Kern erzählt, wie beim Schmederer-Kreuz, eingebettet in eine Spukgeschichte. Oft erscheinen Geister, mit oder ohne Kopf, feurige oder schwarze Hunde und der Teufel sucht sich eine immer wieder andere Gestalt, um den Menschen Verderben zu bringen. Für den Menschen scheinbar Unerklärliches wird erläutert, Frevel bestraft, gottgefälliges Leben belohnt. Eine wahre Fundgrube für historisch Interessierte und für Liebhaber spannender Geschichten – Geschichten, die viele Heimatkrimis in den Schatten stellen.

 

 

Die Zitate stammen aus dem Amperboten, nachzulesen im Stadtarchiv Dachau. Die Sage „Vom Schmederer-Kreuz“ findet man bei: Alois Angerpointner: Altbairische Sagen. Geschichten und Legenden aus dem Dachauer Land (Teil 2), Dachau (Bayerland) 1980.

 

FOTO: Abendstimmung bei Fritzlar.