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111 Dinge, die man gesehen haben sollte

111 Dinge, die man in einem Ort oder Land gesehen oder getan haben sollte, lautet der Titel einer sehr erfolgreichen Reiseführer- und Ratgeberreihe. Sie brachte mich darauf, eine kleine Version im Landkreis Dachau auf meinem Blog zu veröffentlichen.

Ich fange einmal mit 11 Dingen an und warte auf ihre Ergänzungen: vielleicht schaffen wir es dann ja auch einmal auf 111 außergewöhnliche Attraktionen in unserer näheren Heimat!

Zu den 11 Dingen gehören:

  1. Bei Föhn vom Schloßgarten aus die Alpenkette betrachten und dabei versuchen, die Gipfel namentlich zu bestimmen.
  2. Mit der S-Bahn-Linie 2 nach Altomünster fahren und eisschleckend über den Markt , durch den Finsteren Gang und dann rund ums Kloster schlendern.
  3. In Tandern auf dem „Beste Gegend Pfad“ spazieren gehen, durch den Bilderrahmen schauen und sich vornehmen, am Abend die alten Rosenmüller-Filme wieder anzuschauen.
  4. In Sulzemoos in der Schulhütte alte Schreibschrift üben und etwas über Mathias Kneißl erfahren, der an der Schule wenig Freude hatte.
  5. Ein Stück auf dem Jakobsweg über Vierkirchen bis Dachau pilgern, dabei die beiden Jakobskirchen besuchen und das Einkehren nicht vergessen.
  6. Den Biergarten in Mariabrunn aufsuchen, eine Brotzeit auspacken und die (angeblich) heilende Quelle suchen.
  7. Sich wie ein Maler oder eine Malerin fühlen und auf den Spuren der Dachauer Künstler den beschilderten Künstlerweg mit Gemälden und entsprechenden Motiven gehen und/oder die Museen und Galerien besuchen.
  8. Mit der S-Bahn bis Erdweg fahren, das denkmalgeschützte Wirtshaus am Erdweg bewundern und dann zur ältesten Kirche im Landkreis, der Petersberg-Basilika mit ihren romanischen Wandmalereien spazieren.
  9. Während der Volksfestzeit in Dachau den Duft von gebrannten Mandeln schnuppern, viele Lose beim traditionellen Glückshafen erwerben und damit auch anderen etwas Gutes tun.
  10. Dem Weg des Erinnerns in Indersdorf folgen und auf dem Bezirksfriedhof eine Gedenkminute für die Kinder der Kinderbaracke einlegen.
  11. Zur Keltenschanze in Arnzell fahren, den Feldweg hinaufgehen und über die Größe der noch gut sichtbaren Anlage staunen.

Vielleicht sind ja auch für sie ein paar Anregungen für die nächsten Wochenenden und Ferien dabei? Weitere nehme ich gerne in die „Longlist“ auf, die ich hier fortführen werde: 111 Dinge, die man im Landkreis Dachau gesehen haben sollte…

 

FOTO: Birgitta Unger-Richter.

Auch absolut sehenswert sind alte Automaten, in denen sich auch 11 und mehr sehenswerte Dinge verbergen. Diesen hier habe ich im Wirtshaus in Vierkirchen fotografiert.

 

LONGLIST: Bisher sind einige Tipps für Tandern und Schwabhausen in den Kommentaren eingegangen. Und auch aus Petershausen erhielt ich Anregungen von Elisabeth Mecking per Mail:

„Sehr schön finde ich z. B. den kleinen Fußweg ausgehend vom Parkplatz am Karlsberg in Dachau hinauf in die Altstadt. Er führt durch reich blühende, bunte Rosensträucher – gerade jetzt die beste Jahreszeit dafür! Auf etwa halber Höhe links an einer Mauer befindet sich ein Brunnen, d. h. ein Wasserrohr, ein Relikt noch aus der alten Wasserversorgung der damaligen Schlossbewirtschaftung.

Etwas Besonderes in der Verbandsgemeinde Petershausen ist der „Lochstein“, ein Flurdenkmal an der kleinen Straße zwischen Kollbach und Asbach. Hier wurde ein etwa 50 Meter langer Erdwall, in einer gewundenen Drachenform, aufgeschüttet. Am Kopf des Drachens ist eine Säule aus Stein aufgestellt, von mehreren Löchern durchbohrt. Jedes Loch gibt zielgenau den Blick frei zu den Kirchen im Pfarrverband Petershausen. Am Eingang zu der Anlage sind nahe der Landstraße mehrere Infotafeln aufgestellt.

Einen Ort der Ruhe mit einem wunderschönen Panorama Ausblick findet man in Obermarbach. Gleich am Ortsende in Richtung Norden sieht man ein „Zweisitzer Sofa“ aus hellem Jurakalk. Von hier aus ist der Blick frei über das liebliche Glonntal und bei entsprechendem Wetter zu 13 Kirchtürmen. Dieses Kunstwerk ist gedacht als „Jubiläumsplatz“ – hier dürfen die „Obermarbacher“( und nur die O.!) zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten oder Taufen einen Obstbaum pflanzen. (Die Angaben zum Lochstein und zum Jubiläumsplatz können noch ausführlicher nachgelesen werden in der Chronik der Gemeinde Petershausen, Geschichte, Band 1, S. 175).

Auch einen Besuch wert ist das Friedenskreuz in Sollern. Es steht mächtig in der Flur, eingerahmt mit kleinen Hecken und aufgestellten Bänken, nördlich von Sollern. Ebenfalls mit einem großen Rundumblick. Die dazu verwendete Eiche stammt aus dem Bayerischen Wald, wurde anfangs des 2. Weltkrieges mit der Bahn nach Petershausen transportiert und bis zur Verarbeitung im Sägewerk in Petershausen eingelagert. Gestiftet hatte das Friedenskreuz ein Großbauer aus Sollern. (nachzulesen in: Chronik der Gemeinde Petershausen, Geschichte, Band 2, Seite 179.)“

Lourdes ganz nah…

…kann man sich an einem Ort fühlen, der zwischen Langenpettenbach und Wagenried liegt. In einer Senke in einem Wäldchen steht eine kleine Bründlkapelle mit einer Lourdesmadonna. Es ist ein lauschiger und stiller Ort, der leicht zu übersehen ist.

Was für ein Unterschied zum „großen Lourdes“, wohin an die sechs Millionen Wallfahrer pro Jahr reisen! Viele Kranke kommen an den Ort am Rand der Pyrenäen, wo 1858 der vierzehnjährigen Bernadette Soubirous mehrfach die Muttergottes erschienen war. Sie suchen vor allem Heilung durch das Wasser aus einer Quelle, die die Hl. Bernadette entdeckt haben soll.

Einige Pilger, die dort waren, brachten Skulpturen und geweihtes Wasser mit und trugen damit zur weiteren Bekanntheit des Wallfahrtsortes bei. Manche bauten sich auch ihr eigenes Lourdes, um an die damit verbundenen Wunder und Heilungen anzuknüpfen. So auch in der Nähe von Wagenried, wo Familie Krimmer Ende des 19. Jahrhunderts eine vorhandene Kapelle zur Lourdesgrotte umgestaltete. Hier steht inmitten einer Art von Tropfsteinhöhle eine Nachbildung der Marienfigur, deren Urbild der französische Bildhauer Josef-Hugues Fabisch 1864 nach den Angaben Bernadettes schuf.

Kurz nach dem Krieg kamen viele Bewohner des nahe gelegenen Flüchtlingslagers in Wagenried wegen des Quellwassers zur kleinen Kapelle. Heute weist ein Schild darauf hin, dass die Quelle „kein Trinkwasser“ spendet.

Einmal im Jahr treffen sich die noch lebenden ehemaligen Lagerbewohner mit den heutigen Wagenriedern. An „Christi Himmelfahrt“ ist die Wiese oberhalb der Kapelle Ziel einer Wallfahrt, bei der eine Andacht gefeiert wird. Anschließend geht es in den Ort, um ein Dorffest zu feiern. Dazu kommen manchmal an die 200 Teilnehmer – im Vergleich zu Lourdes aber immer noch eine überschaubare Menge. Und übers Jahr ist die Kapelle ein stiller Ort, wo man sich Lourdes nahe fühlen kann…

 

Fotos: Birgitta Unger-Richter

Einen Einblick bietet der Kurzfilm auf dem YouTube-Kanal Kirche digital erleben im Landkreis Dachau.

Übrigens gibt es noch weitere Lourdesgrotten im Landkreis Dachau, wie in Kreuzholzhausen (Lourdeskapelle) , Großberghofen (Hutterkapelle), Hadersried (Wegkapelle), Purtlhof (Hofkapelle), Schauerschorn (Marienkapelle), Unterumbach (Hofkapelle).

Mehr zum ehemaligen Lager in Wagenried: Eleonore Philipp: Das Lager Wagenried. In: Norbert Göttler (HG): Nach der Stunde Null. Stadt und Landkreis Dachau 1945 bis 1949, München, S.153-163.  

Ein informatives Hörbild zur Kapelle gibt es bei den Hörpfaden der vhs Indersdorf.

Auch einen Vorschlag für eine Wanderung zur Brunnenkapelle macht die vhs Indersdorf.

 

 

Der Lenz ist da

Der Lenz ist da! Auf der „Kreativ-Wiese“ in Kollbach steht Frau Flora gerade im Mittelpunkt einer frühlingshaften Dekoration mit vielen Blumen, Gockelnestern und einem Schriftzug „Lenz“.

Was vor einigen Jahren als einmalige Idee begann, hat sich inzwischen zur festen Einrichtung in Kollbach gewandelt – ein Wiesenstück in der Ortsmitte, das mit immer neuen Dekorationen bestückt wird. 2019 begannen einige Bürger auf einem brach liegenden Grundstück gegenüber dem Gasthaus mit Blumen und Dekoration etwas Farbe in den Ort zu bringen. Inzwischen werden je nach Jahreslauf immer wieder neue Themen in Szene gesetzt.

Bis heute ist die Wiese ein beliebtes Ziel bei Spaziergängern. Aber auch Autofahrer halten immer wieder an und loben die beiden Gestalter Elisabeth Bauer und Hans Dirigl für die immer wieder neuen Ideen. Die Kreativität strahlt auch auf andere aus: die beiden wurden auch schon von den Kindern des Waldkindergartens unterstützt, die für die Wiese Sterne oder Wichtel bastelten. 2021 gab es eine besondere Aktion: jedes Kind, das für den Osterhasen ein Osterbild malte und es in einem eigens dafür aufgestellten Briefkasten einwarf, erhielt ein kleines Ostersäckchen nach Hause gebracht. Diese Aktion war ein kleiner Ersatz und Trost für die in der Coronazeit nicht stattfindende Ostereiersuche.

Apropos Osterhase: als ich in Kollbach war, wartete bereits eine Figur in der Schubkarre darauf, dass sie sich in einen Hasen verwandelt. Für die vielen weiteren Hasenfiguren, die sich dann mit ihm zusammen auf der Wiese versammeln werden, stiften Kollbacher Bürger auch Kleidung wie Dirndl oder Lederhose und einen Namen. Diese Paten feiern dann die Hasentaufe auf der Kreativwiese mit einem Umtrunk.

So ist die Wiese nicht nur ein dekorativer Hingucker, sondern auch ein Platz der Begegnung im Ort, der auch zum Mitmachen und zur Geselligkeit einlädt. Und für die Vorbeifahrenden ist sie ein netter Gruß, der viele zum Schmunzeln bringt. Aktuell ist der Lenz da und läßt sein blaues Band flattern, bis er vom Osterhasen abgelöst wird…

 

 

 

 

 

 

Titelfoto und „Lenz“: Birgitta Unger-Richter

Die folgenden Bilder stammen von der Ortschronistin Frau Berberich aus Kollbach, die die Wiese für die Installationen zur Verfügung stellt und alle bisherigen Dekorationen dokumentiert hat. Mein herzlicher Dank gilt ihr und Elisabeth Bauer und Hans Dirigl, die mir viel über ihre Wiese berichtet haben.

 

Hexen und Heilige

Am Unsinnigen Donnerstag stürmen wieder die Hexengilden die Rathäuser im Landkreis Dachau – auch in Markt Indersdorf. Weniger bekannt ist, dass an diesem Tag auch das Treffen des dortigen Isidoribundes stattfindet.

Zunächst feiern die Mitglieder eine Messe in der Marktkirche. Anschließend findet die Jahresversammlung des Vereins in einem Wirtshaus statt. Zum Essen gibt es traditionell drei Weißwürste, zwei Kalbsbratwürste und drei Brez´n, zusammengebunden mit einem weißblauen Band. Früher dauerte das Zusammensein mit Musik und Pferderennen bis spätabends oder sogar bis zum nächsten Tag, wie ein Chronist 1924 festhielt.

Gegründet wurde der Isidoribund 1635 nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges, also vor 390 Jahren. Damit ist er der älteste Verein in Markt Indersdorf! Er war als eine Art von Selbsthilfevereinigung der Bauern gedacht, um sich gegenseitig in Notlagen zu unterstützen. Dazu gehörte, dass jedem Vereinsmitglied ein Jahr nach seinem Tod eine Messe gelesen wurde. Der Jahresbeitrag war nie sehr hoch. So betrug er beispielsweise 1924 zehn Pfennige und seit 2016 einen Euro. Unterstützung erhielt der Verein von jeher auch durch die örtlichen Brauer.

Und warum traf man sich ausgerechnet am Unsinnigen Donnerstag, wo doch der Gedenktag des Heiligen am 15. Mai ist? Im Frühjahr gab es viel Arbeit für die Landwirte, weshalb man den Gedenktag „aus praktischen Gründen“ vorverlegte. Und weil am Unsinnigen Donnerstag in Indersdorf traditionell die ersten Fastenbrezeln gebacken wurden, gibt es diese bis heute zu den Würsten beim Mittagessen.

Das Vereinszeichen ist ein Pflug aus Eisen, der an den Namensgeber des Bundes erinnert. Der wahrscheinlich im 11. Jahrhundert lebende Hl. Isidor von Madrid (die Lebensdaten sind nicht gesichert) war laut einer Legende ein frommer Bauernknecht. Als sein Herr ihn einmal auf dem Feld aufsuchte, fand er ihn kniend ins Gebet vertieft. Seine Arbeit wurde derweil von zwei Engeln, die den Pflug zogen, verrichtet. Hexen und Hexerei waren damals nicht im Spiel – wie die Heiligsprechung des Isidor am 12. März 1622 durch Papst Gregor XV bestätigte.

 

Foto: Birgitta Unger-Richter

Mein Dank gilt dem Vereinsvorsitzenden Willi Lamm, der mir Unterlagen zum Isidoribund zur Verfügung gestellt hat. Dazu gehört ein Auszug aus „Bayerisch Land und Volk in Wort und Bild“ von 1924 zum Isidorifest und handschriftliche Aufzeichnungen zur Vereinsgeschichte. Weiterhin s. Robert Gasteiger, Wilhelm Liebhart: Braukunst und Brauereien im Dachauer Land, Dachau 2009, S. 275-277. Der Indersdorfer Heimatforscher Josef Berghammer (1936 – 2009) sammelte Informationen, die auf der Webseite der Gemeinde nachgelesen werden können.

Lichterglanz am Taubenhaus…

… ließ mich im letzten Jahr innehalten: jetzt gehen die Tauben auch schon mit der Zeit und dekorieren ihr Heim adventlich! Aber auch Taubenhäuser sind dem Wandel unterworfen, wie ein Blick in die Geschichte zeigt. Der Heimatforscher und Bauernhausbewahrer Alois Kammermeier hat diese festgehalten. Er verweist auch auf frühe Abbildungen, die auf den bekannten Stichen Michael Wenings, Ende 17. Jahrhundert, zu sehen sind. Dort sind Taubenhäuser längsrechteckige Bauten mit Satteldach und auf vier Säulen angebracht. Später haben sich bei uns im Dachauer Land vor allem quadratische Häuser mit Kreuzdach auf einer Säule eingebürgert. Seit dem 19. Jahrhundert wurden sie auch farbig bemalt.

Zunächst hatte das Aufstellen solcher Häuser einen praktischen Grund: der Mist, den die Tauben produzierten, diente der Düngung. Dieser wurde in Schubladen aufgefangen, die unter den Brutnischen der Tauben angebracht waren. Später verdrängte der Kunstdünger den Taubenmist und die Taubenhäuser blieben als Mittelpunkt und Schmuck einer Hofanlage bestehen. Einige von ihnen sind sogar unter Denkmalschutz gestellt und so dauerhafte Zeugen einer früheren Form der Landwirtschaft im Landkreis Dachau wie in Arnbach, Buxberg, Feldgeding, Mariabrunn, Oberzeitlbach, Röhrmoos und Roßbach.

Das adventliche Taubenhaus steht nicht unter Denkmalschutz. Es wurde auf Veranlassung des Hofeigentümers Kaspar Höckmayr erst 1979 mit Hilfe des ortsansässigen Burschenvereins in Großberghofen errichtet (s. die Fotos unten) und steht in der Nachbarschaft des Stafflerhaisls an der belebten Dorfstraße.

Wie seine denkmalgeschützten Verwandten ist es ein Miniaturbauernhaus mit Sprossenfenstern, Fensterläden, Brüstungen und Balkonen. Sogar ein Wetterhahn thront auf dem Dach. Als Wohnstätte für Tauben war es nie gedacht. Es diente vielmehr schon immer als Schmuck des bäuerlichen Anwesens. Im Advent bietet es einen besonders schönen Anblick mit seinem Lichterglanz am Taubenhaus – für den natürlich die Besitzer des Hofes sorgen und nicht die Tauben selbst.

 

Foto: Birgitta Unger-Richter

Wer mehr über Taubenhäuser erfahren möchte, wird in der digitalen Ausgabe der Zeitschrift Amperland fündig: Alois Kammermeier: Der Taubenkobel in Nordwest Oberbayern. In: Amperland 1987 (Jg. 23), S.460-465. 

Einen Zeitungsartikel, ein Foto von der Aufstellung und eines mit einer Ansicht bei Tageslicht hat mir freundlicherweise Familie Höckmayr zur Verfügung gestellt:

Aufstellen des Taubenhauses

Zeitungsartikel 01.05.1979
Artikel 01.05.1979, Zeitung nicht bekannt

Von Eisbegonien, Kehrschaufeln und praktischen Gartengeräten

Vielleicht sind einige am Morgen von Allerheiligen noch etwas müde vom Feiern der Gruselparties oder vom Süßigkeitenbetteln und schlafen erst einmal aus. Andere begeben sich auf den Friedhof, um ihrer verstorbenen Familienmitglieder zu gedenken. Der eine oder die andere ist vielleicht auch erschöpft vom Vorbereiten eines Grabes, das an diesem Tag tipptopp sein soll, wenn die Geistlichkeit den Segen spendet. Die Feier auf dem Friedhof ist nämlich auch ein Anlass, um vor dem Winter die Familiengräber gärtnerisch zu gestalten, Verblühtes abzuschneiden, Erde aufzufüllen und herbstlich zu bepflanzen. Dass dabei ein gewisser Wettbewerb und damit verbundener Stress herrschen kann, hat die Kabarettistin Martina Schwarzmann schon vor Jahren festgestellt: sie war auf der verzweifelten Suche nach den vielerorts beliebten Eisbegonien, die schon ausverkauft waren (s.u.).

Und es soll ja ordentlich sein: mir wurde berichtet, dass am Tag vor der Gräbersegnung auch schon Planen über die Gräber gebreitet wurden, damit keine Blätter die sorgfältig hergerichteten Arrangements zerstören. Etwas Praktisches in Sachen Ordnung rund ums Grab sah ich in meiner alten Heimat im südlichen Baden-Württemberg: hier werden hinter den Grabsteinen ganzjährig allerlei nützliche Haushaltsgeräte aufbewahrt. Es finden sich viele Besen und Schaufeln, die die Angehörigen jederzeit – nicht nur an Allerheiligen – nutzen können. Auf anderen Friedhöfen gibt es Gerätehäuschen, wo man alles für die Grabpflege ausleihen kann. Eine mobile Alternative bietet das „Gartengerät De Luxe“, für das ein Versandhändler wirbt: „Nach der abgeschlossenen Arbeit … lässt sich das komplette Friedhofsgerät (Harke, Schaufel und Besen) im praktischen Nylonbeutel verstauen und sauber transportieren.“

Egal für was man sich entscheidet – das Kümmern um das Andenken an die Verstorbenen ist ein schöner Brauch, der viel über die Kultur des Miteinanders von Generationen in einer Gesellschaft aussagt. Dabei ist es auch zweitrangig, ob man sich im Vorfeld für Eisbegonien, Kehrschaufel hinterm Grabstein oder „Gartengeräte De Luxe“ entscheidet.

 

FOTO: Raimund Richter

Traditionell wird der Toten eigentlich an Allerseelen gedacht, am 2. November. Der Brauch hat sich aber verändert und wird heute häufig zusammen mit dem Gedenken an die Heiligen am 1. November gefeiert. Familienmitglieder treffen sich auf den Friedhöfen, zünden Lichter auf den Gräbern an, besuchen einen Gottesdienst und nehmen an der Gräbersegnung teil. Gerne beschließt man den Gang auf den Friedhof mit einem gemeinsamen Mittagessen oder einer Kaffeerunde.

Wer Martina Schwarzmanns Erfahrungen mit der Grabpflege (Eisbegonien) nachhören möchte, findet den Beitrag auf Youtube: https://youtu.be/Qo7j1d7mDPo?si=4La2H4pv8LdyPv4k

 

My kingdom for a horse…

…ruft Shakespeares König Richard III verzweifelt aus, als er sein Pferd verliert und sich die Niederlage in einer entscheidenden Schlacht abzeichnet. Nicht Verzweiflung sondern Hoffnung kennzeichnet hingegen die Teilnehmer bei Leonhardi-, Georgi- oder Stefani-Umritten. Sie alle haben ein Pferd und hoffen auf den Schutz und Segen eines der Heiligen für ihre Reittiere.

Im November finden an vielen Orten wieder Leonhardi-Ritte statt. Als bekannteste gelten diejenigen im Oberland in Kreuth, Bad Tölz, Beneditktbeuern, Lenggries oder Gmund. Als ältester Pfederitt wird derjenige in Inchenhofen im benachbarten Landkreis Aichach-Friedberg genannt. Hier ist seit dem 13. Jahrhundert eine Wallfahrt zum Hl. Leonhard bekannt, die bis heute besteht.

Im Landkreis Dachau wurde 1994 der Brauch des Leonhardirittes in Pasenbach bei Vierkirchen wiederbelebt. Bereits in den 20er Jahren gab es dort Umritte. Heimatforscher Robert Böck hielt die Pferdesegnungen im 18. Jahrhundert für Vorläufer dieses Brauchs. Der Vierkirchner Helmut Größ hat sich mit der Geschichte in Pasenbach auseinandergesetzt und stieß auf den sehr aktiven Leonhardibund, den Mathias Kneißl 1762 gründete und damit die Verehrung des Heiligen beförderte. Leonhardi-Umritte fanden bis 1860 statt. Erst 1924 ist wieder bekannt, dass für fünf Jahre der Brauch wiederbelebt wurde. Die Geistlichen nahmen dabei als Reiter teil, wie uns durch den damaligen Pfarrer Johannes Spötzl überliefert ist: „Nachdem der Gottesdienst für die verstorbenen Mitglieder gehalten war, versammelte sich vor dem Gasthaus Großmann in Esterhofen eine Menge von geschmückten Wagen und Reitern, unter Assistenz des Herrn Pfarrer Huber, Weichs und Herrn Kooperator Hörl, beide ebenfalls zu Pferde und im Chorrock… Nach dem 3. Umzug segnete ich vor dem Mesneranwesen jedes Pferd mit Weihwasser. An dem Umritt nahmen an prominenten Personen noch teil: Herr Pfarrer Ebert, Giebing, Herr Pfarrer Pschorr, Ampermoching, Herr Graf Spreti auf Unterweilbach, Herr Baron Vequel-Westernach auf Kammerberg, Herr Dr. Steinbacher, Schönbrunn, alle beritten. Das Ganze hatte, ohne allen Unfall, einen herrlichen Verlauf. Ein Fest, über dessen Schönheit wir uns alle nicht genug freuen konnten und das noch lange bei den Teilnehmern Tagesgespräch blieb und das uns ermutigt, es künftig, so Gott will, jedes Jahr zu begehen.“

Der Umritt wurde in der Folge jedoch nicht jedes Jahr wieder begangen. Wie in der Presse berichtet wurde, endeten die Festivitäten häufig in Wirthausraufereien. Erst 70 Jahre später wurde die Tradition wiederbelebt und bis heute fortgeführt. Heutzutage nehmen am Ritt nicht nur Reiter teil. Es werden auch wunderschöne Motivwägen mitgeführt mit detailgetreuen Modellen des Benefiziatenhauses, der Kirchen in Vierkirchen und Pasenbach und dem ehemaligen Schloss. Auch Richard III hätte seine Freude daran: so viele Pferde und auch ein Schloß – was braucht es mehr „for a kingdom“?

 

FOTO: Birgitta Unger-Richter. Detail eines Pferdefuhrwerks von Bartholomäus Ostermair, Mörtelplastik, Bezirksmuseum Dachau, Ende 19. Jh.

Der Leonhardi-Ritt in Pasenbach 2024 findet am 27. Oktober statt. https://www.vierkirchen.de/88/aktuelles/veranstaltungskalender

Zur Wallfahrt in Pasenbch schreibt Robert Böck in: Wallfahrt im Dachauer Land (Bd.7 der Kulturgeschichte des Dachauer Landes), Hg. Museumsverein Dachau, Dachau 1991, S.178 – 182.

Die Motivwägen können auf Anfrage im vom Helmut Größ gestalteten Schaudepot in Pasenbach besichtigt werden. Dort gibt es auch weitere Informationen zur Wallfahrt, dem Leonhardibund und der Ortsgeschichte Pasenbachs. In der nahe gelegenen Kirche St. Leonhard ist auch außen eine Skulptur des Heiligen zu sehen, der zunächst als Einsiedler und später als Mönch lebte, sich sehr für die Gefangenen einsetzte und auch als deren Patron gilt. Er wird mit einer Kutte bekleidet dargestellt und hält Ketten in der Hand. Später wurden die ursprünglichen Gefangenenketten als Viehketten umgedeutet und Leonhard als Patron der Tiere verehrt. Er gilt als einer der 14 Nothelfer. 

Das Zitat über den Leonhardi-Ritt 1924 findet sich auf Hans Schertls Webseite kirchenundkapellen

 

 

 

 

 

Beim Jaga

In Altomünster in der Pipinsrieder Straße gibt es eines der seltenen Beispiele für eine Fassadenmalerei im Landkreis Dachau: ein Jäger mit angelegtem Gewehr und begleitendem Jagdhund vor einem Baum (s.u.). Das Bild erinnert daran, dass hier früher das Haus „Beim Jaga“ stand. Im 19. Jahrhundert schmückten die Fassade ein auf einen Hirsch schießenden Jäger – das Bild ist ebenfalls im Anhang. Dabei handelte es sich um Mörtelplastiken, die der in unserem Landstrich bekannte Maurer Bartholomäus Ostermair (1837-1899) geschaffen hatte. Bei der Sichtung seines Werks für einen Vortrag fand ich eine Abbildung des Hauses, die mich neugierig machte. Ostermair, der künstlerisch veranlagte Maurer aus Metzenried im Landkreis Schrobenhausen, hatte auf der Stör, d.h. als wandernder Handwerker, die umliegenden nahen und auch ferneren Dörfer bereist und dort Arbeit angenommen. Dazu gehörte neben der „klassischen“ Tätigkeit als Maurer auch das Anfertigen sogenannter „Mörtelplastiken“, die er aus einer Gipsmischung mithilfe von Gewebe und Holzleisten formte. Vor allem an Ställen sind seine Bauernheiligen und lebendig gestalteten Tiere noch zu sehen. Treuherzig schauende Kühe, munter ausschreitende Pferde, Fuhrwerke mit gemütlichem Kutscher, Heilige wie Florian, Leonhard oder Georg. Aber ein auf ein Reh zielender Jäger? An einem Haus in Altomünster? Leider ergaben die Nachforschungen, dass das Relief unwiederbringlich beim Neubau eines Hauses Mitte der 60er Jahre abgebrochen wurde. Und woher kam die Idee, einen Jäger auf der Fassade zu zeigen? Diese Frage ließ sich einfach lösen: der Sohn des Bartholomäus Ostermair hatte die Altomünsterer Jägertochter geheiratet, sodass der Vater wohl eine Plastik für deren Wohnhaus stiftete.

Am ehemaligen Jägerhaus ist auch heute noch der eingangs genannte Jäger auf der Pirsch dargestellt. Geht man ein paar Straßen weiter, trifft man auf eine weitere „Plastik“ (im wahrsten Sinne des Wortes aus Plastik), die in einem Privatgarten steht. Hier wird die Jägergeschichte fortgeschrieben: der Waidmann und sein Dackel scheinen nach getaner Arbeit auf dem Nachhauseweg zu sein. Der begleitende Igel hat sich bereits ein Pfeifchen angesteckt und das Reh mit Kitz im nahen Gebüsch schaut entspannt aus der Ferne zu. Es ist nicht in Gefahr. Hier herrscht neben einem großen einladenden Gartensessel schon Feierabendstimmung beim Jaga…

 

FOTOS: Birgitta Unger-Richter bis auf Jagahaus von 1912. Herzlichen Dank an den Besitzer der Jäger-/Igel-/Rehfiguren für die Erlaubnis die Fotos zu veröffentlichen. Das historische Foto verdanke ich Ernst Graf aus Altomünster, ebenfalls Zusatzinformationen von Alto Gruner zum Haus „Beim Jaga“. Vielen herzlichen Dank auch dafür!

Mehr über Bartholomäus Ostermair ist in der umfangreichen Monografie von Xaver Ostermair, erschienen 2020, zu erfahren. Dort finden sich zahlreiche Abbildungen der phantastischen und phantasievollen Darstellungen. Auch im Artikelarchiv des Amperlandes wird man fündig bei Josef Bogner: Bäuerliche Mauerplastiken in Amperland, 1967, S.71-75 und ders. in Amperland 1970, S. 17. Ein Standardwerk ist Robert Böck: Mörtelplastiken im nordwestlichen Bayern. In: Bayer. Jb. für Volkskunde, München 1959.

Das „Jagahaus“ in einer Aufnahme von 1912 (Archiv Ernst Graf) und heute. Das Reh mit Kitz befindet sich im gleichen Garten wie der gemütliche Jäger mit Igel.

 

Jaga Anwesen 1912
Mörtelplastik, Detail, 19. Jh.
Jäger auf der Pirsch am Neubau der 60er Jahre
Fassadenmalerei der 60er Jahre am heutigen „Jägerhaus“
Reh mit Kitz in einem Garten in Altomünster

 

 

Endlich Ferien!

Endlich Ferien! Das dürfte auch Mathias Kneißl ausgerufen haben, als das Schuljahr 1888 in Sulzemoos zu Ende ging. Der dortige Lehrer Wagner hatte in sein Jahreszeugnis geschrieben: „Für die Schule sind seine Fähigkeiten nicht verwendbar… Schulbesuch sehr mangelhaft…“

Damals wie heute werden die „großen“ Ferien gleichermaßen von Lehrern wie Schülern herbeigesehnt. Bereits nach der Einführung der allgemeinen Schulpflicht im Jahr 1802 dauerte die Schule von September bis zum Sommer. Allerdings hatten Schüler damals keine „richtigen“ Ferien, d.h. Zeit zum Nichtstun, Erholen und Entspannen, sondern wurden bei der Ernte gebraucht. Und von ausgiebigen Weihnachts-, Faschings-, Oster- und Herbstferien konnten sie nur träumen.

Was aber bis heute gleichgeblieben ist, ist die Ausgabe von Leistungsnachweisen. Diese hatten bereits die Jesuiten im 16. Jahrhundert in ihren kirchlichen Lehreinrichtungen eingeführt.

Auch der 1875 geborene Schüler Mathias Kneißl erhielt am Ende seiner Schuljahre Beurteilungen und Zeugnisse, die sich bis heute erhalten haben. In Unterweikertshofen stellte Hauptlehrer Hindinger zu Beginn seiner Schulzeit durchaus noch gute Leistungen fest und für das Fach Musik: „… Versteht jetzt schon die Harmonika besser zu handhaben als das Lesebuch und spielt zur Belustigung und Vergnügen der Großen auf…“. Wurde hier zumindest noch seine musikalische Begabung erkannt, so erhielt er nach dem Umzug in die Schachenmühle bei Sulzemoos nur noch negative Beurteilungen: „Vom Fleiß nur wenige Spuren vorhanden. Das sittliche Betragen kann in keiner Weise gelobt werden.“ 1887 attestierte ihm Lehrer Wagner gar „grenzenlose Faulheit“. Und Kneißl glänzte wohl mehr durch Abwesenheit als durch regelmäßigen Schulbesuch, wie das eingangs genannte Zitat zeigt.

Vielleicht wäre Mathias Kneißl lieber zur Schule gegangen, wenn er die heimelige Schulhütte in Sulzemoos gekannt hätte, die im Rahmen des Räuber-Kneißl-Radweg eingerichtet wurde? Dort kann man sich in entspannter Atmosphäre in alter Schrift üben, Dokumente entziffern und das Sitzen in einer alten Schulbank ausprobieren. Und wer sich für das Leben des Mathias Kneißl interessiert, erfährt mehr über ihn in Hörstationen und auf Informationstafeln. Vielleicht ein Tipp für einen Ausflug in den nächsten Wochen – schließlich sind ja jetzt endlich Ferien!

 

FOTO: Birgitta Unger-Richter, Blick in die Schulhütte in Sulzemoos

Noch ein Tipp: Aber auch in Großberhofen im dortigen Hutter-Museum und im Heimatmuseum in Karlsfeld gibt es eine Schulecke. Und im Rahmen der Artikelserie der Geschichtswerkstatt in den Dachauer Nachrichten erschien am 11. Juli 2024 ein Beitrag von Annegret Braun zur Schulzeit Mathias Kneißls. 

 

Hollywood am Petersberg

Knapp hundert Jahre nach der Aufstellung der legendären Buchstaben HOLLYWOOD am 13. Juli 1923 auf den kalifornischen Santa Monica Hills, wurde auch im Landkreis Dachau ein Schriftzug auf einem Berg platziert. Auf dem Saint Peter Hill, besser bekannt als „Petersberg“, prangt seit einigen Wochen ein Schild: „EISENHOFEN 2024“. Das hätten sich die Mönche, die Anfang des 12. Jahrhunderts dort ein Kloster unterhielten, sicherlich noch nicht vorstellen können. Aber selbst in Hollywood hat man schließlich 1984 beim Papstbesuch Johannes Paul II kurzfristig einen Buchstaben entfernt, um in „Holywood“ das kirchliche Oberhaupt zu begrüßen.

Und in Eisenhofen? Auf dem Petersberg? Das Schild hat weniger sakrale als vielmehr weltliche Ursachen: 2024 ist das Festjahr für den Ortsteil Eisenhofen in der Großgemeinde Erdweg. Gerade erst hat der Burschen- und Madlverein eine Fahnenweihe mit einem dreitägigen Fest gefeiert, schon steht der Krieger- und Soldatenverein in den Startlöchern für die Feier seines Jubiläums im Juli.

Der Ort mit seinen um die 1.000 Einwohnern hat ein reges Vereinsleben, zu dem neben den genannten weiterhin die Freiwillige Feuerwehr, ein Obst- und Gartenbauverein, die Jagdgenossenschaft, Brauchtum Maibaum, Heimatgeschichte Eisenhofen, die Böllerschützen und die Bergfreunde beitragen. Und heuer gibt es gleich zwei Anlässe für Feste: Eisenhofen feiert 2024!

Aus diesem Grund wurden die großen Buchstaben auf den Berg gestellt. Und vielleicht weisen sie ja nicht nur auf die aktuellen Feierlichkeiten hin, sondern auch in die Zukunft. Jedes Jahr führt die Theatergruppe Eisenhofen im Tagungshaus unterhalb des Petersbergs ein Theaterstück auf. Wer weiß, vielleicht führt auch der Weg einer der Schauspielerinnen und Schauspieler einmal vom Petersberg nach Hollywood…

 

FOTO: Birgitta Unger-Richter

Liebe Leser, falls sie sich, angeregt durch den Beitrag, auf die Suche nach EISENHOFEN 2024 machen: leider ist das Schild inzwischen auch Geschichte. Es wurde abgebaut, damit das Feld weiter landwirtschaftlich genutzt werden kann.