Raunächte

„Ist das ihre Wäsche auf dem Speicher?“ fragte mich besorgt meine Nachbarin kurz vor Weihnachten, als wir noch in einem Mehrfamilienhaus in Dachau wohnten, denn es bringe Unglück zwischen den Jahren Wäsche aufzuhängen. Etwas verwundert brachte ich die nasse Wäsche rechtzeitig in die Wohnung zum Trocknen, ohne mir weitere Gedanken zu machen.

Heute weiß ich, dass die zwölf Nächte zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Januar als „Raunächte“ gelten, in denen von altersher angenommen wurde, dass Dämonen und böse Gestalten ihr Unwesen treiben. Man fürchtete sich davor, dass sie Kinder, Frauen und Mädchen belästigten oder herumliegende Gegenstände verschleppten. Es wurde sogar geglaubt, dass „Totenheere“ oder die „wilde Jagd“ durch die Lande ziehen und Unheil verbreiten würden.

Und wie konnte man sich dagegen schützen? Frauen und Kinder sollten nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr nach draußen gehen. Der Haushalt sollte aufgeräumt sein und die Wäsche nicht auf der Leine hängen, Hausarbeit und auch Handarbeiten wie Stricken und Sticken sollten unterlassen werden, denn Unordnung und auch Arbeitstätigkeiten würden von den Dämonen bestraft werden.

Weiterhin war das Räuchern, woher wahrscheinlich auch der Name der „Raunächte“ kommt, ein probates Mittel, um alles Schlechte aus den häuslichen Räumen zu vertreiben. Dazu wurde auf eine Räucherpfanne oder Schaufel Glut gelegt und darauf Weihrauch, geweihte Kräuter oder Teile des Kräuterbuschens von Maria Himmelfahrt gegeben. Damit ging man vom Keller bis zum Speicher. Auf Bauernhöfen wurden auch die Ställe und die Scheune geräuchert. Meist versprengte man zusätzlich Weihwasser und sagte dazu Gebete und Segenssprüche auf.

Auch heutzutage möchte man alles aufgeräumt, eingekauft und hergerichtet haben. Räuchern scheint inzwischen auch wieder Brauch zu werden, wie zahlreiche Alltagsratgeber zeigen. Ob auch das Wäscheabhängen dazu gehört,  weiß ich nicht. Ich mache das jedoch immer noch automatisch vor Weihnachten und denke dabei jedes Jahr an unsere Nachbarin.

 

Foto: Wir haben heuer auch im eigenen Haushalt geräuchert!

Eine Sage aus der Zeit der Raunächte hat sich aus Hirtlbach erhalten: dort wurden Kirchgänger vom Teufel in Versuchung geführt. Wer Lust hat, kann sich die Geschichte von Jörg Baesecke von der Kleinsten Bühne der Welt erzählen lassen. Wer lieber selber liest, kann zum zweiten Band der Altbairischen Sagen, gesammelt von Alois Angerpointner, Dachau 1980, S. 43f. greifen.

 

Zu den Raunächten oder „Rauhnächten“  findet man weiterhin Wissenswertes bei: Alois Angerpointner: Vom Prehentag, der Perchtennacht und der Pefana. Alte Namen für das Fest der Heiligen-Drei-Könige. In:  Amperland Jg.2, 1966, S.02-03. Manfred Becker-Hubert: Feier, Feste, Jahreszeiten. Lebendige Bräuche im ganzen Jahr, Freiburg/Basel/Wien 2001, S.153-54.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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