Schlagwort: Altomünster

Beim Jaga

In Altomünster in der Pipinsrieder Straße gibt es eines der seltenen Beispiele für eine Fassadenmalerei im Landkreis Dachau: ein Jäger mit angelegtem Gewehr und begleitendem Jagdhund vor einem Baum (s.u.). Das Bild erinnert daran, dass hier früher das Haus „Beim Jaga“ stand. Im 19. Jahrhundert schmückten die Fassade ein auf einen Hirsch schießenden Jäger – das Bild ist ebenfalls im Anhang. Dabei handelte es sich um Mörtelplastiken, die der in unserem Landstrich bekannte Maurer Bartholomäus Ostermair (1837-1899) geschaffen hatte. Bei der Sichtung seines Werks für einen Vortrag fand ich eine Abbildung des Hauses, die mich neugierig machte. Ostermair, der künstlerisch veranlagte Maurer aus Metzenried im Landkreis Schrobenhausen, hatte auf der Stör, d.h. als wandernder Handwerker, die umliegenden nahen und auch ferneren Dörfer bereist und dort Arbeit angenommen. Dazu gehörte neben der „klassischen“ Tätigkeit als Maurer auch das Anfertigen sogenannter „Mörtelplastiken“, die er aus einer Gipsmischung mithilfe von Gewebe und Holzleisten formte. Vor allem an Ställen sind seine Bauernheiligen und lebendig gestalteten Tiere noch zu sehen. Treuherzig schauende Kühe, munter ausschreitende Pferde, Fuhrwerke mit gemütlichem Kutscher, Heilige wie Florian, Leonhard oder Georg. Aber ein auf ein Reh zielender Jäger? An einem Haus in Altomünster? Leider ergaben die Nachforschungen, dass das Relief unwiederbringlich beim Neubau eines Hauses Mitte der 60er Jahre abgebrochen wurde. Und woher kam die Idee, einen Jäger auf der Fassade zu zeigen? Diese Frage ließ sich einfach lösen: der Sohn des Bartholomäus Ostermair hatte die Altomünsterer Jägertochter geheiratet, sodass der Vater wohl eine Plastik für deren Wohnhaus stiftete.

Am ehemaligen Jägerhaus ist auch heute noch der eingangs genannte Jäger auf der Pirsch dargestellt. Geht man ein paar Straßen weiter, trifft man auf eine weitere „Plastik“ (im wahrsten Sinne des Wortes aus Plastik), die in einem Privatgarten steht. Hier wird die Jägergeschichte fortgeschrieben: der Waidmann und sein Dackel scheinen nach getaner Arbeit auf dem Nachhauseweg zu sein. Der begleitende Igel hat sich bereits ein Pfeifchen angesteckt und das Reh mit Kitz im nahen Gebüsch schaut entspannt aus der Ferne zu. Es ist nicht in Gefahr. Hier herrscht neben einem großen einladenden Gartensessel schon Feierabendstimmung beim Jaga…

 

FOTOS: Birgitta Unger-Richter bis auf Jagahaus von 1912. Herzlichen Dank an den Besitzer der Jäger-/Igel-/Rehfiguren für die Erlaubnis die Fotos zu veröffentlichen. Das historische Foto verdanke ich Ernst Graf aus Altomünster, ebenfalls Zusatzinformationen von Alto Gruner zum Haus „Beim Jaga“. Vielen herzlichen Dank auch dafür!

Mehr über Bartholomäus Ostermair ist in der umfangreichen Monografie von Xaver Ostermair, erschienen 2020, zu erfahren. Dort finden sich zahlreiche Abbildungen der phantastischen und phantasievollen Darstellungen. Auch im Artikelarchiv des Amperlandes wird man fündig bei Josef Bogner: Bäuerliche Mauerplastiken in Amperland, 1967, S.71-75 und ders. in Amperland 1970, S. 17. Ein Standardwerk ist Robert Böck: Mörtelplastiken im nordwestlichen Bayern. In: Bayer. Jb. für Volkskunde, München 1959.

Das „Jagahaus“ in einer Aufnahme von 1912 (Archiv Ernst Graf) und heute. Das Reh mit Kitz befindet sich im gleichen Garten wie der gemütliche Jäger mit Igel.

 

Jaga Anwesen 1912
Mörtelplastik, Detail, 19. Jh.
Jäger auf der Pirsch am Neubau der 60er Jahre
Fassadenmalerei der 60er Jahre am heutigen „Jägerhaus“
Reh mit Kitz in einem Garten in Altomünster

 

 

Übelmanna sixt nit gern in Hausen

Welch schöne und unsinnige Sätze man doch aus kurios klingenden Ortsnamen bilden kann!

Hinter der Überschrift verbergen sich die Orte Übelmanna (Altomünster), Sixtnitgern (Odelzhausen) und Inhausen bei Haimhausen im Landkreis Dachau.

Der erstgenannte Ort erhielt seinen Namen wohl als Spottname und bei „Sixtnitgern“ scheint sich eine umgangssprachliche Redensart im Laufe der Zeit verändert zu haben. Inhausen gehört zu einer Gruppe von Ortsnamen, die ihre Bezeichnung von den Anfängen der Besiedlung im Mittelalter erhalten haben und mit „haus“ oder „hof“ enden. Die Gründer der Siedlungen stehen am Anfang wie in Inhausen (Unno) oder Odelzhausen (Otolt), Haimhausen (Haimo) oder Deutenhofen (Tito). Vielfach wird darauf Bezug genommen, dass vor dem Besiedeln zunächst Wälder gerodet werden mussten. Darauf verweisen Namen wie „Brand“ oder „-ried“ wie in Mannried, Stachusried oder schlicht Ried.

Wohnten dann also in Mannried nur Männer und in Frauenhofen ausschließlich nur Frauen? War auf dem Teufelsberg wahrhaftig der Leibhaftige zu Hause? Gruselte man sich in Schauerschorn besonders? Hier sind sicherlich Zweifel angebracht. Man könnte schließlich auch meinen, dass es in Sittenbach besonders brave Bürger gab oder in Pfaffenhofen viele Geistliche ansässig waren, obwohl der Ort nicht in der Nähe von einer besonders frommen Siedlung namens Vierkirchen liegt. Gartenliebhaber würde man eher in Gartelsried vermuten, Dachse in Daxberg? Sicherlich fühlen sich Bewohner in Miesberg auch wohl, wenn auch der Dachauer Ortsteil „Neuhimmelreich“ vielversprechender klingt.

Bei manchen Namen bleibt die eindeutige Herleitung trotz Bemühungen von Forschern im Verborgenen. Dass „üble (schlechte) Männer in Inhausen nicht gerne gesehen werden“ wie mein Blogtitel lautet, ist aber auf jeden Fall ein rechter „Schmarrn“ – was nicht nur die Einwohner von Schmarnzell bekräftigen würden.

 

Foto: Scrabble einmal anders mit Ortsnamen.

Hätten sie es gewusst?

  • Mannried geht auf einen Gründer namens „Man“ zurück.
  • Frauenhofen bezieht sich auf das nahegelegene Kloster in Indersdorf „Zu unserer lieben Frau“. 
  • Teufelsberg ist der Berg des Teufelhard (Name).
  • Schauerschorn ist eine Einöde, die 1260 in einem Grundbuch des Kloster Altomünster als „Schuochshornn“ bezeichnet wird, eventuell hatte diese die Form eines Schuhs.
  • Sittenbach liegt am Bach des Sito (Name).
  • Pfafffenhofen: Tatsächlich scheint es hier mehrere Höfe von „Pfaffen“ – gleichbedeutend mit Geistlichen – gegeben zu haben.
  • Vierkirchen kommt von „Foehren“ und hat nur eine Kirche, wenn auch eine sehr bedeutende.
  • Gartelsried: Hier war wahrscheinlich derjenige, der hier rodete, ein gewisser „Cartheri“ (um 1000 ist der Ort als  Gartherisreot“ bekannt).
  • Daxberg ist ein Berg mit Eiben.
  • Miesberg: Mit „Mies“ ist ein Moos oder Sumpf gemeint.
  • Neuhimmelreich ist  der Name für eine Mooskolonie, benannt nach einem alten Geländenamen „Himmelreich“ (hoch gelegenes und ertragreiches Flurstück). 
  • Schmarnzell: Klosterhof auf lehmigem Grund.

Mehr zu den Ortsnamen findet man in:  „Die Gemeinden des Landkreises Dachau“, Bd. 2 der Kulturgeschichte des Landkreises Dachau, die 1992 in mehreren Bänden im Bayerland-Verlag erschien. Auch beim Verband für Orts- und Flurnamenforschung erfährt man mehr über die Herkunft der Namen.

Karsamstagsfeuer

Ein Zettel im Briefkasten: der ortsansässige Burschenverein bittet am Karsamstag Holz für das „Jaudusfeuer“ am Straßenrand zu deponieren, damit es dort abgeholt werden kann. Ich legte den Aufruf mit einem Seufzer auf die Seite – schließlich rege ich seit Jahren an, diese Bezeichnung nicht mehr zu verwenden!

Kurz zur Erinnerung: es gibt zwei Feuer an Ostern. Das eine ist der Auftakt der katholischen Osterliturgie, bei dem sich die Gemeinde trifft, um dann in der Osternacht (am Vorabend oder Sonntags in der Frühe) mit der am Feuer entzündeten Osterkerze in die Kirche einzuziehen.

Beim anderen Osterfeuer ist der Ursprung nicht gesichert. Es ist im Dachauer und Aichacher Raum verbreitet und wurde als „Jaudusbrennen“ (Pfaffenhofen, Unterweikertshofen, Weichs, Niederroth), „Jaudusfeuer“ (Unterbachern, Kleinberghofen, Altomünster) oder auch „Osterbrennen“ oder „Ostermobrennen“ in Petershausen bezeichnet. „Dazu wird auf einer Anhöhe eine Stange aufgestellt und daran eine Strohpuppe befestigt. Um die Stange herum wird Holz und Reisig aufgeschichtet und in der Nacht, begleitet von einer Feier, verbrannt.“, wird in der Chronik von Petershausen vermerkt. In Unterweikertshofen schilderte Hauptlehrer Hindinger das Geschehen 1908: „An Karsamstag abend wird von den Dorfbuschen der Judas verbrannt. Im Volksmunde heißt es Jaudesbrennen. Einige Tage vorher wird von diesen in der Nacht bei den Bauern Holz entwendet, oft bis zu 2 Ster. Dieses wird dann am Karsamstag auf den höchsten Punkt der Gegend gebracht und in einem Kreise gelagert. In die Mitte desselben kommt eine 3-4m lange Stange, auf die ein Hut gesetzt wird. Dieser ist eine leere Nagelkiste. In diese wird Wagenschmiere u. Pech gebracht und dann bei eintretender Dunkelheit angezündet wie auch das Holz. Beim Abbrennen erheben die Burschen einen großen Lärm, schreien, juchzen, pfeifen, singen und schießen. Groß und klein eilt aus den Häusern und schaut sich von da das Jaudusbrenna an…“

Und heute? Bis vor einigen Jahren wurden auch in unserer Gegend noch Strohpuppen verbrannt. Wenn ich heute auf die antisemitische Komponente dabei aufmerksam mache, ernte ich zumeist nur erstauntes Kopfschütteln. Das sei Brauch und nicht so gemeint…

Immer wieder gab es Vorstöße, diese Feuer zu verbieten – nicht etwa wegen eines antisemitischen Hintergrunds, sondern vielmehr aus Umweltgründen (Verbrennen von Müll), Ausschreitungen aufgrund von Alkoholmissbrauch oder der Pandemie. Der Brauch hält sich aber bis heute und hat viele Anhänger und Teilnehmer.

Es ist ja auch schön, wenn sich die Dorfbewohner, jung und alt um das Feuer versammeln und ein paar gesellige Stunden erleben! Bräuche bringen Menschen zusammen und sollen nicht ausgrenzen: in diesem Sinne darf es ein symbolisches Verbrennen einer Puppe, die Judas darstellt, der für den Tod Christi verantwortlich gemacht wurde, nicht geben. Auch wenn heutzutage meines Wissens keine Strohpuppen mehr verbrannt werden, sollte dennoch die Bezeichnung „Jaudusfeuer“ vermieden werden, um jegliche Assoziation daran auszuschließen. Mein Vorschlag wäre hingegen, in klarer Abgrenzung zum kirchlichen  „Osterfeuer“ die Bezeichnung „Karsamstagsfeuer“ für ein Dorffest im österlichen Sinne eines Neuanfangs.

 

AKTUALISIERUNG

Leider muss ich meinen vor Ostern 2023 geschriebenen Text korrigieren: es wurde mir von verschiedener Seite berichtet, dass im Landkreis Dachau sehr wohl noch viele Stohpuppen verbrannt wurden – auch nach meinen Hinweisen. Es gibt zahlreiche Augenzeugen und auch Fotodokumente, die dies belegen. Leider haben auch ein Vortrag von Dr. Rentz im März 2024 und zahlreiche Presseberichte die Verantwortlichen für die Osterfeuer dazu bewegen können, darauf zu verzichten. Zwar wurde die Bezeichnung „Jaudusfeuer“ nicht mehr verwendet – aber Puppenverbrennungen fanden dennoch statt.

 

FOTO: „Jaudusfeuer“ 2001 in Kleinberghofen, Raimund Richter

Das Zitat zu Petershausen stammt aus: Lydia Thiel: Feste und Bräuche. In: Lydia Thiel und Elisabeth Mecking: Chronik der Gemeinde Petershausen. Hg. Gemeinde Petershausen und AK Ortschronik Petershausen, Dachau 2002, S. 20. Hauptlehrer Hindinger nahm an der Umfrage des Bayerischen Vereins für Volkskunst und Volkskultur1908/09 teil. Seine Beschreibung kann u.a. nachgelesen werden unter bavarikon.  Eine umfassende und kritische Betrachtung verfasste Andreas Rentz: Das Judasfeuer – Ein antisemitischer Osterbrauch in Bayern, 2019.

 

Wenn „Hemd und Hose“ am Kirchturm flattern…

Wofür steht eine rot-weiße Fahne am Kirchturm? So eine im Volksmund kurz „Zachäus“ genannte „Zachäusfahne“, bezieht sich auf den Zöllner Zachäus, von dem im Lukasevangelium berichtet wird, dass er auf einen Baum gestiegen sei, um Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem besser sehen zu können (Lk 19, 1-10). Die Legende berichtet, dass Zachäus eine rote Hose und ein weisses Hemd getragen habe, die dabei zerrissen seien.

Am dritten Sonntag im Oktober wird im Evangelium von der Begegnung des Zachäus mit Jesus erzählt. An diesem Sonntag wird auch das allgemeine Kirchweihfest gefeiert, weshalb die rot-weiße Fahne für diesen Festtag steht. Bevor dieser verbindliche Termin für die Feier von Kirchweih festgelegt wurde, feierte man die Weihe der Ortskirchen ganz individuell. Man kann sich vorstellen, dass bei der großen Anzahl an Kirchen praktisch das ganze Jahr über irgendwo eine Kirchweih war. Und eine Kirchweih wurde nicht nur an einem Tag begangen – nein – man feierte meist ausgelassen gleich mehrere Tage. Das war schließlich der Obrigkeit ein Dorn im Auge, sodass nurmehr der dritte Sonntag im Oktober als Kirchweih-Feiertag festgelegt wurde.

Kirchweih war schon immer ein Dorf- und Familienfest. Es wurde üppig gegessen und getrunken, es gab Tanz und Unterhaltung und Märkte wurden abgehalten. Und heute? Gasthäuser, auch bei uns im Landkreis Dachau, bieten häufig das traditionelle Festtagsgericht mit Gans, Knödel und Blaukraut an. Im Bezirksmuseum kann man manchmal eine Kirtahutschn (ein langes Brett, das an Seilen aufgehängt wird) ausprobieren. In Bäckereien und Cafés werden Kirtanudeln angeboten. In Petershausen und Altomünster laden Kirchweihmärkte zum Bummeln und Einkaufen ein. An manchen Orten gibt es einen Kirchweihtanz. Und dann weht da noch der „Zachäus“ am Kirchturm – schauen sie doch mal nach oben…

 

Foto: Zachäusfahne in Thalhausen

Einen Kirchweihtanz bietet z.B. der Pfarrgemeinderat Großinzemoos am Vorabend von Kirchweih an. Zachäusfahnen habe ich bisher in Indersdorf und Thalhausen entdeckt. Wenn sie noch einen weiteren Ort im Landkreis Dachau wissen, dann ergänze ich gerne meine Liste.

 

 

Auf der Alm daheim

Neulich schrieb mir Herr A. aus Nordhessen: als passionierter Schallplattensammler habe er eine Single aus den 70er Jahren erworben und wolle mehr über seinen Fund „Das Oaduttate Mensch“ vom Gesangsduo Kerscher – Spilk, wahrscheinlich aus Dachau, wissen. Er finde das Lied sehr merkwürdig und fragte, ob das mit dem ihm schwer verständlichen Dialekt zusammenhängen könne? Ich antwortete ihm, dass ich das nicht glaube. Vielmehr handelt es sich um ein mehr als seltsames Lied, das Frauen abschätzig als „das Mensch“ bezeichnet und dabei den abwertenden Begriff „Dutten“ für weibliche Brüste verwendet. Die „Oaduttate“ ist folglich eine Frau mit einer Brust. Und auf diese stößt im Lied der Lenz beim Fensterln auf der Alm und wundert sich…

Oh je! Da wären wir mal wieder beim scheinbar unausrottbaren Klischee Alm! Der Salzburger Brauchtumsforscher Karl Zinnburg stellte dazu sehr treffend fest, dass „über das Almleben … die Städter vielfach recht romantische Vorstellungen“ hätten und „Schnulzenfilme und Heimatromane … diese Auffassung nur bekräftigt“ hätten.

Das „wahre“ Leben auf der Alm schilderte 2012 die in Tandern geborene Drehbuchautorin Karin Michalke in ihrem Buch „Auch unter Kühen gibt es Zicken“. Ihr Beispiel zeigte, dass auch im 21. Jahrhundert wenig Freizeit, dafür viel körperliche Arbeit und Entbehrungen zum Almleben gehören. Dennoch gab und gibt es viele Sennerinnen, die das Leben in den Bergen nicht missen möchten, weil es ihnen eine gewisse Freiheit gab und gibt. Früher entzog es die Frauen der sozialen Kontrolle einer engen und reglementierten Dorfwelt, heute bietet es Distanz zum hektischen von Ökonomie geprägten Leben und Naturnähe. Diese Freiheit war natürlich auch immer Objekt für Spekulationen über die Freizügigkeit auf der Alm – viele Liedtexte thematisieren dies. Eine Sennerin erzählte dazu, dass man ihr angedichtet habe, dass sie jede Nacht Männerbesuch auf der Alm erhalten habe. Diese Verleumdung habe sie sehr verletzt.

Vor diesem Hintergrund erscheint der Text des von Herrn A. angefragten Liedes umso fragwürdiger.

Schließen möchte ich deshalb mit einem anderen Blick auf die Alm, der von der Sennerin Anni Reiter stammt: „Ich war mit Leib und Seele auf der Alm. Und wenn du das einmal so lange machst, kannst du es nicht mehr lassen. Dann ist es einem einfach seine Heimat, da oben.“

 

FOTO: Tafel vom Altomünsterer Kunstweg 2020/21 im Altowald.

Mein heutiger Dank gilt meinem Fragesteller aus Hessen, der mich auf die singenden Schwestern aus Dachau aufmerksam machte und mich so zu diesem Blogbeitrag inspirierte. Er wies mich auch auf Youtube hin, wo das Lied zu hören ist.

Informationen zum Thema: Karl Zinnburg (1924-1994) wurde zitiert in Helga Maria Wolf: Verschwundene Bräuche, Wien 2015. Die Drehbuchautorin Karin Michalke (bekannt für die Vorlagen zu den Rosenmüller-Filmen „Beste Gegend“, „Beste Zeit“) schrieb ihre Erfahrungen zweier Almsommer in „Auch unter Kühen gibt es Zicken“ 2012 nieder. Porträts von Sennerinnen hat Annegret Braun in „Frauen auf dem Lande“, München 2010 auf S. 42-46 zusammengefasst. Dort auch das Zitat von Anni Reiter.

Der Wunderwald

Die erste Frühlingssonne nach der langen Regenzeit: nichts wie raus in die Natur und nach Altomünster! Auf den Spuren des Ortsgründers, des Hl. Alto machten wir uns zum Altowald und seiner Quelle auf. Hier in diesem Wald fanden der Legende nach einige Wunder statt. So habe der irische Heilige Bäume mit einem Messer gekennzeichnet, die dann ganz von alleine umgefallen seien und für den anstehenden Klosterbau benutzt werden konnten. Auch dem Wassermangel im Kloster konnte Alto abhelfen, indem er mit seinem Stab eine Quelle entspringen ließ.

Wir folgten der Beschilderung zur „Altoquelle“ bis wir einen neuen Wegweiser sahen: Kunstweg. Nach der kunstarmen Pandemie-Zeit zog uns dieses Schild magisch an. Freundlich begrüßte ein weiteres Schild „Herzlich Willkommen“ und stimmte auf einen Waldweg ein, den Holztafeln mit selbst bemalten Motiven, Schriften und Mitmachaktionen säumten. So viele phantasievolle und abwechslungsreiche Tafeln! Impulse zum Nachdenken, kunstvolle Landschaften, lustige Tiermotive und auch kritische Werke, die zur Auseinandersetzung mit unserem Umgang mit der Natur aufriefen. Auch der gemalte QR-Code funktionierte! Dazu noch viele Ideen zum Gestalten, wie die aus einem alten Christbaum Spinnenmonster zu basteln oder aus Ästen brennende Kerzen zu schnitzen. Kleine, an die Tafeln gehängte Kunstwerke durften sogar mitgenommen werden. Gleich zu Beginn stand übrigens eines meiner Highlights: der kleine Ponyhof mit Steckenpferden zum Reiten für Kinder…

Zur Altoquelle kamen wir bei diesem Spaziergang nicht mehr – auf dem Kunstweg verging die Zeit wie im Flug. Für mich war er eine schöne Überraschung, ein kleines Wunder, das gut zu diesem sagenumwobenen Wald passt.

 

FOTO: Kunstweg Ende Mai, Der Ponyhof

Danke an dieser Stelle den Initiatorinnen Martina Schwarzmann und Susanne Köhler und allen Mitstreiter:innen – sicherlich haben sie nicht nur meiner Wandergruppe, sondern auch vielen anderen damit viel Freude und Abwechslung in den letzten Monaten beschert. Man merkt zwar vielen Tafeln die Entstehungszeit im Winter mit vorweihnachtlichen Motiven an – aber das tut der Freude keinen Abbruch.

Zur Altoquelle werden wir übrigens ein anderes Mal pilgern – als Einstimmung könnten dann die Fresken in der Klosterkirche dienen, die das Leben des Hl. Alto anschaulich schildern.

Blumen pflücken verboten!

Am 8. Juli 1912 war es soweit: die erste Lokalbahn fuhr durch den Dachauer Landkreis – allerdings  vorerst nur bis Schwabhausen. Denn erst ein Jahr später, im Dezember 1913 war das letzte Teilstück bis Altomünster vollendet. Zahlreiche Geschichten und Anekdoten ranken sich um das von den Einheimischen liebevoll genannte „Bockerl“ oder „Bummerl“. So wird und wurde augenzwinkernd berichtet, dass Blumen pflücken während der Fahrt im „Alto-Express“ verboten gewesen sei. Tatsächlich kam es vor, dass der Zug auf offener Strecke außerplanmäßig anhielt, wenn z.B. der Schaffner beim Blick aus dem offenen Zugfenster seine Mütze verloren hatte …

Gerne wird auch von der Jubiläumsfeier „60 Jahre Lokalbahn“ erzählt, bei der noch einmal an die Gründerzeit der Bahn erinnert wurde. Die Organisation übernahm ein Festkomitee, das die Zeit um das Jahr 1913 in Anlehnung an Ludwig Thomas Schriften aufleben ließ. Ein von einer Dampflok gezogener Zug beförderte die in Kostümen der Jahrhundertwende und Dachauer Tracht erschienenen Fahrgäste, darunter auch viel Prominenz. So wurde unter anderen am Bahnhof Dachau der königliche Prinz Xaver musikalisch mit dem Defiliermarsch und „literarisch“ von einer Ehrenjungfrau mit Versen begrüßt:

„Heil der königlichen Hoheit,

dem Prinz Xaver Heil, der wo heut

diesen Zug besteigen tat,

der nach Altomünster fahrt….“

Der von Thoma erfundene Landtagsabgeordnete Filser versuchte sich an einer Rede, ein störrischer Ochse wurde in den Viehwaggon eingeladen, Hochzeitslader und ein Brautpaar, Bauern und ihre Frauen lieferten sich schlagfertige Wortgefechte, bis die Abfahrt angekündigt wurde. Der dampfgetriebene Zug zuckelte durch das Dachauer Land, wo an allen festlich geschmückten Bahnhöfen angehalten wurde und besondere Darbietungen auf die Zugreisenden und die Schaulustigen vor Ort warteten: Reden der Bürgermeister und des Prinzen, Begrüßungsmusik und Sketche mit Lokalbezug. In Schwabhausen beklagte sich der Postillon, dass der neumodische Dampfzug ihm die Arbeit wegnähme, in Arnbach wurde der Räuber Kneissl von Polizisten gestellt, in Erdweg gab es eine große Bauernhochzeit mit Tanzboden und Rauferei, in Kleinberghofen versammelten sich viele Trachtler um einen täuschend echt wirkenden Ludwig Thoma, bevor der Zug mit seinen ausgelassenen Fahrgästen am Zielbahnhof Altomünster eintraf.

Viele, die dieses Jubiläum damals erlebt haben, schwärmen noch heute von diesem Ausnahmefest, viele erinnern sich an die Fahrten mit der alten Lokalbahn. Wer heute aus dem Fenster der modernen S-Bahnzüge blickt, sieht sogar teilweise noch die vom Prinzen Xaver geschätzte „liebliche“ Landschaft „von sanften Höhen durchzogen und mit Wäldern bedeckt“, wird aber mit zahlreichen anderen Mitfahrern zügig von A nach B gebracht – ohne unterwegs Blumen zu pflücken…

 

FOTO: Collage. Mehr zum Jubiläum der 70er Jahre bei Hans Günther Richardi und Gerhard Winkler: Ludwig Thoma und die Dachauer Lokalbahn. Geschichte und Jubiläum einer bayerischen Nebenstrecke, Dachau (Bayerland) 1974. Dort auch auf S. 85 das Zitat des Prinzen Xaver und auf S. 80 das Gedicht der Ehrenjungfrau. Im Ausstellungskatalog des Bezirksmuseums Dachau „´s Bockerl“ von 1993 ist die Geschichte der Lokalbahn von den Anfängen bis zur modernen Bahn aufgezeichnet.

Zu Thoma und der Lokalbahn noch ein Nachtrag: In einigen seiner Werke bezog er sich auf die Dachauer Bahn: in „Altaich (=Altomünster)“, 1918, „Der Ruepp“, 1921 und in verschiedenen Artikeln für die Zeitschrift März. Auch zu seinem Dreiakter „Die Lokalbahn“ ließ sich der Schriftsteller während seiner Aufenthalte in Dachau und im Dachauer Land inspirieren. Als das Theaterstück 1902 im Residenztheater in München aufgeführt wurde, war die Bahnlinie nach Altomünster allerdings noch nicht fertig. So wählte Thoma als Schauplatz für sein Stück „Dornstein“ – gleichbedeutend mit Traunstein – und die dortige Lokalbahnstrecke nach Ruhpolding.

Bleibt gesund!

Aufmerksamen Spaziergängern ist sicherlich auch schon aufgefallen, dass seit einiger Zeit an verschiedenen Orten, Plätzen und Wegen bunte Steine mit lustigen Motiven und aufmunternden Botschaften abgelegt werden. In einem Ort an der S-Bahn-Linie nach Altomünster werden Spaziergänger aufgefordert, Steine für eine „Corona-Schlange“ zu bemalen, um sie dann wie beim Dominospiel an vorhandene bunte Kunstwerke anzulegen. Die Anleitung ist mit dem Wunsch verbunden, dass alle weiterhin Abstand halten und gesund bleiben mögen. Auch vor einem Kindergarten in Indersdorf sind kleine Botschaften an die Kindergartenkinder und ihre Eltern zu finden, die den Zusammenhalt untereinander betonen und an das Durchhaltevermögen aller appellieren. Der Münchner Merkur vom 7. Mai 2020 meldete, dass in Vierkirchen Steine als Zeichen der Aufmunterung rund um die Kirche platziert werden sollten und am Petersberg sind in der Basilika Steine vor dem Altar ausgelegt. Auf diese sind die Wünsche einzelner Besucher geschrieben: Glück, Frieden, Freiheit, Vertrauen und Gesundheit.

Steine, zu kleinen Pyramiden oder als Steinmännchen aufgeschichtet, kennt man aus dem Gebirge. Manchmal tragen sie auch eine farbige Markierung, um den Wanderern im Gelände Orientierung zu geben. Steine, die auf Grabsteine gelegt werden, sind auf jüdischen Friedhöfen Ausdruck des Gedenkens an die Verstorbenen. Steine, bunt zu bemalen und mit Botschaften zu versehen, scheint hingegen ein neuer Brauch zu sein, der sich aus anderen Quellen speist. Hier könnten private Bastelvorlieben und das 2018 initiierte „Kindness Rocks Project“ der Amerikanerin Megan Murphy Pate gestanden zu haben. Ich würde ihn in die neuen temporären „Corona-Bräuche“ einreihen, zu denen ich bereits in den vergangenen Wochen einiges geschrieben habe. Im Frühjahr und Frühsommer 2020 sind diese bunten Steine vor allem positive Zeichen, die den Vorübergehenden Gutes wünschen – am häufigsten: „Bleibt gesund!“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

FOTOS: Die Steine auf dem Titel stammen vom Beet vor dem Kindergarten St. Vinzenz in Markt Indersdorf. Ebenso der Marienkäfer und die Traktoren. „Bleibt Gesund“ und die Eule habe ich in Kleinberghofen am Bahnweg gesehen. 

 

And the winner is…

Am 9. Februar werden in Hollywood die diesjährigen Oscar-Prämierungen für besondere Filme, ihre Darsteller und Produzenten vergeben. Ein Anlass für mich, auch einmal das Thema „Film“ im Landkreis Dachau zu streifen.

Unser Landkreis Dachau diente nämlich schon häufig als Drehort. Fans der bayrischen Soap „Dahoam is Dahoam“ wissen, dass sich der fiktive Ort „Lansing“ an der Schleissheimerstrasse in Dachau befindet. Die Dachauer Altstadt war ein häufig gewählter Ort für unterschiedlichste Filmproduktionen wie „Agathe kanns nicht lassen“ (2005 mit Ruth Drexel) oder „Sams im Glück“ (2012). 2019 wurde ein Teil der Actionkomödie „Guns Akimbo“ mit Daniel Radcliffe auf dem Areal der Papierfabrik gedreht. In der Gemeinde Bergkirchen, im Gasthaus Peiß in Deutenhausen durften Sebastian Eberhofer und seine Freunde ausgiebig in „Sauerkrautkoma“ und „Leberkäsjunkie“ feiern.

Für den Kinofilm „Colonia Dignidad“ (2015) mit Emma Watson und Daniel Brühl wurde in Kleinberghofen eigens eine Ampel für Autofahrer installiert, damit eine zeitweise geräuscharme Kulisse für die Dreharbeiten entstand, die im traditionellen Gasthaus Rothenfußer stattfanden. Und zur  „Beste-Trilogie“ (2007, 2008, 2014) von Markus H. Rosenmüller haben viele Landkreisbewohner einen Bezug: sie erkennen die Drehorte wieder (so befindet sich der Bauernhof der Film-Kati in einem Weiler hinter Altomünster) oder waren als Statisten beteiligt. Dazu kommt, dass die Drehbuchautorin Karin Michalke aus Tandern stammt und bei ihren Filmvorlagen aus ihren eigenen Jugend- und Heimaterfahrungen schöpfte. Als Markus H. Rosenmüller 2008 die Lebensgeschichte des Räuber Kneissl verfilmte, drehte er jedoch nicht in der Heimat des Räubers im Landkreis Dachau, sondern in Niederbayern.

Auf einen eher vergessenen Film, der u.a. bereits 1981 in Dachau entstand, brachte mich ein Kollege aus dem Landratsamt: sein Bruder durfte bei den Dreharbeiten zu Didi Hallervordens „Ach du lieber Harry“ Zeuge sein, wie dieser halsbrecherische Stunts im Dachauer Krankenhaus vollbrachte.

Neben vielen weiteren Beispielen für Filme mit Bezug zu Dachau möchte ich zum Schluss noch eine nahezu unbekannte Rarität der Filmgeschichte erwähnen: einen Stummfilm aus dem Jahre 1922 des Regisseurs Richard Eichberg: „Monna Vanna“. Für diese dramatische Liebesgeschichte wurden unzählige Statisten, Menschen und Tiere im Dachauer Ortsteil Etzenhausen verpflichtet, um das Historienspektakel auf die Leinwand zu bringen. Der Arbeitskreis „Dorfgemeinschaft Etzenhausen“ hat dieses Ereignis wieder ins Bewusstsein gebracht. Vielleicht finden sich auch irgendwann mehr als minutenlange Schnipsel, um ihn nach 1922 wieder einmal auf die Leinwand zu bringen. Das hundertjährige Jubiläum des Drehs wäre dazu ein willkommener Anlass…

 

Das FOTO ist ein Ausschnitt aus einer Abbildung mit Statisten von „Monna Vanna“. Ich verwende es mit freundlicher Erlaubnis des Arbeitskreises Dorfgemeinschaft Etzenhausen. Auf S. 87 ihrer Chronik von 2012 findet man noch mehr Informationen zum Film.

 

Tatsächlich Liebe

Das Anschauen des Weihnachtsfilms „Tatsächlich Liebe“ ist eines der neueren Adventsrituale, die mein Mann und ich pflegen. In diesem Film wird auf amüsante Art die Partnersuche unterschiedlichster Menschen zu einem Ganzen verknüpft.

Wie ein Blick zurück zeigt, ging es auch schon früher in der Adventszeit nicht nur um das Warten aufs Christfest, sondern auch ums „Obandln“: „Bereits am ersten Tag der Adventszeit, dem Namenstag des Hl. Andreas (30.11.) glaubten heiratslustige Mädchen, dass der erste Bursche, dem sie am Andreastag begegnen, ihr zukünftiger Liebhaber oder Mann werde“, schrieb der Dachauer Brauchtumsforscher Robert Böck. Dieser und weitere sogenannte Orakelbräuche wurden, neben den Losnächten an Silvester und der Wintersonnenwende, an den Namenstagen der Heiligen Andreas und Thomas (21.12.) praktiziert. So konnte diejenige, die mehr über den Künftigen wissen wollte, am Thomastag einen Schuh oder – wie es aus Oberzeitlbach bei Altomünster überliefert ist – einen Pantoffel werfen. Es hieß, dass die Schuhspitze in die Richtung weisen würde, aus der er kommen würde. In Großberghofen und in Schluttenberg sollen Mädchen in den dunklen Hühnerstall gegangen sein und einer Henne eine Feder ausgerupft haben, um die Haarfarbe des Liebsten, hell oder dunkel auszumachen. Über die Körpergestalt sollten aus dem Feuer gezogenen Scheite Auskunft geben: groß, klein, gerade oder krumm. Auch die beim Bleigießen entstandenen Formen konnten Näheres über den Liebhaber aussagen. Wem dies noch zu vage war, der drosch vor dem ins Bettgehen abends auf den Strohsack ein und sprach: „Strohsack, i´tritt di´, Heiliger Thomas, i´ bitt´ di, laß mir erscheinen, mein´ Herzallerlieabst“ oder: „laß mi heut drama vo dem Mo, den i zum Altar führen ko“.

Die eine oder andere Verliebte schaute derweil täglich auf ihre am 4. Dezember, dem Barbaratag geschnittenen Obstzweige. Ein blühender Zweig an Weihnachten verhieß schon einmal einen nahenden Bräutigam. Wer den Zweigen die Namen der möglichen Kandidaten zuordnete, dem verriet der zuerst erblühte den Erwählten. Ob es dann auch „tatsächlich Liebe“ war – darüber schweigen die Quellen…

 

 

 

Mehr zum adventlichen Brauchtum im Dachauer Land wurde 2003 im Ausstellungskatalog des  Bezirksmuseums „Auf Weihnachten zu“ zusammengetragen. Dort ist auch Robert Böcks Aufsatz zum vorweihnachtlichen Brauchtum erschienen. Wilhelm Kaltenstadler widmete sich den Bräuchen im Altomünsterer Raum in der 1999 erschienen Ortschronik „Altomünster“ (Hg. Museums- und Heimatverein Altomünster mit Wilhelm Liebhart).

Das FOTO entstand bei einem Ausflug auf die Burg Trausnitz in Landshut.