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Hut ab!

Ja – jetzt wäre er eigentlich wieder zu Ehren gekommen: der historische Zylinder aus unserem Familienbesitz, ein Chapeau claque, der seit Jahrzehnten in seiner wunderschön gestalteten Hutschachtel auf den großen Auftritt wartet. Diesen hat er normalerweise bei der alle zwei Jahre stattfindenden Redoute im Dachauer Schloss, wohin ihn mein Mann als Kopfbedeckung ausführt. Heuer macht er allerdings Pause, weil der traditionelle Kostümball bereits im November letzten Jahres aufgrund der Pandemie abgesagt werden musste. Viele Gelegenheiten hat der Zylinder ja außerhalb dieses Balles nicht, um ins Licht der Öffentlichkeit zu treten.

Früher wurden Hüte jedoch häufiger getragen. Der schwarze und steife Zylinderhut mit fester Krempe entwickelte sich um 1780 aus hohen Hüten aus Wollfilz, die von englischen Adeligen als Reiterhut getragen wurden. Im 19. Jahrhundert avancierte er zu der Kopfbedeckung der Bürger und auch Frauen trugen ihn zum Reiten. Er wurde auch fester Bestandteil der Kleidung einiger Berufsgruppen wie der Kaminkehrer oder Kutscher und dies teilweise noch bis in unsere Zeit.

Heute wird der Zylinder nur bei außergewöhnlich festlichen Anlässen zusammen mit einem Cut oder Frack getragen. Aber viele verbinden ihn sicherlich auch mit dem Attribut eines Zauberkünstlers, der aus diesem Hut ein Kaninchen ziehen kann. Aus unserem Familienzylinder kann man keine flauschigen Hasen zaubern – jedenfalls will es bis heute noch nicht recht funktionieren. Aber der Moment des Aufklappens mit einem sanften „Plopp“ hat dennoch etwas magisches und stimmt uns auf rauschende Ballnächte in der Zukunft ein…

Das FOTO zeigt meinen Mann und mich bei der letzten Redoute 2019 im Dachauer Schloss. Die Eintrittskarte zu diesem Ball zierte übrigens auch ein Paar, das Hüte trug. Als Vorlage diente ein Scherenschnitt von Martin Off aus Dachau.

 

 

 

 

Brandaktuell…

„Bratwurst mit Sauerkraut!“ an die sonore Stimme des Erzählers auf der Lieblingsschallplatte meiner jüngeren Schwester erinnere ich mich auch heute noch sehr gut. Sie erzählte vom Räuber Hotzenplotz, der sich unerlaubterweise das Lieblingsessen von Kasperl und Seppl bei der Großmutter einverleibte. Der zuvor im „Spritzenhaus“ inhaftierte Räuber hatte seinen Aufpasser Wachtmeister Dimpflmoser getäuscht und überwältigt, ihm die Uniform geraubt und ihn mit einem Feuerwehrschlauch gefesselt. „Spritzenhäuser“ waren damals, als die Geschichte spielt, nämlich nicht nur Aufbewahrungsorte für die Feuerspritze und Wasserschläuche der Feuerwehr, sondern dienten auch als Gefängnisse.

Einige Jahrhunderte zuvor waren die einzelnen Bürger selbst für das Löschen der Brände zuständig. In Dachau war es sogar eine der Voraussetzungen um überhaupt das Bürgerrecht zu erwerben: man musste einen Feuerkübel mitbringen. Eine Vorstellung davon gibt ein ledernes Exemplar aus dem 18. Jahrhundert im Bezirksmuseum Dachau. Damit ein Brand erst gar nicht entstehen konnte, waren Schutzmaßnahmen durch eine „Feuerordnung“ geregelt. Häuser sollten nur mit Ziegel- oder sogenannten „Schlierdächern“ (Lehm und Stroh) gedeckt werden und der Rat, der Marktschreiber und der Kaminkehrermeister kontrollierten zweimal jährlich die Feuerstätten. Dennoch ereigneten sich verheerende Großbrände, gerade in den ländlichen Gemeinden im Dachauer Land, wo die landwirtschaftlichen Anwesen noch häufig Strohdächer hatten. So in Großberghofen 1823, wo ein in Brand geratener Backofen das schnell um sich greifende Feuer auslöste und nahezu alle Bauernhöfe brannten – eindrücklich in einem Modell im dortigen Heimatmuseum dargestellt. Zwanzig Jahre später wütete in nahen Arnbach (1845) ebenfalls ein Großbrand.

Solche Ereignisse trugen maßgeblich zur Entstehung der ortsansässigen Feuerwehren bei. In Altomünster und Dachau wurden die Vereine im Jahr 1869 offiziell gegründet – wobei wohl in Altomünster bereits im 18. Jahrhundert eine Wehr bestand, wie in der Ortschronik stolz berichtet wird. Anfangs war die Ausrüstung mit Feuerkübeln, Feuerleitern und Feuerhacken noch einfach. Im Laufe der Jahre kamen immer mehr Pumpen, Spritzen und Gerätschaften hinzu. Heutzutage verfügt die Feuerwehr über modernste Geräte, die nicht nur zur Brandbekämpfung eingesetzt werden, sondern auch bei der Rettung und dem Schutz von Menschenleben bis hin zu technischen Einsätzen benutzt werden. Von „Spritzenhaus“ kann deshalb heutzutage nicht mehr die Rede sein.

150 Jahre nach ihrer Gründung haben die Feuerwehren in Dachau und Altomünster ihr Jubiläum gefeiert. Es gab Vorführungen, Vergnügungen und auch etwas zum Essen – vielleicht standen auch Bratwürste auf der Speisekarte…

Was die Pflichten eines angehenden Bürgers in Dachau anbelangt verweise ich auf August Kübler: Dachau in verflossenen Jahrhunderten, Dachau 1928, Neudruck 1981, S. 222. Der Feuerkübel im Bezirksmuseum ist auch im 11. Band der Kulturgeschichte des Dachauer Landes „Bezirksmuseum Dachau“ auf S. 24 abgebildet. Das BLOGFOTO zeigt ein altes Feuerwehrspielauto meiner Kinder.

Mit diesem Beitrag gratuliere ich allen Feuerwehren im Landkreis Dachau, die in diesem Jahr Jubiläum feiern! Weiterhin bedanke ich mich bei meiner Heimat-Feuerwehr, dank deren Hilfe ich heute nach einer längeren Auszeit wieder im Dienst sein kann.

 

 

 

 

Haaatschi!!!

Es könnte so schön sein: es ist warm, die Blumen und Gräser blühen, die Natur lockt zum Verweilen im Freien. Wenn da nicht die Pollen wären, die bei empfindlichen Allergikernasen ein kräftiges „Haaatschi!!!!“ auslösen.

Viele greifen da schnell zu einem Taschentuch, das aus einer Plastikverpackung gezogen wird. Vielleicht nehmen sie auch ein Baumwoll-Taschentuch aus der Schublade? Eher unwahrscheinlich. Das Stofftaschentuch ist inzwischen aus der Mode gekommen. Was die Hygiene anbelangt, hat ihm das Papiertaschentuch eindeutig den Rang abgelaufen.

Das war nicht immer so. Erstmals taucht das textile Taschentuch bei den Römern auf, die es je nach Form als Schweißtuch, Serviette oder auch Tuch zum Schneuzen der Nase benutzten. Über das Mittelalter bis in die Neuzeit hinein war es dann vor allem ein Statussymbol des Adels und des Klerus. Kein Wunder, dass diese Taschentücher aus feinstem Material wie Leinenbatist oder Seide waren, für Damen reich verziert, mit Spitzen oder Perlen bestickt. Ab dem 18. Jahrhundert sind dann die ersten bedruckten Taschentücher bekannt. Im 19. Jahrhundert benutzten dann auch  Bürger und Bauern baumwollene Tücher.

Im 20. Jahrhundert tritt dann das Papiertaschentuch seinen Siegeszug an: 1929 wird das erste Warenzeichen für ein Taschentuch aus reinem Zellstoff  in Nürnberg mit dem Namen „Tempo“ eingetragen – bis heute in Deutschland der Inbegriff des Taschentuchs. In Amerika setzte sich hingegen die Bezeichnung „Kleenex“ durch.

Das „Sacktüchel“ wird heute immer noch gerne als Schnupftuch, modisches Einstecktuch oder bei traditionsbewussten Bayern als „Bschoadtüchel“ verwendet. Wenn sich allerdings ein eindeutiges Kitzeln in der Nase einstellt, dann wird wohl zum bewährten Papiertaschentuch gegriffen. Wie auch immer – in jedem Fall wünsche ich : „Gesundheit!“.

 

 

Dieser Blogbeitrag ist Gabriele Donder-Langer gewidmet, die 1999 mit der Ausstellung „Menschen, Nasen, Taschentücher“ Grundlagenforschung zur Kulturgeschichte des Taschentuchs geleistet hat. Er ist gleichzeitig ein Dank für ihre Arbeit als Heimatforscherin, Archivarin und Museumsbeauftragte in Haimhausen.

Das FOTO zeigt eine Auswahl aus meiner Taschentuchsammlung, zu der auch ein gehäkeltes Beutelchen gehört. Es wurde mir von einer meiner Großtanten geschenkt, damit ich mein schönes Ausgeh-Taschentuch geschützt in der Handtasche mitnehmen konnte.