Schlagwort: Landkreis Dachau

Beim Jaga

In Altomünster in der Pipinsrieder Straße gibt es eines der seltenen Beispiele für eine Fassadenmalerei im Landkreis Dachau: ein Jäger mit angelegtem Gewehr und begleitendem Jagdhund vor einem Baum (s.u.). Das Bild erinnert daran, dass hier früher das Haus „Beim Jaga“ stand. Im 19. Jahrhundert schmückten die Fassade ein auf einen Hirsch schießenden Jäger – das Bild ist ebenfalls im Anhang. Dabei handelte es sich um Mörtelplastiken, die der in unserem Landstrich bekannte Maurer Bartholomäus Ostermair (1837-1899) geschaffen hatte. Bei der Sichtung seines Werks für einen Vortrag fand ich eine Abbildung des Hauses, die mich neugierig machte. Ostermair, der künstlerisch veranlagte Maurer aus Metzenried im Landkreis Schrobenhausen, hatte auf der Stör, d.h. als wandernder Handwerker, die umliegenden nahen und auch ferneren Dörfer bereist und dort Arbeit angenommen. Dazu gehörte neben der „klassischen“ Tätigkeit als Maurer auch das Anfertigen sogenannter „Mörtelplastiken“, die er aus einer Gipsmischung mithilfe von Gewebe und Holzleisten formte. Vor allem an Ställen sind seine Bauernheiligen und lebendig gestalteten Tiere noch zu sehen. Treuherzig schauende Kühe, munter ausschreitende Pferde, Fuhrwerke mit gemütlichem Kutscher, Heilige wie Florian, Leonhard oder Georg. Aber ein auf ein Reh zielender Jäger? An einem Haus in Altomünster? Leider ergaben die Nachforschungen, dass das Relief unwiederbringlich beim Neubau eines Hauses Mitte der 60er Jahre abgebrochen wurde. Und woher kam die Idee, einen Jäger auf der Fassade zu zeigen? Diese Frage ließ sich einfach lösen: der Sohn des Bartholomäus Ostermair hatte die Altomünsterer Jägertochter geheiratet, sodass der Vater wohl eine Plastik für deren Wohnhaus stiftete.

Am ehemaligen Jägerhaus ist auch heute noch der eingangs genannte Jäger auf der Pirsch dargestellt. Geht man ein paar Straßen weiter, trifft man auf eine weitere „Plastik“ (im wahrsten Sinne des Wortes aus Plastik), die in einem Privatgarten steht. Hier wird die Jägergeschichte fortgeschrieben: der Waidmann und sein Dackel scheinen nach getaner Arbeit auf dem Nachhauseweg zu sein. Der begleitende Igel hat sich bereits ein Pfeifchen angesteckt und das Reh mit Kitz im nahen Gebüsch schaut entspannt aus der Ferne zu. Es ist nicht in Gefahr. Hier herrscht neben einem großen einladenden Gartensessel schon Feierabendstimmung beim Jaga…

 

FOTOS: Birgitta Unger-Richter bis auf Jagahaus von 1912. Herzlichen Dank an den Besitzer der Jäger-/Igel-/Rehfiguren für die Erlaubnis die Fotos zu veröffentlichen. Das historische Foto verdanke ich Ernst Graf aus Altomünster, ebenfalls Zusatzinformationen von Alto Gruner zum Haus „Beim Jaga“. Vielen herzlichen Dank auch dafür!

Mehr über Bartholomäus Ostermair ist in der umfangreichen Monografie von Xaver Ostermair, erschienen 2020, zu erfahren. Dort finden sich zahlreiche Abbildungen der phantastischen und phantasievollen Darstellungen. Auch im Artikelarchiv des Amperlandes wird man fündig bei Josef Bogner: Bäuerliche Mauerplastiken in Amperland, 1967, S.71-75 und ders. in Amperland 1970, S. 17. Ein Standardwerk ist Robert Böck: Mörtelplastiken im nordwestlichen Bayern. In: Bayer. Jb. für Volkskunde, München 1959.

Das „Jagahaus“ in einer Aufnahme von 1912 (Archiv Ernst Graf) und heute. Das Reh mit Kitz befindet sich im gleichen Garten wie der gemütliche Jäger mit Igel.

 

Jaga Anwesen 1912
Mörtelplastik, Detail, 19. Jh.
Jäger auf der Pirsch am Neubau der 60er Jahre
Fassadenmalerei der 60er Jahre am heutigen „Jägerhaus“
Reh mit Kitz in einem Garten in Altomünster

 

 

Endlich Ferien!

Endlich Ferien! Das dürfte auch Mathias Kneißl ausgerufen haben, als das Schuljahr 1888 in Sulzemoos zu Ende ging. Der dortige Lehrer Wagner hatte in sein Jahreszeugnis geschrieben: „Für die Schule sind seine Fähigkeiten nicht verwendbar… Schulbesuch sehr mangelhaft…“

Damals wie heute werden die „großen“ Ferien gleichermaßen von Lehrern wie Schülern herbeigesehnt. Bereits nach der Einführung der allgemeinen Schulpflicht im Jahr 1802 dauerte die Schule von September bis zum Sommer. Allerdings hatten Schüler damals keine „richtigen“ Ferien, d.h. Zeit zum Nichtstun, Erholen und Entspannen, sondern wurden bei der Ernte gebraucht. Und von ausgiebigen Weihnachts-, Faschings-, Oster- und Herbstferien konnten sie nur träumen.

Was aber bis heute gleichgeblieben ist, ist die Ausgabe von Leistungsnachweisen. Diese hatten bereits die Jesuiten im 16. Jahrhundert in ihren kirchlichen Lehreinrichtungen eingeführt.

Auch der 1875 geborene Schüler Mathias Kneißl erhielt am Ende seiner Schuljahre Beurteilungen und Zeugnisse, die sich bis heute erhalten haben. In Unterweikertshofen stellte Hauptlehrer Hindinger zu Beginn seiner Schulzeit durchaus noch gute Leistungen fest und für das Fach Musik: „… Versteht jetzt schon die Harmonika besser zu handhaben als das Lesebuch und spielt zur Belustigung und Vergnügen der Großen auf…“. Wurde hier zumindest noch seine musikalische Begabung erkannt, so erhielt er nach dem Umzug in die Schachenmühle bei Sulzemoos nur noch negative Beurteilungen: „Vom Fleiß nur wenige Spuren vorhanden. Das sittliche Betragen kann in keiner Weise gelobt werden.“ 1887 attestierte ihm Lehrer Wagner gar „grenzenlose Faulheit“. Und Kneißl glänzte wohl mehr durch Abwesenheit als durch regelmäßigen Schulbesuch, wie das eingangs genannte Zitat zeigt.

Vielleicht wäre Mathias Kneißl lieber zur Schule gegangen, wenn er die heimelige Schulhütte in Sulzemoos gekannt hätte, die im Rahmen des Räuber-Kneißl-Radweg eingerichtet wurde? Dort kann man sich in entspannter Atmosphäre in alter Schrift üben, Dokumente entziffern und das Sitzen in einer alten Schulbank ausprobieren. Und wer sich für das Leben des Mathias Kneißl interessiert, erfährt mehr über ihn in Hörstationen und auf Informationstafeln. Vielleicht ein Tipp für einen Ausflug in den nächsten Wochen – schließlich sind ja jetzt endlich Ferien!

 

FOTO: Birgitta Unger-Richter, Blick in die Schulhütte in Sulzemoos

Noch ein Tipp: Aber auch in Großberhofen im dortigen Hutter-Museum und im Heimatmuseum in Karlsfeld gibt es eine Schulecke. Und im Rahmen der Artikelserie der Geschichtswerkstatt in den Dachauer Nachrichten erschien am 11. Juli 2024 ein Beitrag von Annegret Braun zur Schulzeit Mathias Kneißls. 

 

Per Express am Vatertag

Christi Himmelfahrt – nein Vatertag! Der christliche Feiertag, ein Hochfest in der katholischen Kirche, ist heutzutage vor allem als Festtag der Väter bekannt und wird entsprechend gefeiert. Warum diese beiden Ereignisse zusammenfallen, ist nicht geklärt. Vielleicht, weil der Termin zeitnah zum Muttertag am zweiten Sonntag im Mai liegt?

1910 organisierte die Amerikanerin Sonora Louisa Dodd den ersten Vatertag als Anerkennung für die Leistung ihres Vaters William Smart, der im Sezessionskrieg (1861-1865) gekämpft hatte. Nach dem Tod seiner Frau hatte er sich allein um die sechs gemeinsamen Kinder gekümmert. Seine Tochter rief dazu auf, diesen Tag mit Gottesdiensten, Geschenken und gut zubereiteten Speisen zu begehen, wie die Brauchexperten von Brauchwiki berichten. Fortan wurde er in den Vereinigten Staaten im Juni gefeiert. In Deutschland wurde der Vatertag ab 1931 durch einen Herrenausstatter eingeführt: er warb mit dem Slogan und der Aufforderung „Schenkt Krawatten!“ zum Vatertag.

Übrigens feiern an diesem Tag nicht nur Väter. Männer jeglichen Alters nutzen den meist warmen und sonnigen Maitag für einen Ausflug mit dem Rad oder zu Fuß, meist gut versorgt mit Getränken, die auch manchmal im Anhänger oder Bollerwagen mitgeführt werden.

Im Landkreis Dachau fährt an diesem Tag der „Glonntal-Express“, und das seit nunmehr über 55 Jahren! Der von einer verdeckten Gärtnerfräse bewegte Wagen besteht aus einem „Tankwagen“ und einem „Schlaffwagen“ und war ursprünglich für den Dachauer Kinder-Volksfestzug 1968 gebaut worden. Mit diesem Züglein fahren die Mitglieder des Vereins „Freunde des Vatertags“ an ihrem Festtag durch den Landkreis Dachau und lassen es sich gut gehen. Und wenn der Minizug eine große Steigung zu bewältigen hat, dann steigen die Väter auch mal aus, um die Fräse zu entlasten. Es geht gemächlich und entschleunigt durchs Land. Der „Express“ ist kein Schnellzug, sondern vielmehr ein liebevoll blumen- und fähnchengeschmückter Bummelzug.

 

FOTOS: Vielleicht fährt der „Express“ ja auch bei ihnen vorbei – mein Mann konnte ihn im letzten Jahr in Kleinberghofen sehen und fotografieren.

(K)ein Busserl für den Herrn

Hl. Gräber erleben eine Renaissance! Bereits im letzten Jahr konstatierte der Brauch-Referent beim Landesverein für Heimatpflege, Michael Ritter, dass „die Kulissen für diese Inszenierungen ( …) vielerorts auf Dachböden entdeckt, entstaubt und wieder aktiviert“ würden. Auch im Landkreis Dachau kann man während der Kartage vielerorts in katholischen Kirchen wieder Hl. Gräber aufsuchen.

Am Karfreitag beginnt nach dem Beten des Kreuzweges und der Station „Der hl. Leichnam Christi wird in das Grab gelegt“ die Grabesruhe Christi. Bis zur Säkularisation 1803 wurde in vielen bayerischen Klöstern die Grablegung in einer feierlichen Prozession nachvollzogen. Heute verweisen die erhaltenen Gräber auf dieses szenische Nachvollziehen des Evangeliums.

Als Schulbub durfte der ehemalige Lehrer und Landtagsabgeordnete Blasius Thätter beim Aufbau des Hl. Grabes in seinem Heimatort Großberghofen mithelfen, wie er in seinen 2009 veröffentlichten Erinnerungen „Das Milchholen“ festhielt. Bereits am Morgen des Gründonnerstags wurde der Kirchenraum abgedunkelt, die Altäre verhüllt und das Grab aufgestellt. Die vom Mesner vorgefertigten Tafeln aus Holz wurden in die Kirchenfensteröffnungen gehängt. Die Ritzen verstopften die Buben mit Moos, damit kein Licht mehr in die Kirche fiel. Die Glaskugeln für die Beleuchtung waren mit gefärbtem Wasser gefüllt, das durch Ostereierfarben seine Farbe erhielt. Für den Aufbau hatten „andere Buben … zusammen mit dem Mesner im Altarraum ein zwei Meter hohes Holzgestell mit einer Plattform aufgebaut. Eine schmale Treppe führte hinauf. Links und rechts vom Gestell fügten sie gerade hohe Stellwände ein, die mit Leinwand bespannt waren. Auf deren Fläche waren die Marmorwände, waren die Palmbäume aufgemalt. (…) Nun wurde vorn in der Mitte das heilige Grab dazu gestellt, das aus Holz gefertigt und ebenfalls marmoriert war…“. Bis das Grab mit Verdunkelung aufgebaut war, erinnert sich Blasius Thätter, sei ein ganzer Tag vergangen.

Bereits als kleiner Bub war er vom Hl. Grab beeindruckt: „Die Kirche war völlig abgedunkelt gewesen. Nur im Altarraum strahlten viele Lichter in verschiedenen Farben. Allmählich gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit und ich erkannte, dass vorne ein steinernes Grabgewölbe aufgebaut war, welches den ganzen Altarraum ausfüllte und von den bunten Lichtern umrahmt war…“. Er erzählt weiter, dass der schmerzhafte Rosenkranz gebetet wurde und er am Ende des Kirchenbesuchs aufgefordert wurde, es wie die Mutter zu machen und die Wunden des Gekreuzigten an Händen, Füßen und am Herzen des Heilands zu küssen: „Komm Bub, knie dich hin, tu den Himmelvater schmatzen! Mach es so wie ich.“. Dieser Brauch ist noch als „Himmelvaterschmatzn“ in Petershausen und als „Herrrgott-Abbusseln“ in Röhrmoos bekannt. Heute wird er meines Wissens nicht mehr ausgeübt – kein Busserl für den Herrn!

 

FOTO: Birgitta Unger-Richter, Das Hl. Grab im Museum in Großberghofen.

Wer Hl. Gräber aufsuchen möchte: im Großberghofener Hutter-Museum ist am Karfreitag geöffnet. Dort befindet sich das dauerhaft installierte Hl. Grab des Ortes. In Langenpettenbach ist es im rechten Seitenschiff aufgebaut, in Hirtlbach und in den Klosterkirche Markt Indersdorf gibt es ebenfalls Hl. Gräber. Weitere Aufstellungen werden in der Tagespresse veröffentlicht. Hintergrundinformationen bietet u.a. ein Beitrag von Fabian Brand über die Tradition der Heiligen Gräber.

 

 

 

„Sie hupen – wir trinken“ …

… stand auf einem Schild am Straßenrand, das ich bereits zweimal im Landkreis Dachau sah. So ließ sich ein Geburtstagskind von den vorüberfahrenden Autofahrern feiern, indem es bei jedem Hupton mit seinen Mitfeiernden anstieß.

Ein neuer Brauch? Ich bin mir nicht sicher, ob das auch weiter verbreitet ist und als „Brauch“ bezeichnet werden kann. Bräuche nennen wir ja immer wiederkehrende Ereignisse, die zu bestimmten Gelegenheiten immer gleich begangen werden – also keine einmaligen oder seltenen Ereignisse.

Ein Brauch im Dachauer Land ist aber auf jeden Fall das Aufstellen von Bäumen anläßlich eines runden Geburtstages. Diese ähneln den Bäumen, die andere freudige Ereignisse begleiten: der Maibaum stimmt auf den Frühling ein, der Hochzeitsbaum auf die traute Zweisamkeit, der Geburtsbaum feiert einen neuen Erdenbürger. Immer handelt es sich um einen geschälten Baumstamm, oftmals weiß-blau bemalt mit begleitenden Schildern. Den Maibaum ziert häufig ein Kranz, den Hochzeitsbaum manchmal ein Brautpaar oder Herz und auf die Geburt eines Kindes macht gerne ein Storch aufmerksam.

Bei den Geburtstagsbäumen hingegen, bildet das aus dem Straßenverkehr bekannte rot umrandete runde Schild mit der Geburtstagszahl den oberen Abschluss. An sich ist dies eher ein Verbotsschild, das mit einer Zahl die Höchstgeschwindigkeit anzeigt. Woher wohl dazu die Idee kam? Ich habe bisher keine Antwort darauf.

Auf den Schildern darunter sind Hinweise auf Hobbies und Vorlieben des Geburtstagskindes angebracht wie das Lieblingsessen oder (Fußball-)Vereine. Auf dem abschließenden unteren Schild eines Baumes wird alles Gute gewünscht und häufig zu einem Umtrunk mit Essen ein Jahr nach dem Geburtstag aufgefordert – wenn der Baum wieder abgebaut wird. So wird bei diesem Brauch gegessen und getrunken – ohne dass man durch Hupen aufgefordert wird.

FOTO: Unger-Richter, Baum in Eisenhofen

Haben sie eine Idee, woher das runde Verbotsschild kommen könnte? Ich freue mich über ihre Kommentare und Anregungen! 

 

Das kommt in die Tüte

Schulanfang – Schultütenzeit! Und was kommt in die Tüte? Früher zeigte schon die Bezeichnung „Zuckertüte“, dass vor allem Süßes darin zu finden war. Bereits 1817 wird berichtet, dass einem Schulanfänger eine „Tüte Konfekt“ mitgegeben wurde. Rund hundert Jahre später erzählte Albert Sixtus in seinem Buch „Der Zuckertütenbaum“ (1920) die Geschichte von einem Baum, an dem im Keller der Schule Zuckertüten wachsen. Wenn diese reif seien, dann sei es für die Kinder Zeit, in die Schule zu gehen.

Eine Geschichte, die mir neu war. Kein Wunder, denn dieser Brauch kam erst relativ spät in den Süden der Bundesrepublik. Er hat seine Wurzeln im protestantischen Osten in Thüringen, Sachsen und Schlesien, wie der Volkskundler Hermann Bausinger herausfand. Dort gab es auch ab 1910 die erste industrielle Produktion von Zucktertüten bei der Firma Nestler im Erzgebirge. In den katholischen Süden kam die hier als „Schultüte“ bezeichnete Tüte erst ab den 50er Jahren mit dem Wirtschaftswunder, zunächst in den Städten und später auf dem Land.

Wissen sie noch, was in ihrer Schultüte war? Meine Schwester, die auf dem Foto aus den 70er Jahren abgebildet ist, meint, dass sie Buntstifte oder Wachsmalkreiden neben Süßem erhalten habe.

Das scheint auch heute noch der Brauch zu sein: Nützliches für den Schulanfang und etwas zum Naschen, um den jetzt beginnenden „Ernst des Lebens“ zu versüßen. Und dann wird heutzutage nach dem ersten Schulbesuch auch mit Eltern, Geschwistern und häufig auch den Großeltern bei Kaffee und Kuchen oder mit einem Restaurantbesuch das Ereignis gefeiert. Manchmal gibt es dann nicht nur eine Tüte, sondern gleich mehrere.

Die „offizielle“ Schultüte wird dabei häufig von den Müttern oder Vätern bereits im Kindergarten gebastelt: rund oder vieleckig mit Motiven wie Märchenfiguren, Astronauten, Comicfiguren, Pferden, Feen – je nach Vorlieben des Schulanfängers. Oben wird sie mit einem Krepppapier oder Stoff zugebunden, sodass man den Inhalt nicht sehen kann. So bleibt die Spannung bis nach dem ersten Schulbesuch bestehen: was wird wohl in der Tüte sein? Buntstifte, Radiergummi, Trinkflasche, Brotzeitbox und auch, wie mir mitgeteilt wurde, manchmal ein Handy und natürlich Süßes, heutzutage häufig gesundheitsbewußt mit weniger Zucker.

Auf jeden Fall stecken in jeder Tüte Dinge, die mit den Augen nicht zu sehen sind. Es sind die guten Wünsche, die alle Eltern ihren Kindern mitgeben: Freude am Lernen, eine nette Klassengemeinschaft und eine verständnisvolle Lehrkraft. Meine Nichte wird übrigens als frischgebackene Lehrerin im Herbst ihr Referendariat beginnen und von ihrer Mutter (auf dem Foto) eine Schultüte erhalten. Ihr und allen Schulanfängern wünsche ich einen guten Start ins Schulleben!

 

FOTO: Dank an meine Schwester für ihr Einschulungsfoto, das ein Schulfotograf gemacht hat. Er brachte eine Schultüte mit Figuren mit und legte eine Fibel vor sie auf den Tisch.

Weitere Informationen zur Schulttüte lieferte Brauchwiki mit weiterführender Literatur und ein Beitrag auf der Webseite des mdr. Wer als Lehrkraft neu im Landkreis Dachau ist, ist herzlich zu einer „Schnuppertour“ mit der Kreisheimatpflegerin am 28. September eingeladen. Bei der nachmittäglichen Busrundfahrt können sie Kunst, Kultur und viele Ansprechpartner kennenlernen. Anmeldungen erfolgen über FIBS.

 

 

 

 

 

 

Übelmanna sixt nit gern in Hausen

Welch schöne und unsinnige Sätze man doch aus kurios klingenden Ortsnamen bilden kann!

Hinter der Überschrift verbergen sich die Orte Übelmanna (Altomünster), Sixtnitgern (Odelzhausen) und Inhausen bei Haimhausen im Landkreis Dachau.

Der erstgenannte Ort erhielt seinen Namen wohl als Spottname und bei „Sixtnitgern“ scheint sich eine umgangssprachliche Redensart im Laufe der Zeit verändert zu haben. Inhausen gehört zu einer Gruppe von Ortsnamen, die ihre Bezeichnung von den Anfängen der Besiedlung im Mittelalter erhalten haben und mit „haus“ oder „hof“ enden. Die Gründer der Siedlungen stehen am Anfang wie in Inhausen (Unno) oder Odelzhausen (Otolt), Haimhausen (Haimo) oder Deutenhofen (Tito). Vielfach wird darauf Bezug genommen, dass vor dem Besiedeln zunächst Wälder gerodet werden mussten. Darauf verweisen Namen wie „Brand“ oder „-ried“ wie in Mannried, Stachusried oder schlicht Ried.

Wohnten dann also in Mannried nur Männer und in Frauenhofen ausschließlich nur Frauen? War auf dem Teufelsberg wahrhaftig der Leibhaftige zu Hause? Gruselte man sich in Schauerschorn besonders? Hier sind sicherlich Zweifel angebracht. Man könnte schließlich auch meinen, dass es in Sittenbach besonders brave Bürger gab oder in Pfaffenhofen viele Geistliche ansässig waren, obwohl der Ort nicht in der Nähe von einer besonders frommen Siedlung namens Vierkirchen liegt. Gartenliebhaber würde man eher in Gartelsried vermuten, Dachse in Daxberg? Sicherlich fühlen sich Bewohner in Miesberg auch wohl, wenn auch der Dachauer Ortsteil „Neuhimmelreich“ vielversprechender klingt.

Bei manchen Namen bleibt die eindeutige Herleitung trotz Bemühungen von Forschern im Verborgenen. Dass „üble (schlechte) Männer in Inhausen nicht gerne gesehen werden“ wie mein Blogtitel lautet, ist aber auf jeden Fall ein rechter „Schmarrn“ – was nicht nur die Einwohner von Schmarnzell bekräftigen würden.

 

Foto: Scrabble einmal anders mit Ortsnamen.

Hätten sie es gewusst?

  • Mannried geht auf einen Gründer namens „Man“ zurück.
  • Frauenhofen bezieht sich auf das nahegelegene Kloster in Indersdorf „Zu unserer lieben Frau“. 
  • Teufelsberg ist der Berg des Teufelhard (Name).
  • Schauerschorn ist eine Einöde, die 1260 in einem Grundbuch des Kloster Altomünster als „Schuochshornn“ bezeichnet wird, eventuell hatte diese die Form eines Schuhs.
  • Sittenbach liegt am Bach des Sito (Name).
  • Pfafffenhofen: Tatsächlich scheint es hier mehrere Höfe von „Pfaffen“ – gleichbedeutend mit Geistlichen – gegeben zu haben.
  • Vierkirchen kommt von „Foehren“ und hat nur eine Kirche, wenn auch eine sehr bedeutende.
  • Gartelsried: Hier war wahrscheinlich derjenige, der hier rodete, ein gewisser „Cartheri“ (um 1000 ist der Ort als  Gartherisreot“ bekannt).
  • Daxberg ist ein Berg mit Eiben.
  • Miesberg: Mit „Mies“ ist ein Moos oder Sumpf gemeint.
  • Neuhimmelreich ist  der Name für eine Mooskolonie, benannt nach einem alten Geländenamen „Himmelreich“ (hoch gelegenes und ertragreiches Flurstück). 
  • Schmarnzell: Klosterhof auf lehmigem Grund.

Mehr zu den Ortsnamen findet man in:  „Die Gemeinden des Landkreises Dachau“, Bd. 2 der Kulturgeschichte des Landkreises Dachau, die 1992 in mehreren Bänden im Bayerland-Verlag erschien. Auch beim Verband für Orts- und Flurnamenforschung erfährt man mehr über die Herkunft der Namen.

Wenn „Hemd und Hose“ am Kirchturm flattern…

Wofür steht eine rot-weiße Fahne am Kirchturm? So eine im Volksmund kurz „Zachäus“ genannte „Zachäusfahne“, bezieht sich auf den Zöllner Zachäus, von dem im Lukasevangelium berichtet wird, dass er auf einen Baum gestiegen sei, um Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem besser sehen zu können (Lk 19, 1-10). Die Legende berichtet, dass Zachäus eine rote Hose und ein weisses Hemd getragen habe, die dabei zerrissen seien.

Am dritten Sonntag im Oktober wird im Evangelium von der Begegnung des Zachäus mit Jesus erzählt. An diesem Sonntag wird auch das allgemeine Kirchweihfest gefeiert, weshalb die rot-weiße Fahne für diesen Festtag steht. Bevor dieser verbindliche Termin für die Feier von Kirchweih festgelegt wurde, feierte man die Weihe der Ortskirchen ganz individuell. Man kann sich vorstellen, dass bei der großen Anzahl an Kirchen praktisch das ganze Jahr über irgendwo eine Kirchweih war. Und eine Kirchweih wurde nicht nur an einem Tag begangen – nein – man feierte meist ausgelassen gleich mehrere Tage. Das war schließlich der Obrigkeit ein Dorn im Auge, sodass nurmehr der dritte Sonntag im Oktober als Kirchweih-Feiertag festgelegt wurde.

Kirchweih war schon immer ein Dorf- und Familienfest. Es wurde üppig gegessen und getrunken, es gab Tanz und Unterhaltung und Märkte wurden abgehalten. Und heute? Gasthäuser, auch bei uns im Landkreis Dachau, bieten häufig das traditionelle Festtagsgericht mit Gans, Knödel und Blaukraut an. Im Bezirksmuseum kann man manchmal eine Kirtahutschn (ein langes Brett, das an Seilen aufgehängt wird) ausprobieren. In Bäckereien und Cafés werden Kirtanudeln angeboten. In Petershausen und Altomünster laden Kirchweihmärkte zum Bummeln und Einkaufen ein. An manchen Orten gibt es einen Kirchweihtanz. Und dann weht da noch der „Zachäus“ am Kirchturm – schauen sie doch mal nach oben…

 

Foto: Zachäusfahne in Thalhausen

Einen Kirchweihtanz bietet z.B. der Pfarrgemeinderat Großinzemoos am Vorabend von Kirchweih an. Zachäusfahnen habe ich bisher in Indersdorf und Thalhausen entdeckt. Wenn sie noch einen weiteren Ort im Landkreis Dachau wissen, dann ergänze ich gerne meine Liste.

 

 

Rücke vor bis zur Schlossallee!

So lautet eine der Botschaften auf einer Ereigniskarte bei „Monopoly“, der man immer gerne nachkommt. Nach dem Passieren dieser Straße wartet nämlich als Belohnung eine Auszahlung für die nächste Runde, die beim weiteren Kauf von Straßen und Immobilien äußerst nützlich sein kann.

Das 1904 erfundene Spiel wurde in Deutschland ab 1935 aufgelegt und erfreut sich bis heute größter Beliebtheit. Es gibt aber immer wieder auch Kritik, weil man Monopoly  (hergeleitet von Monopol) auch als Paradebeispiel für den Raubtierkapitalismus sehen kann, mit dem moralisch fragwürdigen Ziel, den Gegner in den Ruin zu treiben.

Als Heimatpflegerin finde ich das Spiel interessant, weil es auch ein Beispiel für die gängige  Wahl von Straßennamen darstellt. In der bis heute bekannten Version von 1953 gibt es die Benennung nach markanten Gebäuden, der Topografie, Städten oder klassischen Dichtern wie Goethe und Schiller – so wie es auch in Städten seit dem 19. Jahrhundert der Fall war.

Auf dem Land wurden Straßenbenennungen vermehrt erst nach dem 2. Weltkrieg eingeführt, als die Dörfer stetig wuchsen und die bisherige Hausnummerierung nicht mehr ausreichte. Neubausiedlungen erhielten dann oftmals thematisch zusammengehörende Bezeichnungen nach Blumen, Bäumen, Künstlern oder lokalen Persönlichkeiten.

In Haimhausen hat jetzt die dortige Heimatforschergruppe ein Buch mit Straßennamen zusammengestellt. Anläßlich des 1250-jährigen Gründungsjubiläums des Ortes machte sich das Autorenteam daran, die Geschichte hinter den Straßenbezeichnungen zu erforschen. Dabei entstand ein äußerst vergnügliches, gut lesbares Heimatbuch, bei dem man viel über die örtlichen Gegebenheiten und Personen erfährt. Besonders im Gedächtnis blieb mir die „Gräfin-Monts-Straße“: Gräfin Monts war zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine der ersten Automobilbesitzerinnen im Landkreis Dachau. Und in der „Sonnenstraße“ wohnte der Maler Max Bergmann, der hier 1912 Besuch vom berühmten Künstler Marcel Duchamp erhielt, der als Erfinder des „Ready-mades“ gilt und seinem Freund auch ein solches schenkte.

Und dann ist da noch die „Alleestraße“ – wenn sie auf dieser Straße in den Ort fahren, kommen sie direkt zum Haimhauser Schloß. Geld erhalten sie dafür allerdings nicht. Dafür werden sie mit dem Blick auf ein barockes Juwel belohnt, das François Cuvilliés im 18. Jahrhundert entwarf.

Das Haimhauser Schloß ist heute eine internationale Schule und bei öffentlichen Veranstaltungen zugänglich. Das Straßenbuch ist über das Heimatmuseum Haimhausen erhältlich. Dass die Benennung von Straßen auch reichlich Konfliktstoff bieten kann, zeigt die Veröffentlichung des Deutschen Städtetages, der dazu eine Handreichung herausgegeben hat. Damit bezieht er auch Position zu Diskussionen um Benennungen von Straßen nach Persönlichkeiten, die heute kritisch hinterfragt werden.

FOTO: Birgitta Unger-Richter

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was riecht bayerisch? – Frag den Heimatpfleger!

Diese Anregung machte der Landesverein für Heimatpflege, als die Frage nach dem Schutz eines „Sinneserbes“ im Landtag diskutiert wurde. Dabei ging es vor allem um ländliche Gerüche und Geräusche.

Hin und wieder hört man einen Ausruf, wie: „Hier riecht es aber nach Land!“ Damit ist meistens der durchdringende Geruch von frisch ausgebrachter Gülle auf den Feldern gemeint. Und der findet sich flächendeckend – nicht nur im Landkreis Dachau rund um den Ort mit dem sprechenden Namen „Odel-zhausen“. „Odelzhausen“ wurde aber nicht nach dem Geruch, sondern nach einem Otolt, der hier siedelte (Häuser des Otolt) benannt.

Einen durchdringenden Geruch nehmen Spaziergänger und Radler auch im Mai wahr, wenn sie entlang gelbleuchtender Rapsfelder unterwegs sind. Am Waldrand und in vielen Gärten verströmen der blühende Flieder und der Holunder hingegen einen wunderbaren Duft.

Beim Bulldogtreffen in Indersdorf riecht die Luft nach Diesel, wenn die alten landwirtschaftlichen Gerätschaften in Schwung gebracht werden. Die eine oder andere Oldtimerrallye durch den Landkreis hinterlässt Schwaden von nicht katalysiertem Benzindampf.

Der Sommer scheint mir hingegen vom Holzkohlegeruch der Grillfans geprägt zu sein, der oftmals an den Wochenenden in der Luft hängt. Der Herbst riecht oftmals nach feuchtem Laub, bevor der Winter einen schnell ins Innere flüchten lässt – aber die zahlreichen Weihnachtsmärkte locken mit Glühpunsch-, Lebkuchen- und Bratwürstlduft. Ländliche Gerüche sind vielseitig….

Ob das aber alles als „Sinneserbe“ geschützt und gar als „bayerisch“ definiert werden sollte – da gehen die Meinungen sicherlich weit auseinander. Bewahren sollten wir uns allerdings unsere Rücksichtnahme und Toleranz (von allen Seiten) ; damit würden sich viele Konflikte und auch neue Gesetze erübrigen – meint die Heimatpflegerin aus dem Landkreis Dachau, wenn sie gefragt wird.

 

Und zum Thema „Geräusche“ gibt es sicher noch einen eigenen Beitrag… 

FOTO: Ein auf eine Kachel gemalter blauer Hund auf weißem Grund schnuppert in einem großen umgestürzten Topf. Entdeckt wurde er allerdings nicht in Bayern, sondern in Ham House, Großbritannien.