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My kingdom for a horse…

…ruft Shakespeares König Richard III verzweifelt aus, als er sein Pferd verliert und sich die Niederlage in einer entscheidenden Schlacht abzeichnet. Nicht Verzweiflung sondern Hoffnung kennzeichnet hingegen die Teilnehmer bei Leonhardi-, Georgi- oder Stefani-Umritten. Sie alle haben ein Pferd und hoffen auf den Schutz und Segen eines der Heiligen für ihre Reittiere.

Im November finden an vielen Orten wieder Leonhardi-Ritte statt. Als bekannteste gelten diejenigen im Oberland in Kreuth, Bad Tölz, Beneditktbeuern, Lenggries oder Gmund. Als ältester Pfederitt wird derjenige in Inchenhofen im benachbarten Landkreis Aichach-Friedberg genannt. Hier ist seit dem 13. Jahrhundert eine Wallfahrt zum Hl. Leonhard bekannt, die bis heute besteht.

Im Landkreis Dachau wurde 1994 der Brauch des Leonhardirittes in Pasenbach bei Vierkirchen wiederbelebt. Bereits in den 20er Jahren gab es dort Umritte. Heimatforscher Robert Böck hielt die Pferdesegnungen im 18. Jahrhundert für Vorläufer dieses Brauchs. Der Vierkirchner Helmut Größ hat sich mit der Geschichte in Pasenbach auseinandergesetzt und stieß auf den sehr aktiven Leonhardibund, den Mathias Kneißl 1762 gründete und damit die Verehrung des Heiligen beförderte. Leonhardi-Umritte fanden bis 1860 statt. Erst 1924 ist wieder bekannt, dass für fünf Jahre der Brauch wiederbelebt wurde. Die Geistlichen nahmen dabei als Reiter teil, wie uns durch den damaligen Pfarrer Johannes Spötzl überliefert ist: „Nachdem der Gottesdienst für die verstorbenen Mitglieder gehalten war, versammelte sich vor dem Gasthaus Großmann in Esterhofen eine Menge von geschmückten Wagen und Reitern, unter Assistenz des Herrn Pfarrer Huber, Weichs und Herrn Kooperator Hörl, beide ebenfalls zu Pferde und im Chorrock… Nach dem 3. Umzug segnete ich vor dem Mesneranwesen jedes Pferd mit Weihwasser. An dem Umritt nahmen an prominenten Personen noch teil: Herr Pfarrer Ebert, Giebing, Herr Pfarrer Pschorr, Ampermoching, Herr Graf Spreti auf Unterweilbach, Herr Baron Vequel-Westernach auf Kammerberg, Herr Dr. Steinbacher, Schönbrunn, alle beritten. Das Ganze hatte, ohne allen Unfall, einen herrlichen Verlauf. Ein Fest, über dessen Schönheit wir uns alle nicht genug freuen konnten und das noch lange bei den Teilnehmern Tagesgespräch blieb und das uns ermutigt, es künftig, so Gott will, jedes Jahr zu begehen.“

Der Umritt wurde in der Folge jedoch nicht jedes Jahr wieder begangen. Wie in der Presse berichtet wurde, endeten die Festivitäten häufig in Wirthausraufereien. Erst 70 Jahre später wurde die Tradition wiederbelebt und bis heute fortgeführt. Heutzutage nehmen am Ritt nicht nur Reiter teil. Es werden auch wunderschöne Motivwägen mitgeführt mit detailgetreuen Modellen des Benefiziatenhauses, der Kirchen in Vierkirchen und Pasenbach und dem ehemaligen Schloss. Auch Richard III hätte seine Freude daran: so viele Pferde und auch ein Schloß – was braucht es mehr „for a kingdom“?

 

FOTO: Birgitta Unger-Richter. Detail eines Pferdefuhrwerks von Bartholomäus Ostermair, Mörtelplastik, Bezirksmuseum Dachau, Ende 19. Jh.

Der Leonhardi-Ritt in Pasenbach 2024 findet am 27. Oktober statt. https://www.vierkirchen.de/88/aktuelles/veranstaltungskalender

Zur Wallfahrt in Pasenbch schreibt Robert Böck in: Wallfahrt im Dachauer Land (Bd.7 der Kulturgeschichte des Dachauer Landes), Hg. Museumsverein Dachau, Dachau 1991, S.178 – 182.

Die Motivwägen können auf Anfrage im vom Helmut Größ gestalteten Schaudepot in Pasenbach besichtigt werden. Dort gibt es auch weitere Informationen zur Wallfahrt, dem Leonhardibund und der Ortsgeschichte Pasenbachs. In der nahe gelegenen Kirche St. Leonhard ist auch außen eine Skulptur des Heiligen zu sehen, der zunächst als Einsiedler und später als Mönch lebte, sich sehr für die Gefangenen einsetzte und auch als deren Patron gilt. Er wird mit einer Kutte bekleidet dargestellt und hält Ketten in der Hand. Später wurden die ursprünglichen Gefangenenketten als Viehketten umgedeutet und Leonhard als Patron der Tiere verehrt. Er gilt als einer der 14 Nothelfer. 

Das Zitat über den Leonhardi-Ritt 1924 findet sich auf Hans Schertls Webseite kirchenundkapellen

 

 

 

 

 

„Leberkäs ist in“

Nach einem Urlaub voller Pasta, Zucchini, Auberginen, Mozzarella, Weißbrot und Gelato machte ich eine Kaffeepause in Bayern, wo ich in der Kühltheke Brezen mit Leberkäse entdeckte. Eine fand schnell den Weg auf meinen Teller und dann in meinen Magen. Der Leberkäse war dünn aufgeschnitten und mit Gurken und Salat belegt. Etwas ungewöhnlich, aber gut. Ansonsten wird der Leberkäse ja eher in dicken Scheiben, gerne in einer Semmel serviert. So hat er auch Karriere als Fotomodell gemacht, wie mir mein geschätzter Kollege Erik erst neulich verriet. Ich durfte den Leberkäse in unterschiedlichsten Aufnahmen in seinem Kalender bestaunen. Der Bayerischer Rundfunk hatte dem (angeblich) ersten Leberkäskalender 2022 einen Beitrag gewidmet und den Herausgeber des Jahresbegleiters zitiert: „Nackte Frauen sind out! Leberkas ist in!“

Was hätte wohl der Erfinder der Brühwurst vor 200 Jahren dazu gesagt? Es war laut einer vertrauenswürdigen Quelle ein Pfälzer, Hofmetzger von Kurfürst Karl Theodor, der als Erster feingehacktes Schweine- und Rindfleisch in einer Brotform backte. Zu den Grundzutaten kamen später dann Schweinespeck und Gewürze dazu. Der namensgebende Anteil an Leber soll heute übrigens laut einer deutschen Verordnung mindestens 5% betragen. Ist dies nicht der Fall, so wird er als „Fleischkäse“ oder „Bayrischer Leberkäse“ bezeichnet. Käse ist nur im „Pizzaleberkäse“ zu finden.

Pizza esse ich allerdings lieber mit knusprigem Teigboden und im Holzofen gebacken – sie schmeckt nach Urlaub, Leberkäse pur nach Heimat. Darin sind sich mein Kollege und ich einig. Für eine Leberkassemmel  läßt er sogar (fast) jedes andere Gericht stehen – Leberkäse ist auch bei ihm „in“….

 

Die Herkunft der Bezeichnung „Leberkäse“ ist laut Online-Lexikon Wikipedia nicht ganz geklärt: “ Der Begriff setzt sich zusammen aus den Substantiven Leber und Käse. Im bairischen wird eine essbare Masse als „Kas“ bezeichnet. „Leber“ leitet sich aus „Laib“ ab, was auf die Form des Fleischkäses zurückzuführen ist. In einer anderen Erklärung erinnert die Form des Produktes an einen Laib Käse.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Fleischk%C3%A4se abgerufen am 27. Juli 2023).

Foto: Birgitta Unger-Richter, Die oben genannte Leberkäsbreze vor dem Verzehr.

Kehrwoche

Letzte Urlaubswoche: Geburtstagsfeier einer Freundin im Garten unter Apfelbäumen. Da kommt im Gespräch die Frage auf: „Du kommst ja ursprünglich aus dem Schwäbischen“, wird meine Nachbarin gefragt, „wie hältst du es denn eigentlich mit der Kehrwoche?“

Die „Kehrwoche“, die auch heute noch mit Schwaben verbunden wird wie Spätzle, Sparsamkeit und Bollenhut (nur ein paar von vielen Klischees) weckt auch bei mir Erinnerungen an das wöchentliche, samstägliche Fegen der Straße und der Kandel (des Rinnsteins). Zum Samstag gehörte auch das Rasenmähen, Autowaschen und das Wegbringen des während der Woche angefallenen Mülls. Eine Müllabfuhr gab es bei uns auf dem Dorf in den 60er Jahren nämlich noch nicht.

Womit wir auch beim Ursprung der Kehrwoche wären, wie ich beim Nachlesen erfuhr: 1714 führte Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg eine „Gassensäuberungsordnung“ ein, die damals grassierenden Krankheiten entgegen wirken sollte. Müll und Unrat sollte geordnet entsorgt werden. Die stark vom Pietismus geprägten folgsamen Schwaben führten diese Tradition in der „Kehrwoche“ bis heute fort, obwohl die gesetzlichen Bestimmungen inzwischen gelockert wurden.

Aber auch in diversen Wohnhäusern, in denen ich in Bayern lebte, war die wöchentliche Reinigung des Treppenhauses Pflicht. Allerdings hatten wir kein so schönes Schild mit „Kehrwoche“ oder “In dieser Woche ist die Reihe an Ihnen“ an der Eingangstür hängen, wie es im schwäbischen Raum verbreitet ist.

Auch gibt es meines Wissens keine volkskundliche Untersuchung wie in Baden Württemberg, die sich mit der wöchentlichen Reinigung und deren Wurzeln, Bestandteilen (Besen und Kehrschaufel) und Durchführung in Stadt und Land beschäftigt.

Heutzutage kommt in mein bayrisches Dorf höchstens zweimal im Jahr die Kehrmaschine der Gemeinde und die Anwohner werden dann gebeten ihre Autos nicht am Straßenrand zu parken. Dennoch drängt es den Schwaben in mir doch ab und zu die Straße zu kehren. Das Kehren und Fegen scheint irgendwo tief in der schwäbischen DNA verwurzelt zu sein. Deshalb konnte ich mir lebhaft vorstellen, wie es einem weiteren Gast auf der Feier, einer bayrischen Schauspielerin, bei ihrem Gastspiel in Schwaben erging. Sie erzählte, dass während einer Probe im Karlsruher Theater die Tür aufging und eine Putzfrau mit laufendem Staubsauger die Bühne betrat. Auf die erstaunten Blicke entgegnete sie: „Lasset sie sich nur net störä“ und saugte unbeirrt weiter, woraufhin die Akteure dennoch die Probe unterbrachen.

Und um auf die Eingangsfrage bei der Feier zurückzukommen: sowohl meine Nachbarin als auch ich bekräftigten schmunzelnd, dass wir das als gebürtige Schwaben nicht so eng sähen und samstags nicht automatisch kehren würden. Aber hin und wieder kann man mich doch auf der Straße mit einem Besen antreffen…

Angeregt zu diesem Blogbeitrag hat mich neben der Geburtstagsfeier auch Roman Deininger, der sich in einem Artikel, der am 24. Januar 2014 in der Süddeutschen Zeitung erschien, auf die Suche nach den Ursprüngen der Kehrwoche machte: „Durch diese saubere Gasse“. Franz Rumpel widmete sich mit seinem Beitrag „Kehren und Bekehrtes“  in: „Schwabenbilder. Zur Konstruktion eines Regionalcharakters“ (einer Ausstellung von 1997) dem Phänomen „Kehrwoche“. Dem Traum vieler von einem Putzhelfer setzte bereits  Johann Wolfgang von Goethe in seiner 1797 erschienenen Ballade „Der Zauberlehrling“ ein poetisches Denkmal. 

Das Foto zeigt mich bei einer Kehrpause. Als Studentin durfte ich im ehemals königlichen Schloss Nymphenburg den Besen schwingen – weniger um kunsthistorische Forschungen zu unternehmen als vielmehr das Studentenbudget aufzubessern…

Griaß di!

„Sag ‚Grüß Gott‘ wenn du jemanden auf der Straße triffst“, wurden wir in unserer Kindheit angewiesen, wenn wir im Dorf unterwegs waren. Als ungeschriebene Regel galt dabei, dass man als Kind den Erwachsenen zuerst einen Gruß zu entbieten hatte. Auch unseren Kindern schärften mein Mann und ich ein, auf dem Weg zur Schule, Bus oder Bahn die Nachbarn und Dorfbewohner jederzeit freundlich zu grüßen.

Schließlich ist ein Gruß immer ein erster Schritt für ein nettes Miteinander. Denn, wie es so schön im Bairischen Wörterbuch heißt, bedeutet „griassn“ („grüßen“) nicht nur „mit einem Gruß an jmdm. vorübergehen bzw. jmdm. seinen Gruß entbieten“, sondern auch in erster Linie „auf jmdn. zugehen“.

Der distanzierten Form des Siezens entspricht im Bairischen das „Griaß eahana“. Etwas vertrauter ist im Plural das „Griaß eich“, das sehr häufig auch in bayrischen Wirtshäusern als Begrüßung von Gästen zu vernehmen ist.

Viel persönlicher ist das individuelle „Griaß di“, das ich besonders schätzen gelernt habe. Es war für mich der Ausdruck des Ankommens, der Akzeptanz im Dorf, wenn man beim Einkaufen erstmals geduzt wurde. „Griaß di“ sagt man auch unter Freunden, die man mit dem wohlwollenden „Pfüat di“ (behüt‘ dich Gott, pass auf dich auf!) verabschiedet.

Der ursprüngliche Hintergrund der Grußformeln ist vielen inzwischen nicht mehr bekannt. Sprachforscher wie Ludwig Zehetner sahen den Gruß in den Zeiten der irischen Mission (9. Jh.) in Bayern begründet. Andere fanden vergleichbare Segensformeln auch in anderen Sprachräumen und datierten deren Entstehung in spätere Zeiten. So Hans Ulrich Schmid, der bei Wolfram von Eschenbachs Wartburgkrieg (13. Jh.) fündig wurde und den Gruß der „schönen Frauen“ für ihre in der Ferne kämpfenden Ritter auch als „liebevollen Wunsch“ bezeichnete, der ausdrücke  „Gott möge dich beschützen“.

Ein Segenswunsch zur Begrüßung und zur Verabschiedung – das  ist für mich ein schönes Zeichen. Wäre das nicht eine Alternative zum „Hallo!“, für das es sogar einen Weltgedenktag im November geben soll? Vielleicht sollten wir öfter einen „Griaß-di-Tag“ einrichten – sogar täglich? In diesem Sinne „Pfiats eich“!

 

Das FOTO zeigt eine Collage mit dem “Bayrischkurs für Einheimische und Zuagroaste“ des Fördervereins für Bairische Sprache und Dialekte e.V., dem Langenscheidt Lilliput und dem Sonderheft Dialekt in Bayern. Hg. Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg 2015. Darin erläutert auch Hans Ulrich Schmid (S.7f.) den Unterschied zwischen den beiden Schreibweisen „bayerisch“ und „bairisch“. Meine man die politische Einheit Bayerns sei das mit Ludwig I eingeführte „y“ richtig, das „i“ bezeichne hingegen das Dialektgebiet.

 

Krokodil entlaufen

Was war das für eine Aufregung, als vor nunmehr 51 Jahren ein kleines Krokodil im Karlsfelder See abtauchte und von da an nicht mehr gesehen wurde! Das sogenannte „Sommerloch“ , das sich ansonsten im Urlaubsmonat August in der Presse auftut, war schnell gefüllt mit Geschichten um „Emil“. Der Kaiman gehörte einem Dachauer, der ihn ab und an im See baden ließ, damit es ihm in der heimischen Badewanne nicht zu langweilig wurde. Ja, eine wahre Geschichte, für deren Authentizität sich auch die Karlsfelder Heimatforscherin Ilsa Oberbauer verbürgt. Die Geschichte wurde dann sogar als Grundlage für ein Kinderbuch verwendet. Dessen Autor Alexander Paglialunga erfand trotz des anders lautenden Titels „Emil – Der Schrecken vom Karlsfelder See“ eine kindertaugliche Geschichte mit Happy End. Dem realen Emil, so heißt es, sei es aufgrund  der Kälte im Karlsfelder See, wo es in sechs Metern Tiefe selten mehr als 12 Grad habe, zu kalt gewesen. Bei ihm habe deshalb die Kältestarre eingesetzt und er sei nach und nach weggedämmert.

Wie ich auf Emil gekommen bin? Ja, weil es sein könnte, dass ich ihn in einem Vorgarten im Dachauer Hinterland wieder gefunden habe.

Im Sommer bin ich als passionierte Gartlerin besonders aufmerksam, was Blumen, Sträucher, Bäume, überhaupt alles Blühende und Grünende anbelangt. So richtete ich bei meinen Fahrten durch den Landkreis in letzter Zeit verstärkt den Blick auf Gärten. Obwohl die „Versteinerung“ der Vorgärten mit Gabionen und Ruinen, Geröllfeldern und Pflastersteinen voranschreitet, fand ich neben diesen wenig einladenden Elementen auch Interessantes und Kurioses. Nicht nur Skulpturen der  klassischen Antike, sondern auch gewagte Aktfiguren und vor allem Tiere scheinen es den Gartenbesitzern angetan zu haben: Vögel, Insekten, Säugetiere. Der als „König der Steppe“ bekannte Löwe ist dabei Spitzenreiter: er herrscht über zahlreiche Garageneinfahrten und Hauseingänge, häufig mit Wappenschild als Symbol für den Freistaat Bayern. Und dazu sichtete ich auch ein Reptil: Emil? Das Krokodil befindet sich inmitten eines Vorgartens mit anderen Zootieren und scheint sich dort sehr wohl zu fühlen. Und wie ist es dahin gekommen? Darüber schweigt es sich leider aus…

Zum obigen Foto: Mein „Emil“ in Nahaufnahme. Wenn sie noch mehr Beispiele außergewöhnlicher Ideen für Vorgärten sehen möchten, klicken sie die Fotos unten an. Darunter befindet sich auch mein Vorgarten-Haustier – vor Jahren bekam ich eine kleine verrostete Eisenechse (kein Krokodil!) geschenkt, die seitdem auf unserem Tonnenhäuschen lebt.

 

 

 

Haaatschi!!!

Es könnte so schön sein: es ist warm, die Blumen und Gräser blühen, die Natur lockt zum Verweilen im Freien. Wenn da nicht die Pollen wären, die bei empfindlichen Allergikernasen ein kräftiges „Haaatschi!!!!“ auslösen.

Viele greifen da schnell zu einem Taschentuch, das aus einer Plastikverpackung gezogen wird. Vielleicht nehmen sie auch ein Baumwoll-Taschentuch aus der Schublade? Eher unwahrscheinlich. Das Stofftaschentuch ist inzwischen aus der Mode gekommen. Was die Hygiene anbelangt, hat ihm das Papiertaschentuch eindeutig den Rang abgelaufen.

Das war nicht immer so. Erstmals taucht das textile Taschentuch bei den Römern auf, die es je nach Form als Schweißtuch, Serviette oder auch Tuch zum Schneuzen der Nase benutzten. Über das Mittelalter bis in die Neuzeit hinein war es dann vor allem ein Statussymbol des Adels und des Klerus. Kein Wunder, dass diese Taschentücher aus feinstem Material wie Leinenbatist oder Seide waren, für Damen reich verziert, mit Spitzen oder Perlen bestickt. Ab dem 18. Jahrhundert sind dann die ersten bedruckten Taschentücher bekannt. Im 19. Jahrhundert benutzten dann auch  Bürger und Bauern baumwollene Tücher.

Im 20. Jahrhundert tritt dann das Papiertaschentuch seinen Siegeszug an: 1929 wird das erste Warenzeichen für ein Taschentuch aus reinem Zellstoff  in Nürnberg mit dem Namen „Tempo“ eingetragen – bis heute in Deutschland der Inbegriff des Taschentuchs. In Amerika setzte sich hingegen die Bezeichnung „Kleenex“ durch.

Das „Sacktüchel“ wird heute immer noch gerne als Schnupftuch, modisches Einstecktuch oder bei traditionsbewussten Bayern als „Bschoadtüchel“ verwendet. Wenn sich allerdings ein eindeutiges Kitzeln in der Nase einstellt, dann wird wohl zum bewährten Papiertaschentuch gegriffen. Wie auch immer – in jedem Fall wünsche ich : „Gesundheit!“.

 

 

Dieser Blogbeitrag ist Gabriele Donder-Langer gewidmet, die 1999 mit der Ausstellung „Menschen, Nasen, Taschentücher“ Grundlagenforschung zur Kulturgeschichte des Taschentuchs geleistet hat. Er ist gleichzeitig ein Dank für ihre Arbeit als Heimatforscherin, Archivarin und Museumsbeauftragte in Haimhausen.

Das FOTO zeigt eine Auswahl aus meiner Taschentuchsammlung, zu der auch ein gehäkeltes Beutelchen gehört. Es wurde mir von einer meiner Großtanten geschenkt, damit ich mein schönes Ausgeh-Taschentuch geschützt in der Handtasche mitnehmen konnte.

 

 

 

Schießen sie keinen Hirsch am Samstag!

„Schießen Sie keinen Hirsch am Samstag! Bitte kommen Sie.“ Diese wahrhaft merkwürdige Formulierung steht in einer Einladung.

Sie stammt aus dem Brief Georg Queris vom 26.11.1912 an den jagdbegeisterten Ludwig Thoma. Darin bittet er ihn, ihn bei einem Sittlichkeitsprozess wegen seines Buches „Kraftbayrisch“ vor Gericht zu unterstützen. Thoma kam der Aufforderung nach und gehörte mit Michael Georg Conrad, Ludwig Ganghofer und Otto Maußer, dem Leiter der Wörterbuchkommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, zu Queris Fürsprechern. Ihr persönliches Erscheinen vor Gericht bewirkte mit, dass Queri in diesem Verfahren freigesprochen und der sprachwissenschaftliche Charakter des Buches anerkannt wurde.

Ludwig Thoma (1867-1921) unterstützte Georg Queri (1879-1919) nicht nur bei seinem Prozess. Beide waren befreundet und gaben gemeinsam 1913 eine Anthologie bayrischer Schriftsteller unter dem Titel „Bayernbuch“ heraus.

Georg Queri selbst wurde zum einen bekannt durch seine Mundarterzählungen, die unter anderem in dem 1909 erschienenen Band „Die weltlichen Gesänge des Egidius Pfanzelter von Polykarpszell“ veröffentlicht wurden. Er machte sich aber auch einen Namen durch die Herausgabe volkskundlicher Schriften, wie das erwähnte „Kraftbayrisch“ von 1912 und die Studien zum Haberfeldtreiben „Bauernerotik und Bauernfehme in Oberbayern“ 1911. Ab 1918 arbeitete Queri als Redakteur bei der Zeitschrift „Jugend“.

Dennoch stand Georg Queri immer im Schatten Ludwig Thomas, wie der Direktor des Münchner Stadtarchivs Dr. Michael Stephan feststellte. Durch seine Forschungen und die Herausgabe seiner Werke hat er ihn wieder in das Bewusstsein des literarisch interessierten Publikums gebracht. Er liest in Dachau zusammen mit dem Schauspieler Bernhard Butz Texte des bayrischen Schriftstellers Georg Queri, die seinen kritischen Geist zeigen, Erotisches und Deftiges nicht auslassen und die Zeit Queris und Thomas durch Briefe und Zeitungsartikel lebendig werden lassen.

Dazu sind sie herzlich eingeladen. Folgen sie doch einfach der Aufforderung Georg Queris und nehmen sie sich dafür die Zeit: „Schießen Sie keinen Hirsch am Samstag! Bitte kommen Sie.“

 

 

Die Veranstaltung des Landkreises Dachau war ein Beitrag zum Thoma-Jubiläumsjahr. Sie  fand am Samstag, den 7. Oktober 2017 in der Gaststätte Kochwirt statt. 

Der Hirsch auf dem FOTO hat einen wunderbaren Blick  auf die Fraueninsel im Chiemsee.

 

Ein Hofmaler

Kennen sie das hier abgebildete Bauwerk? Das ehemalige Hofmarkschloss im kleinen Ort Hof bei Eisenhofen? Einige von ihnen erinnern sich vielleicht noch an die Zeit, als vor der Gründung der Verbandsschule in Erdweg 1972 hier noch Schüler unterrichtet wurden. Ein wirklich geeigneter Ort für das Lernen, hatte hier doch bereits im 16. Jahrhundert der gelehrte Leonhard von Eck residiert, der seinerzeit als Berater Wilhelms IV am Hof in München das politische, wirtschaftliche, religiös-geistige und soziale Leben Bayerns prägte.

Und heute?

Bei einer meiner Entdeckungsfahrten durch den Landkreis führte mich mein Weg zum Schlösschen, wo ich das Glück hatte, das Ehepaar Riederer zu treffen, das mir mehr über die jüngere Geschichte des Schlosses erzählen konnte. Nach der Auflösung der Schule wurde es von vielen Künstlern bewohnt, die hier in der ländlichen Umgebung Inspiration fanden. Und auch Hartmut Riederer ist ein Künstler, der die Tradition der gelehrten Bewohner, Wissensdurstigen und Künstler fortsetzt. Er verfasst Theaterstücke, schreibt Prosatexte und Lyrik und malt fantasievolle Gemälde. Er erzählt darin von kosmischen Welten und schöpft aus seinem reichen Fundus an literarischem und philosophischem Wissen, das in sein vielseitiges Werk einfliesst.

Schnell stand für mich fest, dass noch mehr Menschen im Landkreis und darüber hinaus den Maler und Schriftsteller kennenlernen sollten. So werden jetzt ab 24. September 2017 im Museum in Altomünster bei einer Werkschau Bilder des „Hof“- Malers Hartmut Riederer unter dem Titel „Kosmos“ gezeigt werden. Da Hartmut Riederer erst vor kurzem seinen 75. Geburtstag gefeiert hat, ist die Ausstellung gleichzeitig ein schönes Geburtstagsgeschenk. Herzlichen Glückwunsch!

Das FOTO zeigt die Einfahrt zu Schloss Hof, das sich in Privatbesitz befindet und nicht besichtigt werden kann.

 

Josefi !!!

„Seid ihr alle da?“ lautet die Eingangsfrage beim Kasperltheater, mit der der Spaßmacher seine Gäste begrüßt. In der Regel schallt ihm ein lautes „Ja!!!“ entgegen. Würde der Kasperl am 19. März fragen, ob alle, die an diesem Tag Namenstag haben, da sind, also die Josefs oder Josefines, wäre es sicherlich ruhiger im Publikum. Aber auf jeden Fall würde sein Spezl der „Seppl“ auf die Bühne treten und mit dem Kopf nicken, die Arme hochreißen, winken und sich lautstark melden.

Die beliebtesten Vornamen waren laut einer Statistik im Jahre 2016 Ben und Mia, ein Jahrzehnt davor Julia, Lisa und Jan. Der männliche Name Josef mit allen Variationen und Kurzformen von Josl, Sepp, Seppel, Bepp und die weibliche Form Josefine mit Fini, Josi oder auch das Seferl sind heute aus der Mode gekommen.

Dabei war gerade in Bayern bis ins 20. Jahrhundert „Josef“ einer der beliebtesten Vornamen. Im 17. Jahrhundert bezog man sich dabei vor allem auf den alttestamentarischen Josef, der von seinen eifersüchtigen Brüdern nach Ägypten verkauft wurde. Der Vater Jesu, Josef aus Nazareth rückte erst mit der steigenden Verehrung als Heiliger ab dem 18. Jahrhundert als Namensgeber in den Vordergrund.

Und wie kam es zu den weiblichen Formen? Inge Weid schreibt dazu im Begleitband zur Ausstellung des Bezirks Oberbayern 2006  „Josef, Bepperl, Sepp – Geschichten um einen Namen“, dass sich vor allem im 17. und 18. Jahrhundert Mädchennamen wie Justine, Jakobine, Pauline und Wilhelmine aus männlichen Vornamen entwickelten. Häufig wurden Mädchen so benannt, wenn der ersehnte männliche Nachkomme ausblieb und das Mädchen den traditionellen familiären Vornamen erhalten sollte.

Früher wählte man in katholischen Gebieten auch häufig den Namen des Heiligen, der am Tag der Geburt seinen Gedenktag hatte und feierte diesen Tag als Namenstag. Diese Feier wurde im 20. Jahrhundert durch die des Geburtstages weitgehend abgelöst.

Dennoch gibt es gerade an „Josefi“, dem Namenstag des Hl. Josef, noch einige, die diesen Tag auch in Bayern begehen, obwohl er kein offizieller Feiertag mehr ist: so zum Beispiel der St.-Josephs-Orden oder die Königlich Bayrische Josephspartei im Landkreis Aichach.

An Josefi deshalb allen Josefs und Josefines und natürlich auch dem Freund vom Kasperl, dem Seppel: herzlichen Glückwunsch zum Namenstag!

 

Für das FOTO wurde nochmals das Kasperltheater und die Handpuppen vom hauseigenen Speicher geholt.

 

Heimat – Lebenswelt

„Heimat ist, von wo man als Jugendlicher flüchtet und wohin man im Alter wieder sehnsuchtsvoll zurückkehrt“,  so wurde der Liedermacher und Komödiant Willy Astor in einem Radiobeitrag des Bayrischen Rundfunks in der letzten Woche zitiert. Als Heimatpflegerin wurde ich da natürlich hellhörig und auch nachdenklich.

Als Jugendliche wollte ich möglichst schnell der Heimat den Rücken kehren: es war die Zeit von Interrail, dem grenzenlosen Reisen, Abenteuerlust und Aufbruch. Doch die Reisen machten auch Lust auf andere Veränderungen: das Studium führte mich nach München, und Bayern wurde mir dann zur zweiten Heimat. Ob ich im Alter wieder ins „Ländle“ zurückgehen werde? Ich glaube eher nicht.

Vielleicht meinte Willy Astor ja auch nicht nur das physische dauerhafte Zurückkehren in die Heimat. Ich denke, dass man häufiger in der Erinnerung an besondere Erlebnisse, vor allem in der Kindheit, in die „emotionale Heimat“ zurückreist.

Dieses Erinnern und Nachdenken über das eigene Leben haben Schriftsteller literarisch in Autobiografien verwoben. Sie haben damit ihre vergangene und/oder aktuelle Lebenswelt festgehalten. Ihre persönlichen Lebenserfahrungen sind dabei häufig eng mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verknüpft.

Das war eine der Überlegungen, die mich dazu bewogen hatten das Thema des diesjährigen „Poetischen Herbst“ zu wählen: „Lebenswelt(en) – Autobiografien im Dachauer Landkreis“. Die Idee ist, mit persönlichen Textdokumenten eine poetische Brücke zum Landkreis Dachau zu bauen und den Blick auf verschiedene Zeiten und Umstände, auf politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen in unserer näheren Heimat zu lenken.

Was erlebten die Protestanten im katholisch geprägten nördlichen Dachauer Hügelland, als sie im 19. Jahrhundert ankamen? Wie lebt man als Dachauer im 20. Jahrhundert mit dem Wissen um das ehemalige Konzentrationslager in nächster Nachbarschaft? Wie steht es um das Rollenverständnis der Geschlechter? Wo steht die junge Generation? Wieviel Veränderung verträgt unsere Gesellschaft?

Gedanken dazu gibt es beim Poetischen Herbst 2016 . Wir laden sie herzlich dazu ein, ihre Heimat mit den Augen anderer neu zu sehen!

 

FOTO: Herbst im Schwarzwald.