„Sag ‚Grüß Gott‘ wenn du jemanden auf der Straße triffst“, wurden wir in unserer Kindheit angewiesen, wenn wir im Dorf unterwegs waren. Als ungeschriebene Regel galt dabei, dass man als Kind den Erwachsenen zuerst einen Gruß zu entbieten hatte. Auch unseren Kindern schärften mein Mann und ich ein, auf dem Weg zur Schule, Bus oder Bahn die Nachbarn und Dorfbewohner jederzeit freundlich zu grüßen.
Schließlich ist ein Gruß immer ein erster Schritt für ein nettes Miteinander. Denn, wie es so schön im Bairischen Wörterbuch heißt, bedeutet „griassn“ („grüßen“) nicht nur „mit einem Gruß an jmdm. vorübergehen bzw. jmdm. seinen Gruß entbieten“, sondern auch in erster Linie „auf jmdn. zugehen“.
Der distanzierten Form des Siezens entspricht im Bairischen das „Griaß eahana“. Etwas vertrauter ist im Plural das „Griaß eich“, das sehr häufig auch in bayrischen Wirtshäusern als Begrüßung von Gästen zu vernehmen ist.
Viel persönlicher ist das individuelle „Griaß di“, das ich besonders schätzen gelernt habe. Es war für mich der Ausdruck des Ankommens, der Akzeptanz im Dorf, wenn man beim Einkaufen erstmals geduzt wurde. „Griaß di“ sagt man auch unter Freunden, die man mit dem wohlwollenden „Pfüat di“ (behüt‘ dich Gott, pass auf dich auf!) verabschiedet.
Der ursprüngliche Hintergrund der Grußformeln ist vielen inzwischen nicht mehr bekannt. Sprachforscher wie Ludwig Zehetner sahen den Gruß in den Zeiten der irischen Mission (9. Jh.) in Bayern begründet. Andere fanden vergleichbare Segensformeln auch in anderen Sprachräumen und datierten deren Entstehung in spätere Zeiten. So Hans Ulrich Schmid, der bei Wolfram von Eschenbachs Wartburgkrieg (13. Jh.) fündig wurde und den Gruß der „schönen Frauen“ für ihre in der Ferne kämpfenden Ritter auch als „liebevollen Wunsch“ bezeichnete, der ausdrücke „Gott möge dich beschützen“.
Ein Segenswunsch zur Begrüßung und zur Verabschiedung – das ist für mich ein schönes Zeichen. Wäre das nicht eine Alternative zum „Hallo!“, für das es sogar einen Weltgedenktag im November geben soll? Vielleicht sollten wir öfter einen „Griaß-di-Tag“ einrichten – sogar täglich? In diesem Sinne „Pfiats eich“!
Das FOTO zeigt eine Collage mit dem “Bayrischkurs für Einheimische und Zuagroaste“ des Fördervereins für Bairische Sprache und Dialekte e.V., dem Langenscheidt Lilliput und dem Sonderheft Dialekt in Bayern. Hg. Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg 2015. Darin erläutert auch Hans Ulrich Schmid (S.7f.) den Unterschied zwischen den beiden Schreibweisen „bayerisch“ und „bairisch“. Meine man die politische Einheit Bayerns sei das mit Ludwig I eingeführte „y“ richtig, das „i“ bezeichne hingegen das Dialektgebiet.