Schlagwort: Kehrschaufel

Von Eisbegonien, Kehrschaufeln und praktischen Gartengeräten

Vielleicht sind einige am Morgen von Allerheiligen noch etwas müde vom Feiern der Gruselparties oder vom Süßigkeitenbetteln und schlafen erst einmal aus. Andere begeben sich auf den Friedhof, um ihrer verstorbenen Familienmitglieder zu gedenken. Der eine oder die andere ist vielleicht auch erschöpft vom Vorbereiten eines Grabes, das an diesem Tag tipptopp sein soll, wenn die Geistlichkeit den Segen spendet. Die Feier auf dem Friedhof ist nämlich auch ein Anlass, um vor dem Winter die Familiengräber gärtnerisch zu gestalten, Verblühtes abzuschneiden, Erde aufzufüllen und herbstlich zu bepflanzen. Dass dabei ein gewisser Wettbewerb und damit verbundener Stress herrschen kann, hat die Kabarettistin Martina Schwarzmann schon vor Jahren festgestellt: sie war auf der verzweifelten Suche nach den vielerorts beliebten Eisbegonien, die schon ausverkauft waren (s.u.).

Und es soll ja ordentlich sein: mir wurde berichtet, dass am Tag vor der Gräbersegnung auch schon Planen über die Gräber gebreitet wurden, damit keine Blätter die sorgfältig hergerichteten Arrangements zerstören. Etwas Praktisches in Sachen Ordnung rund ums Grab sah ich in meiner alten Heimat im südlichen Baden-Württemberg: hier werden hinter den Grabsteinen ganzjährig allerlei nützliche Haushaltsgeräte aufbewahrt. Es finden sich viele Besen und Schaufeln, die die Angehörigen jederzeit – nicht nur an Allerheiligen – nutzen können. Auf anderen Friedhöfen gibt es Gerätehäuschen, wo man alles für die Grabpflege ausleihen kann. Eine mobile Alternative bietet das „Gartengerät De Luxe“, für das ein Versandhändler wirbt: „Nach der abgeschlossenen Arbeit … lässt sich das komplette Friedhofsgerät (Harke, Schaufel und Besen) im praktischen Nylonbeutel verstauen und sauber transportieren.“

Egal für was man sich entscheidet – das Kümmern um das Andenken an die Verstorbenen ist ein schöner Brauch, der viel über die Kultur des Miteinanders von Generationen in einer Gesellschaft aussagt. Dabei ist es auch zweitrangig, ob man sich im Vorfeld für Eisbegonien, Kehrschaufel hinterm Grabstein oder „Gartengeräte De Luxe“ entscheidet.

 

FOTO: Raimund Richter

Traditionell wird der Toten eigentlich an Allerseelen gedacht, am 2. November. Der Brauch hat sich aber verändert und wird heute häufig zusammen mit dem Gedenken an die Heiligen am 1. November gefeiert. Familienmitglieder treffen sich auf den Friedhöfen, zünden Lichter auf den Gräbern an, besuchen einen Gottesdienst und nehmen an der Gräbersegnung teil. Gerne beschließt man den Gang auf den Friedhof mit einem gemeinsamen Mittagessen oder einer Kaffeerunde.

Wer Martina Schwarzmanns Erfahrungen mit der Grabpflege (Eisbegonien) nachhören möchte, findet den Beitrag auf Youtube: https://youtu.be/Qo7j1d7mDPo?si=4La2H4pv8LdyPv4k

 

Kehrwoche

Letzte Urlaubswoche: Geburtstagsfeier einer Freundin im Garten unter Apfelbäumen. Da kommt im Gespräch die Frage auf: „Du kommst ja ursprünglich aus dem Schwäbischen“, wird meine Nachbarin gefragt, „wie hältst du es denn eigentlich mit der Kehrwoche?“

Die „Kehrwoche“, die auch heute noch mit Schwaben verbunden wird wie Spätzle, Sparsamkeit und Bollenhut (nur ein paar von vielen Klischees) weckt auch bei mir Erinnerungen an das wöchentliche, samstägliche Fegen der Straße und der Kandel (des Rinnsteins). Zum Samstag gehörte auch das Rasenmähen, Autowaschen und das Wegbringen des während der Woche angefallenen Mülls. Eine Müllabfuhr gab es bei uns auf dem Dorf in den 60er Jahren nämlich noch nicht.

Womit wir auch beim Ursprung der Kehrwoche wären, wie ich beim Nachlesen erfuhr: 1714 führte Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg eine „Gassensäuberungsordnung“ ein, die damals grassierenden Krankheiten entgegen wirken sollte. Müll und Unrat sollte geordnet entsorgt werden. Die stark vom Pietismus geprägten folgsamen Schwaben führten diese Tradition in der „Kehrwoche“ bis heute fort, obwohl die gesetzlichen Bestimmungen inzwischen gelockert wurden.

Aber auch in diversen Wohnhäusern, in denen ich in Bayern lebte, war die wöchentliche Reinigung des Treppenhauses Pflicht. Allerdings hatten wir kein so schönes Schild mit „Kehrwoche“ oder “In dieser Woche ist die Reihe an Ihnen“ an der Eingangstür hängen, wie es im schwäbischen Raum verbreitet ist.

Auch gibt es meines Wissens keine volkskundliche Untersuchung wie in Baden Württemberg, die sich mit der wöchentlichen Reinigung und deren Wurzeln, Bestandteilen (Besen und Kehrschaufel) und Durchführung in Stadt und Land beschäftigt.

Heutzutage kommt in mein bayrisches Dorf höchstens zweimal im Jahr die Kehrmaschine der Gemeinde und die Anwohner werden dann gebeten ihre Autos nicht am Straßenrand zu parken. Dennoch drängt es den Schwaben in mir doch ab und zu die Straße zu kehren. Das Kehren und Fegen scheint irgendwo tief in der schwäbischen DNA verwurzelt zu sein. Deshalb konnte ich mir lebhaft vorstellen, wie es einem weiteren Gast auf der Feier, einer bayrischen Schauspielerin, bei ihrem Gastspiel in Schwaben erging. Sie erzählte, dass während einer Probe im Karlsruher Theater die Tür aufging und eine Putzfrau mit laufendem Staubsauger die Bühne betrat. Auf die erstaunten Blicke entgegnete sie: „Lasset sie sich nur net störä“ und saugte unbeirrt weiter, woraufhin die Akteure dennoch die Probe unterbrachen.

Und um auf die Eingangsfrage bei der Feier zurückzukommen: sowohl meine Nachbarin als auch ich bekräftigten schmunzelnd, dass wir das als gebürtige Schwaben nicht so eng sähen und samstags nicht automatisch kehren würden. Aber hin und wieder kann man mich doch auf der Straße mit einem Besen antreffen…

Angeregt zu diesem Blogbeitrag hat mich neben der Geburtstagsfeier auch Roman Deininger, der sich in einem Artikel, der am 24. Januar 2014 in der Süddeutschen Zeitung erschien, auf die Suche nach den Ursprüngen der Kehrwoche machte: „Durch diese saubere Gasse“. Franz Rumpel widmete sich mit seinem Beitrag „Kehren und Bekehrtes“  in: „Schwabenbilder. Zur Konstruktion eines Regionalcharakters“ (einer Ausstellung von 1997) dem Phänomen „Kehrwoche“. Dem Traum vieler von einem Putzhelfer setzte bereits  Johann Wolfgang von Goethe in seiner 1797 erschienenen Ballade „Der Zauberlehrling“ ein poetisches Denkmal. 

Das Foto zeigt mich bei einer Kehrpause. Als Studentin durfte ich im ehemals königlichen Schloss Nymphenburg den Besen schwingen – weniger um kunsthistorische Forschungen zu unternehmen als vielmehr das Studentenbudget aufzubessern…