Kehrwoche

Letzte Urlaubswoche: Geburtstagsfeier einer Freundin im Garten unter Apfelbäumen. Da kommt im Gespräch die Frage auf: „Du kommst ja ursprünglich aus dem Schwäbischen“, wird meine Nachbarin gefragt, „wie hältst du es denn eigentlich mit der Kehrwoche?“

Die „Kehrwoche“, die auch heute noch mit Schwaben verbunden wird wie Spätzle, Sparsamkeit und Bollenhut (nur ein paar von vielen Klischees) weckt auch bei mir Erinnerungen an das wöchentliche, samstägliche Fegen der Straße und der Kandel (des Rinnsteins). Zum Samstag gehörte auch das Rasenmähen, Autowaschen und das Wegbringen des während der Woche angefallenen Mülls. Eine Müllabfuhr gab es bei uns auf dem Dorf in den 60er Jahren nämlich noch nicht.

Womit wir auch beim Ursprung der Kehrwoche wären, wie ich beim Nachlesen erfuhr: 1714 führte Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg eine „Gassensäuberungsordnung“ ein, die damals grassierenden Krankheiten entgegen wirken sollte. Müll und Unrat sollte geordnet entsorgt werden. Die stark vom Pietismus geprägten folgsamen Schwaben führten diese Tradition in der „Kehrwoche“ bis heute fort, obwohl die gesetzlichen Bestimmungen inzwischen gelockert wurden.

Aber auch in diversen Wohnhäusern, in denen ich in Bayern lebte, war die wöchentliche Reinigung des Treppenhauses Pflicht. Allerdings hatten wir kein so schönes Schild mit „Kehrwoche“ oder “In dieser Woche ist die Reihe an Ihnen“ an der Eingangstür hängen, wie es im schwäbischen Raum verbreitet ist.

Auch gibt es meines Wissens keine volkskundliche Untersuchung wie in Baden Württemberg, die sich mit der wöchentlichen Reinigung und deren Wurzeln, Bestandteilen (Besen und Kehrschaufel) und Durchführung in Stadt und Land beschäftigt.

Heutzutage kommt in mein bayrisches Dorf höchstens zweimal im Jahr die Kehrmaschine der Gemeinde und die Anwohner werden dann gebeten ihre Autos nicht am Straßenrand zu parken. Dennoch drängt es den Schwaben in mir doch ab und zu die Straße zu kehren. Das Kehren und Fegen scheint irgendwo tief in der schwäbischen DNA verwurzelt zu sein. Deshalb konnte ich mir lebhaft vorstellen, wie es einem weiteren Gast auf der Feier, einer bayrischen Schauspielerin, bei ihrem Gastspiel in Schwaben erging. Sie erzählte, dass während einer Probe im Karlsruher Theater die Tür aufging und eine Putzfrau mit laufendem Staubsauger die Bühne betrat. Auf die erstaunten Blicke entgegnete sie: „Lasset sie sich nur net störä“ und saugte unbeirrt weiter, woraufhin die Akteure dennoch die Probe unterbrachen.

Und um auf die Eingangsfrage bei der Feier zurückzukommen: sowohl meine Nachbarin als auch ich bekräftigten schmunzelnd, dass wir das als gebürtige Schwaben nicht so eng sähen und samstags nicht automatisch kehren würden. Aber hin und wieder kann man mich doch auf der Straße mit einem Besen antreffen…

Angeregt zu diesem Blogbeitrag hat mich neben der Geburtstagsfeier auch Roman Deininger, der sich in einem Artikel, der am 24. Januar 2014 in der Süddeutschen Zeitung erschien, auf die Suche nach den Ursprüngen der Kehrwoche machte: „Durch diese saubere Gasse“. Franz Rumpel widmete sich mit seinem Beitrag „Kehren und Bekehrtes“  in: „Schwabenbilder. Zur Konstruktion eines Regionalcharakters“ (einer Ausstellung von 1997) dem Phänomen „Kehrwoche“. Dem Traum vieler von einem Putzhelfer setzte bereits  Johann Wolfgang von Goethe in seiner 1797 erschienenen Ballade „Der Zauberlehrling“ ein poetisches Denkmal. 

Das Foto zeigt mich bei einer Kehrpause. Als Studentin durfte ich im ehemals königlichen Schloss Nymphenburg den Besen schwingen – weniger um kunsthistorische Forschungen zu unternehmen als vielmehr das Studentenbudget aufzubessern…

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