Schlagwort: Siebenjähriger Krieg

Maikäfer flieg!

Maikäfer! Haben sie dieses Jahr schon einen Maikäfer gesehen? Heuer habe ich bisher nur Maikäfer aus Schokolade finden können. Früher war das allerdings anders.

Im Garten meiner Eltern, der auf der einen Seite durch eine Buchenhecke abgeschlossen war, herrschte im Mai oftmals noch ein geschäftiges Treiben, das uns Kindern die Ankunft der Maikäfer anzeigte. Wir pflegten die Büsche zu schütteln, die Käfer einzusammeln und diese dann mit Zweiglein von Buchen und Blättern in einem Schuhkarton zu verwahren, in den wir zuvor viele Löcher gestochen hatten, damit die Käfer Luft bekämen. Heute gruselt es mich beim Gedanken daran – die eingesperrten Tiere tun mir im Nachhinein sehr leid. Aber als Kinder waren wir stolz auf unsere „Beute“-Tiere. Es gab ja auch so viele! Man konnte damals aber auch erahnen, wie sogenannte „Maikäfer-Plagen“ ausgesehen haben mögen, bei denen große Mengen an Käfern über frisch belaubte Nutzpflanzen und Bäume herfielen. So wird u.a. 1911 von 22 Millionen eingesammelten Käfern auf einer Fläche von 1.800 Hektar berichtet. Späteren Maikäferinvasionen versuchte man mit massivem chemischem Einsatz Herr zu werden. Dieses Vorgehen und seine bis heute andauernden Folgen besang Reinhard Mey bereits 1974 kritisch in seinem Chanson „Es gibt keine Maikäfer mehr“.

Vielleicht kennen sie ein weiteres Lied, das von Maikäfern handelt? „Maikäfer flieg“? In der Forschung wird seine Herkunft bisweilen bis zum Dreissigjährigen (1618-48) bzw. Siebenjährigen Krieg (1756-63) zurückverfolgt. Der Liedtext lautet: „Maikäfer flieg – der Vater ist im Krieg – die Mutter ist im Pommerland – Pommerland ist abgebrannt – Maikäfer flieg“. In komprimierter Form wird hier von einem Kind erzählt, das die Eltern verloren hat, von Krieg und Heimatverlust. Die begleitende Melodie stammt vom Wiegenlied „Schlaf Kindlein schlaf“. Es wurde über Jahrhunderte hinweg immer wieder gesungen, mit neuen regionalen Textvarianten versehen und ist bis heute bekannt. Gründe dafür haben Fachleute in der Diskrepanz zwischen Text und Melodie gesehen: kein Mensch könne es deshalb schnell vergessen. Auch der Inhalt als Ausdruck ureigenster menschlicher Ängste wurde für die lange Überlieferung des Liedes ins Feld geführt. Auf jeden Fall ein sehr rätselhaftes Lied, das eigentlich gar nicht als Schlaflied taugt.

Apropos Schlaf: Wilhelm Buschs Onkel Fritz wurde von einer besonderen Maikäferplage heimgesucht, die ihm Max und Moritz beschert hatten. Was sich so wunderschön lautmalerisch anhört „doch die Käfer kritze kratze / kommen schnell aus der Matratze“ – war eine nächtliche Käferattacke , die ihn um den Schlaf und damit so in Rage brachten, dass er alle tot trampelte mit dem Fazit: „Guckste wohl! Jetzt ist’s vorbei / mit der Käferkrabbelei!“. Das hoffe ich nicht, schon gar nicht was die Schokoladenkäfer anbelangt…

 

 

Zum Lied „Maikäfer flieg“ weise ich auf den sehr interessanten Aufsatz von Lotta Wieden hin, der am 12.04.2015 in der FAZ erschien. Die Informationen zur Maikäferplage entnahm ich dem Artikel zum Maikäfer in wikipedia. Alle Hinweise wurden am 2. Mai 2018 abgerufen.

Auf dem FOTO vergnügen sich zwei (Schokoladen-) Käfer in meinem Garten…