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Do schaug her

Zum Hinschauen gibt es seit einigen Wochen in Kleinberghofen einige große Transparente, die Stationen der Dorfentwicklung vom 19. bis ins 20. Jahrhundert zeigen. Man sieht wie der „Bummerl“ durchs Zeitlbachtal schnauft, der Bahnhof 1913 angelegt wurde, das Maibaumaufstellen vor dem Gasthof Rothenfußer, noch unbefestigte Straßen, den Bau der sogenannten „Siedlung“ in den 70er Jahren und natürlich die bekannte Silhouette des Dorfes mit Mesner-, Schulhaus und der Kirche St. Martin auf dem Berg. Man kann auch Kühe entdecken, die immer noch auf der Wiese mit Blick auf den Ortsteil Eckhofen grasen.

Die historischen Fotos sind eine Einladung, gestern und heute miteinander zu vergleichen. Gleichermaßen ein Angebot für Alteingesessene und für Neubürger, die den Ort auf inzwischen an die 1600 Bewohner wachsen ließen. Die Fotos bieten Informationen zur näheren Heimat und sind gleichzeitig eine Werbung für das Dorfjubiläum, das am dritten Juliwochenende begangen wird. Das Dorf feiert seinen 1100. Geburtstag! Die Vereine haben sich seit Monaten darauf vorbereitet und laden zu einem Festabend am 18. Juli und am Sonntag zu einem ganztägigen Fest rund ums Bürgerhaus mit buntem Programm für Groß und Klein ein.

Für mich als Ortsansässige gibt es noch einen weiteren Anlass zum Feiern: nicht 1100 Jahre aber doch 10 Jahre besteht jetzt der Blog heimatpflege-dachau.de.! Jeden Monat habe ich einen Beitrag zur Heimatpflege im Landkreis Dachau verfasst, insgesamt 120 Beitrage, die nicht nur von vielen treuen Abonnenten gelesen werden.

Unser Dorf-Festkomitee-Mitglied Reinhard Kreitmair hat für das Dorfjubiläum einen wunderbaren Slogan getextet: „1100 Jahre Kleinberghofen – kann Spuren von Heimat enthalten.“ Auch auf heimatpflege-dachau.de kann man Spuren von Heimat entdecken. Es genügt darauf zu schauen und zu lesen: do schaug her!

 

 

Titelfoto: Birgitta Unger-Richter, eines der Transparente am Ortseingang von Eisenhofen kommend. Das Projekt wurde dankenswerterweise von der Stiftung Kunst und Kultur der Sparkasse unterstützt.

Mein Dank geht an Reinhard Kreitmair für den Slogan, der hier nochmals zu Ehren kommt und an Christian Chymyn, der für die Gestaltung des Logos und Plakates verantwortlich ist.

 

Blumen pflücken verboten!

Am 8. Juli 1912 war es soweit: die erste Lokalbahn fuhr durch den Dachauer Landkreis – allerdings  vorerst nur bis Schwabhausen. Denn erst ein Jahr später, im Dezember 1913 war das letzte Teilstück bis Altomünster vollendet. Zahlreiche Geschichten und Anekdoten ranken sich um das von den Einheimischen liebevoll genannte „Bockerl“ oder „Bummerl“. So wird und wurde augenzwinkernd berichtet, dass Blumen pflücken während der Fahrt im „Alto-Express“ verboten gewesen sei. Tatsächlich kam es vor, dass der Zug auf offener Strecke außerplanmäßig anhielt, wenn z.B. der Schaffner beim Blick aus dem offenen Zugfenster seine Mütze verloren hatte …

Gerne wird auch von der Jubiläumsfeier „60 Jahre Lokalbahn“ erzählt, bei der noch einmal an die Gründerzeit der Bahn erinnert wurde. Die Organisation übernahm ein Festkomitee, das die Zeit um das Jahr 1913 in Anlehnung an Ludwig Thomas Schriften aufleben ließ. Ein von einer Dampflok gezogener Zug beförderte die in Kostümen der Jahrhundertwende und Dachauer Tracht erschienenen Fahrgäste, darunter auch viel Prominenz. So wurde unter anderen am Bahnhof Dachau der königliche Prinz Xaver musikalisch mit dem Defiliermarsch und „literarisch“ von einer Ehrenjungfrau mit Versen begrüßt:

„Heil der königlichen Hoheit,

dem Prinz Xaver Heil, der wo heut

diesen Zug besteigen tat,

der nach Altomünster fahrt….“

Der von Thoma erfundene Landtagsabgeordnete Filser versuchte sich an einer Rede, ein störrischer Ochse wurde in den Viehwaggon eingeladen, Hochzeitslader und ein Brautpaar, Bauern und ihre Frauen lieferten sich schlagfertige Wortgefechte, bis die Abfahrt angekündigt wurde. Der dampfgetriebene Zug zuckelte durch das Dachauer Land, wo an allen festlich geschmückten Bahnhöfen angehalten wurde und besondere Darbietungen auf die Zugreisenden und die Schaulustigen vor Ort warteten: Reden der Bürgermeister und des Prinzen, Begrüßungsmusik und Sketche mit Lokalbezug. In Schwabhausen beklagte sich der Postillon, dass der neumodische Dampfzug ihm die Arbeit wegnähme, in Arnbach wurde der Räuber Kneissl von Polizisten gestellt, in Erdweg gab es eine große Bauernhochzeit mit Tanzboden und Rauferei, in Kleinberghofen versammelten sich viele Trachtler um einen täuschend echt wirkenden Ludwig Thoma, bevor der Zug mit seinen ausgelassenen Fahrgästen am Zielbahnhof Altomünster eintraf.

Viele, die dieses Jubiläum damals erlebt haben, schwärmen noch heute von diesem Ausnahmefest, viele erinnern sich an die Fahrten mit der alten Lokalbahn. Wer heute aus dem Fenster der modernen S-Bahnzüge blickt, sieht sogar teilweise noch die vom Prinzen Xaver geschätzte „liebliche“ Landschaft „von sanften Höhen durchzogen und mit Wäldern bedeckt“, wird aber mit zahlreichen anderen Mitfahrern zügig von A nach B gebracht – ohne unterwegs Blumen zu pflücken…

 

FOTO: Collage. Mehr zum Jubiläum der 70er Jahre bei Hans Günther Richardi und Gerhard Winkler: Ludwig Thoma und die Dachauer Lokalbahn. Geschichte und Jubiläum einer bayerischen Nebenstrecke, Dachau (Bayerland) 1974. Dort auch auf S. 85 das Zitat des Prinzen Xaver und auf S. 80 das Gedicht der Ehrenjungfrau. Im Ausstellungskatalog des Bezirksmuseums Dachau „´s Bockerl“ von 1993 ist die Geschichte der Lokalbahn von den Anfängen bis zur modernen Bahn aufgezeichnet.

Zu Thoma und der Lokalbahn noch ein Nachtrag: In einigen seiner Werke bezog er sich auf die Dachauer Bahn: in „Altaich (=Altomünster)“, 1918, „Der Ruepp“, 1921 und in verschiedenen Artikeln für die Zeitschrift März. Auch zu seinem Dreiakter „Die Lokalbahn“ ließ sich der Schriftsteller während seiner Aufenthalte in Dachau und im Dachauer Land inspirieren. Als das Theaterstück 1902 im Residenztheater in München aufgeführt wurde, war die Bahnlinie nach Altomünster allerdings noch nicht fertig. So wählte Thoma als Schauplatz für sein Stück „Dornstein“ – gleichbedeutend mit Traunstein – und die dortige Lokalbahnstrecke nach Ruhpolding.