Schlagwort: Bartholomäus Ostermair

My kingdom for a horse…

…ruft Shakespeares König Richard III verzweifelt aus, als er sein Pferd verliert und sich die Niederlage in einer entscheidenden Schlacht abzeichnet. Nicht Verzweiflung sondern Hoffnung kennzeichnet hingegen die Teilnehmer bei Leonhardi-, Georgi- oder Stefani-Umritten. Sie alle haben ein Pferd und hoffen auf den Schutz und Segen eines der Heiligen für ihre Reittiere.

Im November finden an vielen Orten wieder Leonhardi-Ritte statt. Als bekannteste gelten diejenigen im Oberland in Kreuth, Bad Tölz, Beneditktbeuern, Lenggries oder Gmund. Als ältester Pfederitt wird derjenige in Inchenhofen im benachbarten Landkreis Aichach-Friedberg genannt. Hier ist seit dem 13. Jahrhundert eine Wallfahrt zum Hl. Leonhard bekannt, die bis heute besteht.

Im Landkreis Dachau wurde 1994 der Brauch des Leonhardirittes in Pasenbach bei Vierkirchen wiederbelebt. Bereits in den 20er Jahren gab es dort Umritte. Heimatforscher Robert Böck hielt die Pferdesegnungen im 18. Jahrhundert für Vorläufer dieses Brauchs. Der Vierkirchner Helmut Größ hat sich mit der Geschichte in Pasenbach auseinandergesetzt und stieß auf den sehr aktiven Leonhardibund, den Mathias Kneißl 1762 gründete und damit die Verehrung des Heiligen beförderte. Leonhardi-Umritte fanden bis 1860 statt. Erst 1924 ist wieder bekannt, dass für fünf Jahre der Brauch wiederbelebt wurde. Die Geistlichen nahmen dabei als Reiter teil, wie uns durch den damaligen Pfarrer Johannes Spötzl überliefert ist: „Nachdem der Gottesdienst für die verstorbenen Mitglieder gehalten war, versammelte sich vor dem Gasthaus Großmann in Esterhofen eine Menge von geschmückten Wagen und Reitern, unter Assistenz des Herrn Pfarrer Huber, Weichs und Herrn Kooperator Hörl, beide ebenfalls zu Pferde und im Chorrock… Nach dem 3. Umzug segnete ich vor dem Mesneranwesen jedes Pferd mit Weihwasser. An dem Umritt nahmen an prominenten Personen noch teil: Herr Pfarrer Ebert, Giebing, Herr Pfarrer Pschorr, Ampermoching, Herr Graf Spreti auf Unterweilbach, Herr Baron Vequel-Westernach auf Kammerberg, Herr Dr. Steinbacher, Schönbrunn, alle beritten. Das Ganze hatte, ohne allen Unfall, einen herrlichen Verlauf. Ein Fest, über dessen Schönheit wir uns alle nicht genug freuen konnten und das noch lange bei den Teilnehmern Tagesgespräch blieb und das uns ermutigt, es künftig, so Gott will, jedes Jahr zu begehen.“

Der Umritt wurde in der Folge jedoch nicht jedes Jahr wieder begangen. Wie in der Presse berichtet wurde, endeten die Festivitäten häufig in Wirthausraufereien. Erst 70 Jahre später wurde die Tradition wiederbelebt und bis heute fortgeführt. Heutzutage nehmen am Ritt nicht nur Reiter teil. Es werden auch wunderschöne Motivwägen mitgeführt mit detailgetreuen Modellen des Benefiziatenhauses, der Kirchen in Vierkirchen und Pasenbach und dem ehemaligen Schloss. Auch Richard III hätte seine Freude daran: so viele Pferde und auch ein Schloß – was braucht es mehr „for a kingdom“?

 

FOTO: Birgitta Unger-Richter. Detail eines Pferdefuhrwerks von Bartholomäus Ostermair, Mörtelplastik, Bezirksmuseum Dachau, Ende 19. Jh.

Der Leonhardi-Ritt in Pasenbach 2024 findet am 27. Oktober statt. https://www.vierkirchen.de/88/aktuelles/veranstaltungskalender

Zur Wallfahrt in Pasenbch schreibt Robert Böck in: Wallfahrt im Dachauer Land (Bd.7 der Kulturgeschichte des Dachauer Landes), Hg. Museumsverein Dachau, Dachau 1991, S.178 – 182.

Die Motivwägen können auf Anfrage im vom Helmut Größ gestalteten Schaudepot in Pasenbach besichtigt werden. Dort gibt es auch weitere Informationen zur Wallfahrt, dem Leonhardibund und der Ortsgeschichte Pasenbachs. In der nahe gelegenen Kirche St. Leonhard ist auch außen eine Skulptur des Heiligen zu sehen, der zunächst als Einsiedler und später als Mönch lebte, sich sehr für die Gefangenen einsetzte und auch als deren Patron gilt. Er wird mit einer Kutte bekleidet dargestellt und hält Ketten in der Hand. Später wurden die ursprünglichen Gefangenenketten als Viehketten umgedeutet und Leonhard als Patron der Tiere verehrt. Er gilt als einer der 14 Nothelfer. 

Das Zitat über den Leonhardi-Ritt 1924 findet sich auf Hans Schertls Webseite kirchenundkapellen

 

 

 

 

 

Beim Jaga

In Altomünster in der Pipinsrieder Straße gibt es eines der seltenen Beispiele für eine Fassadenmalerei im Landkreis Dachau: ein Jäger mit angelegtem Gewehr und begleitendem Jagdhund vor einem Baum (s.u.). Das Bild erinnert daran, dass hier früher das Haus „Beim Jaga“ stand. Im 19. Jahrhundert schmückten die Fassade ein auf einen Hirsch schießenden Jäger – das Bild ist ebenfalls im Anhang. Dabei handelte es sich um Mörtelplastiken, die der in unserem Landstrich bekannte Maurer Bartholomäus Ostermair (1837-1899) geschaffen hatte. Bei der Sichtung seines Werks für einen Vortrag fand ich eine Abbildung des Hauses, die mich neugierig machte. Ostermair, der künstlerisch veranlagte Maurer aus Metzenried im Landkreis Schrobenhausen, hatte auf der Stör, d.h. als wandernder Handwerker, die umliegenden nahen und auch ferneren Dörfer bereist und dort Arbeit angenommen. Dazu gehörte neben der „klassischen“ Tätigkeit als Maurer auch das Anfertigen sogenannter „Mörtelplastiken“, die er aus einer Gipsmischung mithilfe von Gewebe und Holzleisten formte. Vor allem an Ställen sind seine Bauernheiligen und lebendig gestalteten Tiere noch zu sehen. Treuherzig schauende Kühe, munter ausschreitende Pferde, Fuhrwerke mit gemütlichem Kutscher, Heilige wie Florian, Leonhard oder Georg. Aber ein auf ein Reh zielender Jäger? An einem Haus in Altomünster? Leider ergaben die Nachforschungen, dass das Relief unwiederbringlich beim Neubau eines Hauses Mitte der 60er Jahre abgebrochen wurde. Und woher kam die Idee, einen Jäger auf der Fassade zu zeigen? Diese Frage ließ sich einfach lösen: der Sohn des Bartholomäus Ostermair hatte die Altomünsterer Jägertochter geheiratet, sodass der Vater wohl eine Plastik für deren Wohnhaus stiftete.

Am ehemaligen Jägerhaus ist auch heute noch der eingangs genannte Jäger auf der Pirsch dargestellt. Geht man ein paar Straßen weiter, trifft man auf eine weitere „Plastik“ (im wahrsten Sinne des Wortes aus Plastik), die in einem Privatgarten steht. Hier wird die Jägergeschichte fortgeschrieben: der Waidmann und sein Dackel scheinen nach getaner Arbeit auf dem Nachhauseweg zu sein. Der begleitende Igel hat sich bereits ein Pfeifchen angesteckt und das Reh mit Kitz im nahen Gebüsch schaut entspannt aus der Ferne zu. Es ist nicht in Gefahr. Hier herrscht neben einem großen einladenden Gartensessel schon Feierabendstimmung beim Jaga…

 

FOTOS: Birgitta Unger-Richter bis auf Jagahaus von 1912. Herzlichen Dank an den Besitzer der Jäger-/Igel-/Rehfiguren für die Erlaubnis die Fotos zu veröffentlichen. Das historische Foto verdanke ich Ernst Graf aus Altomünster, ebenfalls Zusatzinformationen von Alto Gruner zum Haus „Beim Jaga“. Vielen herzlichen Dank auch dafür!

Mehr über Bartholomäus Ostermair ist in der umfangreichen Monografie von Xaver Ostermair, erschienen 2020, zu erfahren. Dort finden sich zahlreiche Abbildungen der phantastischen und phantasievollen Darstellungen. Auch im Artikelarchiv des Amperlandes wird man fündig bei Josef Bogner: Bäuerliche Mauerplastiken in Amperland, 1967, S.71-75 und ders. in Amperland 1970, S. 17. Ein Standardwerk ist Robert Böck: Mörtelplastiken im nordwestlichen Bayern. In: Bayer. Jb. für Volkskunde, München 1959.

Das „Jagahaus“ in einer Aufnahme von 1912 (Archiv Ernst Graf) und heute. Das Reh mit Kitz befindet sich im gleichen Garten wie der gemütliche Jäger mit Igel.

 

Jaga Anwesen 1912
Mörtelplastik, Detail, 19. Jh.
Jäger auf der Pirsch am Neubau der 60er Jahre
Fassadenmalerei der 60er Jahre am heutigen „Jägerhaus“
Reh mit Kitz in einem Garten in Altomünster