Schlagwort: Unsinniger Donnerstag

Hexen und Heilige

Am Unsinnigen Donnerstag stürmen wieder die Hexengilden die Rathäuser im Landkreis Dachau – auch in Markt Indersdorf. Weniger bekannt ist, dass an diesem Tag auch das Treffen des dortigen Isidoribundes stattfindet.

Zunächst feiern die Mitglieder eine Messe in der Marktkirche. Anschließend findet die Jahresversammlung des Vereins in einem Wirtshaus statt. Zum Essen gibt es traditionell drei Weißwürste, zwei Kalbsbratwürste und drei Brez´n, zusammengebunden mit einem weißblauen Band. Früher dauerte das Zusammensein mit Musik und Pferderennen bis spätabends oder sogar bis zum nächsten Tag, wie ein Chronist 1924 festhielt.

Gegründet wurde der Isidoribund 1635 nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges, also vor 390 Jahren. Damit ist er der älteste Verein in Markt Indersdorf! Er war als eine Art von Selbsthilfevereinigung der Bauern gedacht, um sich gegenseitig in Notlagen zu unterstützen. Dazu gehörte, dass jedem Vereinsmitglied ein Jahr nach seinem Tod eine Messe gelesen wurde. Der Jahresbeitrag war nie sehr hoch. So betrug er beispielsweise 1924 zehn Pfennige und seit 2016 einen Euro. Unterstützung erhielt der Verein von jeher auch durch die örtlichen Brauer.

Und warum traf man sich ausgerechnet am Unsinnigen Donnerstag, wo doch der Gedenktag des Heiligen am 15. Mai ist? Im Frühjahr gab es viel Arbeit für die Landwirte, weshalb man den Gedenktag „aus praktischen Gründen“ vorverlegte. Und weil am Unsinnigen Donnerstag in Indersdorf traditionell die ersten Fastenbrezeln gebacken wurden, gibt es diese bis heute zu den Würsten beim Mittagessen.

Das Vereinszeichen ist ein Pflug aus Eisen, der an den Namensgeber des Bundes erinnert. Der wahrscheinlich im 11. Jahrhundert lebende Hl. Isidor von Madrid (die Lebensdaten sind nicht gesichert) war laut einer Legende ein frommer Bauernknecht. Als sein Herr ihn einmal auf dem Feld aufsuchte, fand er ihn kniend ins Gebet vertieft. Seine Arbeit wurde derweil von zwei Engeln, die den Pflug zogen, verrichtet. Hexen und Hexerei waren damals nicht im Spiel – wie die Heiligsprechung des Isidor am 12. März 1622 durch Papst Gregor XV bestätigte.

 

Foto: Birgitta Unger-Richter

Mein Dank gilt dem Vereinsvorsitzenden Willi Lamm, der mir Unterlagen zum Isidoribund zur Verfügung gestellt hat. Dazu gehört ein Auszug aus „Bayerisch Land und Volk in Wort und Bild“ von 1924 zum Isidorifest und handschriftliche Aufzeichnungen zur Vereinsgeschichte. Weiterhin s. Robert Gasteiger, Wilhelm Liebhart: Braukunst und Brauereien im Dachauer Land, Dachau 2009, S. 275-277. Der Indersdorfer Heimatforscher Josef Berghammer (1936 – 2009) sammelte Informationen, die auf der Webseite der Gemeinde nachgelesen werden können.

Fred Feuersteins Krawatte

Liebe Krawattenträger – bald ist es wieder soweit: am „Unsinnigen Donnerstag“ sind die Trophäenjägerinnen wieder unterwegs, um mit einem kräftigen Schnitt Schlipse zu durchtrennen.
Als Heimatpflegerin wurde ich schon des öfteren gefragt, ob es dafür historische Wurzeln oder ernsthafte Traditionen gebe? Eine schnelle Antwort wäre, dass gerade am „Unsinnigen“ Donnerstag sich diese Frage ja wohl von selbst verbiete…  Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Die seriöse Webquelle Brauchwiki schreibt dazu: „Die Krawattenjagd ist ein Brauch, der seit den 1960er Jahren in Deutschland flächendeckend verbreitet ist. Die Frauen schneiden hier, meist zur „Weiberfastnacht“ (Donnerstag vor Rosenmontag), den Männern die Krawatten ab. Auch dieser Brauch ist als Machtübernahme zu verstehen, hier kommt allerdings auch die Bedeutung der weiblichen Machtdemonstration zum Tragen. Manche sprechen hier gar von einer symbolischen Kastration des Mannes, da die Krawatte ein typisch männliches (…) Kleidungsstück ist.“

Dass Krawatten ein männliches Symbol werden könnten, das haben sich die Erfinder derselben sicherlich nicht gedacht. Es waren nicht die Feuersteins, wie die eine Krawatte auf meinem Foto vielleicht suggerieren mag. Kroatische Söldner hatten sie am Hofe Ludwig XIV populär gemacht, nachdem sie zuvor bereits Bestandteil soldatischer Uniformen gewesen war. Die Binder wurden „à la cravate“- nach kroatischer Art – genannt und avancierten zum modischen Accessoire. Auch Frauen ergänzten damit gerne ihre Reitkleidung. Richtig in Mode kamen Krawatten allerdings erst im 20. Jahrhundert und wurden auch von Frauenrechtlerinnen gerne getragen.

Und heute? Den klassischen Krawattenträger gibt es zunehmend weniger, denn die auch als „Schlips“ oder „Binder“ bezeichneten Textilien sind immer seltener Bestandteil der Dienstkleidung. Der Dresscode in großen Unternehmen verändert sich stetig in Richtung „casual“ und selbst in den Bankinstituten darf es heutzutage legerer zugehen. Dazu kommt, dass immer mehr Frauen verantwortungsvolle Positionen übernehmen. So kann es gut sein, dass sich auch die Bedeutung der Krawatte ändern wird.

Vielleicht wird damit – in nicht mehr allzu ferner Zukunft – die Sammlung einer Kollegin aus dem Landratsamt, die ich für diesen Beitrag fotografiert habe, historische Bedeutung erlangen: als Beleg für einen einstigen Brauch und eine Dokumentation des modischen Wandels der Krawatte. Erstaunlich, was sich Krawattendesigner so alles ausgedacht haben! Mein persönlicher Favorit der Sammlung ist übrigens, wie sie sicherlich erraten haben, das Steinzeit-Exemplar mit Fred Feuerstein und Barney Geröllheimer…

Das FOTO wurde 2017 im Büro einer Kollegin im Landratsamt Dachau aufgenommen. Ihre Sammlung wächst stetig und wird auch immer wieder umdekoriert.