Schlagwort: Denkmalschutz

Eine Mammutaufgabe

Ein wahre Mammutaufgabe war das Projekt der Archäologischen Arbeitsgruppe im Hutter-Museum! Was als vage Idee begann, hat jetzt ein Gesicht bekommen: seit Mitte September sind an fünf Orten im Landkreis Dachau Schilder aufgestellt, auf denen man Informationen zu Bodendenkmälern erhält.

Im Vorfeld der Aktion wurde viel diskutiert. Sollte man auf die Bodendenkmäler aufmerksam machen oder nicht? Schließlich wollte man ja keine Schatzjäger, Sondengänger oder Raubgräber anlocken. Aber wäre es nicht besser auf die Bodendenkmäler hinzuweisen, um sie besser ins Bewußtsein zu bringen und damit gerade vor Mißbrauch zu schützen?

Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege teilte die letztere Ansicht und unterstützte das Unterfangen tatkräftig und finanziell. Die Hobbyarchäologen des Vereins setzten daraufhin viel Zeit, Kenntnisse und Beharrlichkeit ein, um die Schilder auf den Weg und an ihren Platz zu bringen. Wo konnten sie aufgestellt werden? Wer war der Grundbesitzer und erteilte die Genehmigung dafür? Wie tief sollten die Fundamente sein – gab es Leitungen im Boden, die gefährdet waren? Wie war es um die Verkehrssicherheit bestellt? Welche offiziellen Genehmigungen waren einzuholen?

Parallel zu all den behördlichen Hürden und den technischen Details wurden die Inhalte für die Tafeln gesammelt, mehrfach überarbeitet und optisch ansprechend gestaltet. Zusätzlich gibt es an jedem Ort jetzt auch einen Informationsflyer.

Die Beschilderung ist eine Werbung für den Schutz unserer archäologischen Denkmäler und öffnet ein Fenster in die Vergangenheit: Reste von Römerstraßen, Befestigungen und Grabhügeln haben Jahrhunderte überdauert. Sie erzählen von der Zeit der Römer und ihrer Verkehrs- und Handelswege, dem Leben im Mittelalter mit Burgen und Siedlungen, den Menschen in ihrer jeweiligen Zeit.

Sie können sich gerne auf die Reise zu einigen der archäologischen Stätten in unserer Heimat machen und dort mehr erfahren. Respekt vor der Geschichte und des Ortes ist dabei selbstverständlich. Bei Fragen rund um den Denkmalschutz sind sowohl die Kreisheimatpflege als auch die Untere Denkmalschutzbehörde ein guter Ansprechpartner. Das Hutter-Museum in Großberghofen bietet für interessierte Besucher eine kleine, aber feine Sammlung zur Archäologie im Landkreis Dachau.

Es gibt noch viel zu tun in der Zukunft, um – auch noch nicht entdeckte – Bodendenkmäler zu schützen. Eine Mammutaufgabe? Jedenfalls hat das Plüschmammut beim gerade abgeschlossenen Schilderprojekt als Maskottchen gute Dienste geleistet.

 

FOTO: Birgitta Unger-Richter mit Dank an Frau Dr. Mayer, ihr Mammut fotografieren zu dürfen. Wie sie mir kürzlich mitteilte, hat das Mammut auch einen Namen: „Manni“.

Mein großer Dank gilt weiterhin allen Mitgliedern der Archäologischen Arbeitsgruppe, die für das Durchführen des Schilderprojektes verantwortlich waren: das war eine Wahnsinnsarbeit! Chapeau! Hier noch ein Eindruck der Arbeitsgruppe mit Frau Dr. Mayer bei der Standortüberprüfung in Großberghofen. Dort gibt es ein Schild an der Ruhebank mit Blick auf das Areal der ehemaligen Villa Rustica. Das andere Bild zeigt exemplarisch für die anderen Schilder die Aufstellung bei Arnzell. Der Übersichtsplan zeigt die archäologischen Stätten im Landkreis Dachau.

 

Wachgeküsst…

In dem von den Brüdern Grimm aufgezeichneten Märchen „Dornröschen“ wünscht eine frustrierte böse Fee, die nicht zur Tauffeier der Prinzessin geladen wurde, dieser den frühen Tod. Glücklicherweise kann eine weitere Fee diese Verwünschung in einen hundertjährigen Schlaf abwandeln. So schläft die Prinzessin hundert Jahre in einem Schloss, um das dann im Laufe der Jahrzehnte eine Dornenhecke wächst, ihren sogenannten „Dornröschenschlaf“ – bis endlich ein Prinz kommt und sie wachküsst.

Den Bauzaun eines Baudenkmals in Großberghofen schmückt seit kurzem ein Banner, auf dem steht, dass dieses Gebäude aus dem „Dornröschenschlaf“ erweckt werde. Das sogenannte „Stafflerhäusl“ wurde allerdings nicht verwünscht, sondern eher vergessen. Mitte des 19. Jahrhunderts als Austrag erbaut, diente das kleine Haus vielen Menschen als Heimstatt und stand die letzten Jahrzehnte an der Hauptstraße des Ortes verwaist da. Keine Dornenhecke, aber ein dichter Saum von Ahornbäumen bildete eine grüne Mauer um das Haus, das eher „Aschenputtel“ ähnelte: grau, unscheinbar, nicht beachtet. Und um bei dem Märchenbild zu bleiben: es wartete darauf, dass es aus seinem Schattendasein befreit wird.

Zum Glück nahm sich ein Fan alter Bauwerke des Aschenputtels an und will jetzt seine Schönheit wieder sichtbar machen. Die Schönheit alter Bauwerke (nicht nur Schlösser!) wartet häufig noch auf (Wieder-) Entdecker und darauf, für weitere Jahrzehnte (oder wieder 100 Jahre) bewahrt zu werden. Man muss dazu kein Prinz sein – nur Liebe zum Objekt aufbringen, dazu Zeit, gute Beratung, eine solide Finanzierung und gute Handwerker. Dann kann auch das eine oder andere weitere Schmuckstück wieder aus dem Dornröschenschlaf erweckt werden.

Die „Kinder- und Hausmärchen“  der Brüder Grimm erschienen von 1812-1858, die Baugeschichte des Stafflerhäusls begann 1843. Am „Tag des offenen Denkmals“ 2022 besteht die Gelegenheit das Baudenkmal bei einer Führung um 15.00 Uhr zu besichtigen. Mehr zum Denkmal erfährt man auch auf der Webseite. Und wer sich für den Erhalt von Denkmälern und das Procedere der Abläufe, Finanzierung und fachgerechten Restaurierung interessiert, sei auf die Webseite des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege verwiesen. Dort gibt es auch eine Denkmalbörse mit Immobilien, die zum Verkauf stehen. 

FOTO Unger-Richter: Das Baudenkmal in Großberghofen Anfang Juli 2022.

„Dem Herrn Lehrer gfoits net recht“

Anfang der 60er Jahre fuhr ein junges Lehrerehepaar auf einem Motorroller die damals ungeteerte St. Martin-Straße in Kleinberghofen hinauf zum Schulhaus, um sich seinen neuen Arbeitsplatz anzusehen. „Wir dachten, wir seien am Ende der Welt gelandet“, erinnert sich auch heute noch die damals aus München kommende Lehrerin. Auch die Dorfbewohner staunten nicht schlecht über die junge Lehrersgattin mit schickem Kopftuch auf dem Sozius eines Rollers…

Josefine Hartlmair, die mit ihrem Mann Josef 1901 nach Bergkirchen kam, fühlte sich ebenfalls nicht gleich wohl in ihrem neuen Zuhause und schilderte in ihren Tagebüchern die ziemlich argen Schulverhältnisse: „Jenseits der Straße lag das Schulhaus, äußerlich nicht als solches erkennbar, sondern verwahrloster als die ärmste Hütte. Wie Zahnruinen standen vier bis fünf ehemalige Zaunpfosten ohne jede Verbindung zum Himmel… Ein Fenster hatte papierenen Scheibenersatz erhalten… Mäuse und Ratten konnten ungeniert ihre Vorräte einholen und in Ruhe verzehren…“ Sie fragte ihren Mann, wie er denn diese Stelle hatte annehmen können. Er erwiderte, dass man ihm diese Räume nicht gezeigt hätte, dass er aber von der Gegend und der wohlwollenden Güte des Pfarrers angezogen gewesen sei.

Neunzehn Jahre später erreichte Max Hirschberger aus Mittenwald seinen neuen Wirkort, die Schule in Eisenhofen, die damals in einem Anbau von Schloss Hof untergebracht war: „…alte, schlechte  Eingangstüren, schadhafte Löcher, kein Zimmerboden frisch gestrichen, alle abgelaufen und die meisten auch abblätternd…“. Lehrer Hirschvogel beklagte weiterhin zersprungene Solnhofer Platten, einen wackligen altersschwachen Ofen und die schreiende Mauerfarbe in grün-gelb-violett. Nach diesem Schrecken stärkte er sich erst einmal im Gasthaus, wo er einen sehr deprimierten Eindruck auf die Wirtin machte: „I moan dem Herrn Lehrer gfoits net recht“.

Nach dem ersten negativen Eindruck „Hier soll mir Heimat werden? Nein! – Drei Jahre, keinen Tag länger!“  blieb er dennoch für 17 Jahre! Und der Bergkirchner Lehrersgattin Josefine Hartlmair rieten Orstansässige: „No ja, d´ Frau muss sich halt aufs neue Haus vertrösten, wenn´s ihr im alten net gfallt“. Dieses ließ zum Glück nicht lange auf sich warten. Bereits 1902 wurde der Neubau errichtet und Hartlmairs blieben bis 1911 dort. Und das eingangs genannte Münchner Ehepaar fand in dem „abgelegenen“ Ort Kleinberghofen dann doch bis heute eine neue Heimat, wo sie auch den Wechsel vom Dorfschulhaus zur Verbandsschule miterlebten. Diese modernen Schulzentren wurden ab den 70er Jahren (Erdweg) errichtet. Und aus allen ehemaligen Dorfschulen, von denen viele aufgrund ihrer Geschichte und Bedeutung unter Denkmalschutz gestellt wurden, sind inzwischen moderne Kindertagesstätten, Wohn- und Geschäftshäuser, ein Gasthaus oder auch ein Rathaus wie in Bergkirchen geworden. Gut möglich, dass das den oben genannten Chronisten vergangener Tage gefallen könnte.

 

Die Schulgeschichte in Eisenhofen und Bergkirchen kann in den Ortschroniken Bergkirchen. Ein Dorf mit Geschichte. Hg. Gemeinde Bergkirche, 2014 und Ortsgeschichte Eisenhofen. Herausgeber Arbeitsgruppe des Vereins Heimatgeschichte Eisenhofe e.V. 2015 nachgelesen werden. Das Heimatbuch der Gemeinde Erdweg: Erdweg – Eine Gemeinde in Geschichte und Gegenwart ist 2022 erschienen.

Das FOTO ist Teil einer selbst gebastelten Glückwunschkarte zum Schuleintritt meines Sohnes.