Schlagwort: Landkreis

In einem fremden Land

Wenn mich jemand nach „Geheimtipps“ im Dachauer Land fragt, dann nenne ich auch die Kirchenbauten der ersten Protestanten. Sie stehen an landschaftlich reizvollen Punkten im Dachauer Hügelland, können gut per Rad erkundet werden und erzählen von der weniger bekannten Geschichte unserer Heimat – ja von einem „fremden Land“,  wie es einer der ersten Siedler nannte.

Die Anfänge der protestantischen Ansiedlung datieren ins beginnende 19. Jahrhundert. Vornehmlich aus der Pfalz und dem Elsass kamen die sogenannten „Überrheiner“. Sie erwartete die schwierige Aufgabe, Moorgegenden zu kultivieren oder landwirtschaftlich vernachlässigte Gebiete wieder nachhaltig zu bewirtschaften. In Karlsfeld entstand die Mooskolonie und im nördlichen Landkreis wurden Weiler und einzelne Höfe in der Gegend um Langenpettenbach und Hilgertshausen übernommen.

Die neuen Bewohner brachten ein großes Wissen mit und setzten es tatkräftig in die Praxis um. Von der Mennonitengemeinde in Eichstock ist überliefert, dass ihre Mitglieder mit der Dreifelderwirtschaft, dem Anbau von Klee und intensiver Viehhaltung große Erfolge in der Landwirtschaft erzielten. Auch technischen Neuerungen gegenüber waren sie sehr aufgeschlossen: einzigartig in Bayern war 1847 der Import einer amerikanischen Dreschmaschine, die gemeinschaftlich von zehn Familien genutzt wurde. Die vorhandenen Höfe wurden instand gesetzt und um- oder ausgebaut. Ein Beispiel dafür ist der Hof Eichstock 1, wo 1839 auch der Pfälzer Baustil in einer Hofanlage mit straßenseitigem Eingangstor einen Widerhall fand.

Im überwiegend katholischen Dachauer Land lebten die protestantischen Siedler ihren Glauben in ihren Gemeinschaften und versammelten sich zum sonntäglichen Gebet anfangs im Umland von Kemmoden und auf den Höfen der Siedler wie dem Hammerhof in Stachusried oder dem Tafelhof in Tafern. Taufen, Trauungen und Beerdigungen wurden zu diesem Zeitpunkt noch von katholischen Geistlichen vorgenommen. Mit der Errichtung der Bethäuser in Kemmoden (1829), Lanzenried (1836) und Eichstock (1841) gab es Säle für Gottesdienste und Räume für den Schulunterricht. Auf den dazugehörigen Friedhöfen konnten die toten Gemeindemitglieder bestattet werden. Zuvor wird berichtet, dass das Begräbnis eines Protestanten ohne jedes Aufsehen vor sich zu gehen hatte, nämlich „sine lux et crux“ ohne Licht und Kreuz, und der Pfarrer Zivilkleidung getragen habe.  Ja es wird sogar mündlich überliefert, dass es eine „evangelische“ und eine „katholische Schaufel“ gegeben habe….

Trotz wirtschaftlicher Erfolge und der Schaffung von geistlichen Zentren wurde für viele Siedler das Dachauer Land dennoch nicht zur dauerhaften Heimat. Als 1848 die Revolution ausbrach, formulierte der Mennonit David Ruth seine Sorgen: „Wir hatten große Angst … weil wir in einem fremden Land und nicht katholisch waren“. Über die Hälfte der Protestanten machte sich nochmals auf den Weg nach Amerika – andere blieben und bewohnen mit ihren Nachfahren bis heute das nördliche Hügelland des Dachauer Landkreises.

 

 

Der Geschichte der Protestanten im Landkreis ist eine Ausstellung im Bezirksmuseum Dachau gewidmet. Die Informationen zu diesem Beitrag entnahm ich dem dazu erschienenen Ausstellungskatalog und den darin enthaltenen Aufsätzen von Susanne Pfisterer-Haas und Helmut Funck. Weiterhin: Helmut Funck: Zur Geschichte der Überrheiner. In: Zeitschrift Amperland 2005, Heft 3, S. 88-94.

Die Heimatpflege Dachau erinnert mit „Gegen das Vergessen“ 2017 an die beiden Stifter des Baugrundes für die Gebäude in Lanzenried und Eichstock. 

Auf dem FOTO ist die evangelische Kirche in Kemmoden zu sehen.

Schießen sie keinen Hirsch am Samstag!

„Schießen Sie keinen Hirsch am Samstag! Bitte kommen Sie.“ Diese wahrhaft merkwürdige Formulierung steht in einer Einladung.

Sie stammt aus dem Brief Georg Queris vom 26.11.1912 an den jagdbegeisterten Ludwig Thoma. Darin bittet er ihn, ihn bei einem Sittlichkeitsprozess wegen seines Buches „Kraftbayrisch“ vor Gericht zu unterstützen. Thoma kam der Aufforderung nach und gehörte mit Michael Georg Conrad, Ludwig Ganghofer und Otto Maußer, dem Leiter der Wörterbuchkommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, zu Queris Fürsprechern. Ihr persönliches Erscheinen vor Gericht bewirkte mit, dass Queri in diesem Verfahren freigesprochen und der sprachwissenschaftliche Charakter des Buches anerkannt wurde.

Ludwig Thoma (1867-1921) unterstützte Georg Queri (1879-1919) nicht nur bei seinem Prozess. Beide waren befreundet und gaben gemeinsam 1913 eine Anthologie bayrischer Schriftsteller unter dem Titel „Bayernbuch“ heraus.

Georg Queri selbst wurde zum einen bekannt durch seine Mundarterzählungen, die unter anderem in dem 1909 erschienenen Band „Die weltlichen Gesänge des Egidius Pfanzelter von Polykarpszell“ veröffentlicht wurden. Er machte sich aber auch einen Namen durch die Herausgabe volkskundlicher Schriften, wie das erwähnte „Kraftbayrisch“ von 1912 und die Studien zum Haberfeldtreiben „Bauernerotik und Bauernfehme in Oberbayern“ 1911. Ab 1918 arbeitete Queri als Redakteur bei der Zeitschrift „Jugend“.

Dennoch stand Georg Queri immer im Schatten Ludwig Thomas, wie der Direktor des Münchner Stadtarchivs Dr. Michael Stephan feststellte. Durch seine Forschungen und die Herausgabe seiner Werke hat er ihn wieder in das Bewusstsein des literarisch interessierten Publikums gebracht. Er liest in Dachau zusammen mit dem Schauspieler Bernhard Butz Texte des bayrischen Schriftstellers Georg Queri, die seinen kritischen Geist zeigen, Erotisches und Deftiges nicht auslassen und die Zeit Queris und Thomas durch Briefe und Zeitungsartikel lebendig werden lassen.

Dazu sind sie herzlich eingeladen. Folgen sie doch einfach der Aufforderung Georg Queris und nehmen sie sich dafür die Zeit: „Schießen Sie keinen Hirsch am Samstag! Bitte kommen Sie.“

 

 

Die Veranstaltung des Landkreises Dachau war ein Beitrag zum Thoma-Jubiläumsjahr. Sie  fand am Samstag, den 7. Oktober 2017 in der Gaststätte Kochwirt statt. 

Der Hirsch auf dem FOTO hat einen wunderbaren Blick  auf die Fraueninsel im Chiemsee.

 

Ein Hofmaler

Kennen sie das hier abgebildete Bauwerk? Das ehemalige Hofmarkschloss im kleinen Ort Hof bei Eisenhofen? Einige von ihnen erinnern sich vielleicht noch an die Zeit, als vor der Gründung der Verbandsschule in Erdweg 1972 hier noch Schüler unterrichtet wurden. Ein wirklich geeigneter Ort für das Lernen, hatte hier doch bereits im 16. Jahrhundert der gelehrte Leonhard von Eck residiert, der seinerzeit als Berater Wilhelms IV am Hof in München das politische, wirtschaftliche, religiös-geistige und soziale Leben Bayerns prägte.

Und heute?

Bei einer meiner Entdeckungsfahrten durch den Landkreis führte mich mein Weg zum Schlösschen, wo ich das Glück hatte, das Ehepaar Riederer zu treffen, das mir mehr über die jüngere Geschichte des Schlosses erzählen konnte. Nach der Auflösung der Schule wurde es von vielen Künstlern bewohnt, die hier in der ländlichen Umgebung Inspiration fanden. Und auch Hartmut Riederer ist ein Künstler, der die Tradition der gelehrten Bewohner, Wissensdurstigen und Künstler fortsetzt. Er verfasst Theaterstücke, schreibt Prosatexte und Lyrik und malt fantasievolle Gemälde. Er erzählt darin von kosmischen Welten und schöpft aus seinem reichen Fundus an literarischem und philosophischem Wissen, das in sein vielseitiges Werk einfliesst.

Schnell stand für mich fest, dass noch mehr Menschen im Landkreis und darüber hinaus den Maler und Schriftsteller kennenlernen sollten. So werden jetzt ab 24. September 2017 im Museum in Altomünster bei einer Werkschau Bilder des „Hof“- Malers Hartmut Riederer unter dem Titel „Kosmos“ gezeigt werden. Da Hartmut Riederer erst vor kurzem seinen 75. Geburtstag gefeiert hat, ist die Ausstellung gleichzeitig ein schönes Geburtstagsgeschenk. Herzlichen Glückwunsch!

Das FOTO zeigt die Einfahrt zu Schloss Hof, das sich in Privatbesitz befindet und nicht besichtigt werden kann.

 

Servus beianand!

Vorgestern auf der Autobahn sah ich auf der Gegenfahrbahn Auto an Auto, Stoßstange an Stoßstange, alle auf dem Weg in Richtung Süden, die bayrischen Seen, die Berge – alles beliebte Ausflugsziele am Wochenende und auch für den längeren Aufenthalt. Ich war hingegen auf der Fahrbahn gen Norden in unseren Landkreis unterwegs und kam zügig voran.

Dabei fiel mir wieder ein, dass die April-Ausgabe des Magazins Servus für unser Dachauer Land geworben hatte. Die Redaktion hatte zu „einem Ausflug in ein beschauliches Stück Oberbayern“ eingeladen und zum Besuch aufgefordert: „Da gehen wir jetzt hin“.

Mit etwas klopfendem Herzen hatte ich den Beitrag gelesen: was würde die Redaktion von unser Gegend zeigen, wie würde das Dachauer Land dargestellt werden? Beim ersten Durchblättern: schöne Bilder, einladende Einkehrmöglichkeiten, Kulturtipps und nur Sonnenschein, blühendes Land, barocke Pracht, lächelnde Bürger. Auch in die oberbayrische Klischeekiste wurde kräftig gegriffen: Tracht, Bier, Wallfahrt. Aber das ist ja nicht verwunderlich –  oder haben sie schon einmal eine Reiseempfehlung mit verregneten Landstrichen und griesgrämigen Bewohnern gesehen, gar mit Wanderrouten durch gesichtslose Gewerbegebiete und Neubausiedlungen?

Deshalb zeigt auch Servus einige Schokoladenseiten des Dachauer Landes, die vielleicht mehr Besucher in den Münchner Norden locken werden. Dennoch glaube ich nicht, dass sich die Besucherströme von Norden nach Süden umkehren werden. Wir werden weiterhin ohne Stau und Stress das Hügelland, die Museen und Kulturangebote genießen können. Und schließlich gibt es ja noch viel mehr bei uns zu entdecken, als der Servus-Artikel vorgestellt hat!

In diesem Sinne bis demnächst, ganz entspannt, vielleicht in einem unserer Biergärten: „Servus beianand!“

 

Mein Tipp: im Juli erscheint im Bayerland Verlag ein Heimatbuch für Kinder. Zwei Mäuse unternehmen eine Entdeckungstour durch den Landkreis. Lassen sie sich überraschen!

Und noch ein Tipp: Mit dem Dachauer Forum besuche ich im Juni Kunsthandwerker im Landkreis.  

Das FOTO entstand beim Ludwig-Thoma-Gartenfest in Mariabrunn im Frühjahr 2017.

Herbergssuche

Was würde ich tun, wenn morgen ein junges Paar in abgetragenen Kleidern, sie hochschwanger, an meiner Tür klingeln und um ein Nachtquartier bitten würde? Diese Frage haben sie sich vielleicht auch schon einmal gestellt, wenn sie an Weihnachten die Vorgeschichte zu Christi Geburt im Evangelium von Lukas gehört haben.

Die Suche nach einer Unterkunft wird auch heute im volkstümlichen Brauchtum als „Frautragen“ nachvollzogen, wenn symbolisch eine Marienstatue von Haus zu Haus getragen und jeweils für eine Nacht beherbergt wird. So auch in unserem Landkreis z.B. in Markt Indersdorf, wo Maria in der Adventszeit in den Häusern der künftigen Kommunionkinder zu Gast sein darf. Auch in den zahlreichen Krippenspielen, die Kinder in der vorweihnachtlichen Zeit oder auch an Hl. Abend aufführen, ist die Herbergssuche ein Bestandteil des Schauspiels.

Die Herbergssuche ist für viele Menschen aber auch eine reale und bittere Tatsache. Über 2.000 Menschen suchen einen bezahlbaren Wohnraum im Landkreis Dachau. Die Caritas Dachau weist unermüdlich auf diesen Notstand hin und versucht im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu helfen: mit Informationen, Spendenaufrufen, mit Appellen an Wohneigentümer, ihren Wohnraum zu vermieten, an Bauherren und Gemeinden, neuen sozialverträglichen Wohnraum zu schaffen. Auch die Presse setzt sich dafür ein, diesen Missstand aufzuzeigen und Änderungen in die Wege zu leiten.

Denn einen Ort zum Wohnen zu haben, bedeutet nicht nur einfach ein Dach über dem Kopf zu besitzen. Obwohl der moderne Mensch im weltweiten Netz zu Hause sein kann, ist die eigene Wohnung immer noch ein Ort für den persönlichen Rückzug, für Selbstbestimmung und Individualität. Die selbst gestaltete Umgebung kann für viele Heimat sein.

Zurück zu meiner eingangs gestellten Frage: die Unterbringung für eine Nacht wäre sicherlich ein Anfang, den ich auch leisten könnte. Aber erst wenn eine dauerhafte Wohnsituation geschaffen werden könnte, würde das Paar eine Heimat finden.

 

Auf dem FOTO ist eine der Krippen des in Dachau lebenden Künstlers Walter von Ruckteschell (1884-1941) zu sehen.

 

Echte Hits im Advent

„O wei, o wei – o Weihnachtszeit“ singt die A-cappella-Gruppe „6-Zylinder“ unnachahmlich im vertonten Kinderbuch „Der Schweihnachtsmann“. Als unsere Kinder klein waren, hat uns dieses Musical immer durch die Adventszeit begleitet. Ein echter „Schmarrn“- hilft doch ein Schwein als Weihnachtsmann aus und beschert die Kinder. Aber die Kleinen lieben solchen Unsinn, auch wegen der zahlreichen Lieder zum Mitsingen. „Plätzchen kommt von Platzen“ singen wir auch heute noch, wenn der erste Teller Selbstgebackenes auf dem Tisch steht und greifen dann kräftig zu.

„O wei“ bezieht sich aber auch auf die Hektik und die scheinbar ungebremste Betriebsamkeit, die sich im Advent entwickelt, der keine „staade Zeit“ mehr ist. Dazu gehört auch die omnipräsente Kaufhausberieselung à la „Jingle bells“, die das rege Klingeln der Registrierkassen wohl musikalisch untermalen soll.

Musik in der Adventszeit kann aber auch das Gegenteil sein, wie Veranstaltungen zeigen, die klassische Musik und auch Volksmusik in Kirchen und Säle bringen, die die Wartezeit auf Weihnachten bewußt machen und eine Auszeit aus der Hektik des Trubels bieten. Dazu gehören die zahlreichen Adventssingen im Landkreis, wie in Altomünster, Bergkirchen oder in Markt Indersdorf. Dazu gehört auch das Angebot des Volksmusikarchivs, das unter anderem auch Veranstaltungen zum aktiven Singen anbietet.

Hierzu zähle ich dieses Jahr auch ein besonderes Konzert, das am kommenden Freitag um 19.00 Uhr in der barocken Kirche St. Vitalis in Sigmertshausen stattfindet. Heinz Neumaier hat neue Lieder zur „Heiligen Nacht“ von Ludwig Thoma geschrieben. Sie werden von den Moosdorfegger Sängerinnen vorgetragen werden, musikalisch begleitet von der Gröbenbach Musi. Der Dachauer Claus Weber wird die Weihnachtsgeschichte in bairischen Dialekt vortragen. Die 1915 geschriebene Erzählung wurde schon oft gelesen und gehört schon traditionell zur Dachauer Adventszeit. In Sigmertshausen laden die Organisatoren ein, sie mit der von Heinz Neumaier komponierten Musik nochmals neu zu entdecken und zu erleben. Der Eintritt dazu ist frei. Spenden sind jedoch herzlich willkommen. Der Erlös wird dem Förderverein der Hofmarkkirche Schönbrunn zugute kommen, dessen (hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft)  sanierter Kirchenraum sich auch bestens für Konzerte eignen wird.

Ich freue mich auf ihren Besuch und ihre Unterstützung für eines der markantesten Denkmäler in unserem Landkreis!

 

 

Das FOTO zeigt Herrenhuter Sterne auf einem Weihnachtsmarkt in Regensburg.

 

Heimat – Lebenswelt

„Heimat ist, von wo man als Jugendlicher flüchtet und wohin man im Alter wieder sehnsuchtsvoll zurückkehrt“,  so wurde der Liedermacher und Komödiant Willy Astor in einem Radiobeitrag des Bayrischen Rundfunks in der letzten Woche zitiert. Als Heimatpflegerin wurde ich da natürlich hellhörig und auch nachdenklich.

Als Jugendliche wollte ich möglichst schnell der Heimat den Rücken kehren: es war die Zeit von Interrail, dem grenzenlosen Reisen, Abenteuerlust und Aufbruch. Doch die Reisen machten auch Lust auf andere Veränderungen: das Studium führte mich nach München, und Bayern wurde mir dann zur zweiten Heimat. Ob ich im Alter wieder ins „Ländle“ zurückgehen werde? Ich glaube eher nicht.

Vielleicht meinte Willy Astor ja auch nicht nur das physische dauerhafte Zurückkehren in die Heimat. Ich denke, dass man häufiger in der Erinnerung an besondere Erlebnisse, vor allem in der Kindheit, in die „emotionale Heimat“ zurückreist.

Dieses Erinnern und Nachdenken über das eigene Leben haben Schriftsteller literarisch in Autobiografien verwoben. Sie haben damit ihre vergangene und/oder aktuelle Lebenswelt festgehalten. Ihre persönlichen Lebenserfahrungen sind dabei häufig eng mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verknüpft.

Das war eine der Überlegungen, die mich dazu bewogen hatten das Thema des diesjährigen „Poetischen Herbst“ zu wählen: „Lebenswelt(en) – Autobiografien im Dachauer Landkreis“. Die Idee ist, mit persönlichen Textdokumenten eine poetische Brücke zum Landkreis Dachau zu bauen und den Blick auf verschiedene Zeiten und Umstände, auf politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen in unserer näheren Heimat zu lenken.

Was erlebten die Protestanten im katholisch geprägten nördlichen Dachauer Hügelland, als sie im 19. Jahrhundert ankamen? Wie lebt man als Dachauer im 20. Jahrhundert mit dem Wissen um das ehemalige Konzentrationslager in nächster Nachbarschaft? Wie steht es um das Rollenverständnis der Geschlechter? Wo steht die junge Generation? Wieviel Veränderung verträgt unsere Gesellschaft?

Gedanken dazu gibt es beim Poetischen Herbst 2016 . Wir laden sie herzlich dazu ein, ihre Heimat mit den Augen anderer neu zu sehen!

 

FOTO: Herbst im Schwarzwald.

 

 

 

 

Souvenirs, Souvenirs …

Haben sie sich auch eine Erinnerung – ein Souvenir – aus dem diesjährigen Urlaub mitgebracht? Eine Schneekugel mit dem Eiffelturm, eine Venus von Milo aus Gips oder eine venezianische Miniaturgondel als Leuchtobjekt? Solche Souvenirs werden häufig in speziellen „Souvenirshops“ am Urlaubsziel angeboten. Die Bandbreite reicht dabei von eher qualitätvollen landestypischen Produkten bis hin zu industriellen Massenprodukten aus Fernost.

An dieser Stelle muss ich ihnen meine Schwäche für solche Souvenirgeschäfte verraten. Ich finde es immer hochinteressant und amüsant die überladenen Schaufenster der Anbieter anzuschauen! Was gibt es da nicht alles zu entdecken: praktische Alltagsgegenstände wie Kugelschreiber, Teller, Gläser, Tassen mit aufgedruckten Veduten, T-Shirts, die eine Liebeserklärung an den Ort mit „I love …“ beginnen, Trachtenfigürchen, Strandlaken mit mehr oder weniger lustigen Sprüchen, Trikots berühmter lokaler Fußballspieler…. Ein Panoptikum an Dingen, die selten dem an guten Design geschulten Blick standhalten, aber dafür einen hohen Unterhaltungswert haben.

Das Phänomen „Souvenir“ (aus dem französischen „se souvenir“ – sich erinnern) war auch bereits Bestandteil wissenschaftlicher Untersuchungen. Ein Ergebnis war, dass das Souvenir nicht nur ein Symbol von Urlaub und Reise sei, ein Sammelobjekt und exotischer Schmuck des eigenen Heims, sondern auch eine Projektionsfläche von Sehnsüchten, Werten und Normen.

Das mag im einen oder anderen Fall wohl zutreffen. So erwarb Johann Wolfgang von Goethe auf seiner Italienischen Reise Andenken, die seine Begeisterung für die antike Kunst widerspiegelten. Wallfahrer brachten früher und bringen auch heutzutage häufig religiöse Gegenstände wie geweihte Plaketten oder Kerzen mit nach Hause. Aber manchmal steckt hinter dem Erwerb weniger Tiefsinniges – aus eigener Erfahrung kann ich dies bestätigen. Mein Mann und ich verschenken seit Jahrzehnten kitschige Souvenirs an ein befreundetes Paar, das sich mit ebensolchen Gaben dafür revanchiert. Wir haben viel Spass dabei!

Zum Schluss stellt sich noch die Frage, was wohl Reisende aus dem Landkreis Dachau mitnehmen könnten? Frau Oberbauer vom Heimatmuseum in Karlsfeld erzählte mir, dass sie ihrem Enkel immer besonders klingende fremdsprachige Worte aus dem Urlaub mitbringe. Von jeder Reise eines. Diese Idee könnte man doch auch auf den Landkreis Dachau übertragen. Wie wäre es denn z.B. mit exotischen Ortsnamen (die unlängst auch teilweise Bestandteil einer Serie der Dachauer SZ waren): Sixtnitgern, Xyger, Himmelreich…

 

Bei einem Marktbesuch habe ich für ein FOTO Christbaumkugeln arrangiert.

 

Resi – I hol di mit’m Traktor ab!

Nein – heute geht es nicht um volkstümliche Musik und die Rettung des wahren Liedguts – heute geht es ums Bulldogfahren! Ja – ich habe meine Liebe zum entschleunigten Fahren entdeckt!

Am vergangenen Samstag führte mich mein Weg nach Herrnrast bei Ilmmünster, wohin die „Bulldogfreunde Indersdorf e.V.“ ihre jährliche Wallfahrt unternahmen. Vor der idyllisch auf einem Berg inmitten von Bäumen gelegenen barocken Kirche waren die Schmuckstücke der Vereinsmitglieder aufgereiht: alle frisch gewaschen, poliert und mit Fähnchen geschmückt. Nach einem Gottesdienst wurden diese Fahrzeuge gesegnet und dann ging es – wie es sich für eine richtige Walllfahrt gehört – ins Wirtshaus.

Mit stolzen 17 km/h fuhren wir, nachdem wir langsam den Berg abwärts gerollt waren, im Konvoi in Richtung Ilmmünster. Es war ein sonniger Tag, der Himmel war weiß-blau und die frische Luft wehte einem um die Nase. Vom erhöhten Sitz aus blickte man weit in die Landschaft – da konnte ich gut mit meinen Gedanken spazierengehen.

So ist der 1997 eingetragene Verein der Bulldogfreunde einer der jüngeren Gründungen in unserem Landkreis. Als ältester Verein gilt die  „Königlich Privilegierte Feuerschützengesellschaft Dachau“ von 1796. Ich dachte an bestehende Schätzungen, wonach es in Deutschland an die 500.000 Vereine gibt. Sie setzen sich für gesellschaftliche, soziale und kulturelle Belange ein oder haben sich aufgrund von gemeinsamen Interessen oder Hobbies zusammengeschlossen.

Da saß ich also auf einem Eicher-Traktor, genoss die Fahrt und freute mich dabei als Heimatpflegerin, dass dieser Verein sich um die ganzen mobilen Denkmale kümmerte. Auch, dass sie so gut in Schuss waren und nicht irgendwo in einem Stadl vor sich hinrosteten. Vorneweg fuhr ein „Lanz“ von 1939, der ab und an schwarze Wölkchen hinter sich ließ, bis er in den Parkplatz vor dem Wirtshaus einbog.

Ich stieg vom Beifahrersitz herunter und bemerkte, dass ich die Fahrt wohl noch eine Weile spüren würde… Nichtsdestotrotz war die Teilnahme an der Wallfahrt eine wunderbare kleine Auszeit vom hektischen Getriebe der Woche.

Jetzt weiß ich nur nicht, ob ich meinen Mann davon überzeugen kann, als Drittfahrzeug einen Bulldog anzuschaffen. Denn damit könnte er mich gerne für eine Tour abholen – auch gerne zu einer Wallfahrt.

 

An dieser Stelle sei den Indersdorfer Bulldogfreunden nochmals herzlich gedankt für die spontane Mitnahme von zwei Passagier(inn)en!

Am „Tag des offenen Denkmals“ am 11. September 2016 können die Fahrzeuge der Bulldogfreunde in Ried bei Indersdorf begutachtet werden. Näheres dazu finden sie auf der Webseite des Vereins. 

 

Das FOTO ist ein Ausschnitt aus einem Bild mit zwei Frauen, die das erste Mal Bulldog gefahren sind.

 

 

 

Grenz-Wertig

Der Begriff „Grenz-Wertig“ kann in zwei Richtungen interpretiert werden. Zum einen bezeichnet er Werte an einer geografischen Grenze und zum anderen stellt er eben diese Wertigkeit von Dingen in Frage. Deshalb habe ich diesen Begriff bewußt als Motto für meine Exkursionen gewählt, die die Teilnehmer einmal jährlich an die Grenzen im Landkreis Dachau führen soll.

Was die erste Bedeutung anbelangt: wir reisen zusammen entlang der Landkreisgrenze in Richtung Fürstenfeldbruck, Aichach-Friedberg, Pfaffenhofen, München. Dabei besuchen wir Baudenkmäler, interessante landschaftliche Abschnitte, historisch bedeutsame Orte. Es geht dabei nicht um ein landkreisweites „Sachschaun“ in Abgrenzung zu den Nachbarlandkreisen. Es geht vielmehr um Informationen zur Kultur- und Heimatpflege die zeigen, wie willkürlich die heutigen politischen Grenzen oftmals gesetzt sind. Drei Beispiele von vielen seien hier genannt: Pfarrverbände wie der in Haimhausen-Fahrenzhausen bilden eine Einheit über Dachau hinaus mit dem Freisinger Kreis. Die Kirche St. Dionysius in Pipinsried schlägt eine Brücke zwischen der Diözese München-Freising und dem Bistum Augsburg. Die Furthmühle trennen nur wenige Meter von der Gemeinde Pfaffenhofen. Heute gehört sie zum Landkreis Fürstenfeldbruck, während sie im 19. Jahrhundert Bestandteil der Besitztümer der Augsburger Familie von Lotzbeck war, der neben Schloss Weyhern auch die ehemalige Hofmark Eisolzried bei Bergkirchen gehörte.

Übrigens abseits der Denkmalpflege: es verläuft auch eine Art sprachlicher Grenze durch den Landkreis Dachau. Der Übergang vom Dialekt des Bairischen zum Schwäbischen manifestiert sich bereits in der Gegend um Altomünster. Auch Trachten, Musik und Brauchtum lassen sich nicht auf politische Grenzen reduzieren….

Aber zurück zum Begriff „Grenz-Wertig“, der im zweiten Sinne eine Kategorie ist, die die subjektive Geschmacksempfindung betrifft: hier treffen Anhänger von Toskanahäusern auf Liebhaber von Bauhaus-Würfeln, Freunde der neuen Ruinenarchitektur auf Gartenzwergidyllen, Tradition auf Moderne.

Kann man diese beiden Grenzwerte zusammenbringen? Ich denke schon. Der Blick auf Werte schärft den Blick für Qualität und beeinflusst den Geschmack. Und in diesem Sinne halte ich es mit Oscar Wilde, der sagte: „Ich habe einen ganz einfachen Geschmack. Ich bin immer mit dem Besten zufrieden.“

Werte setzen sich durch – auch über Grenzen hinweg.

 

Auf dem FOTO sehen sie einen Blick auf eine Straße zwischen Deutenhausen und Kreuzholzhausen. Im Hintergrund die Alpenkette.