Autor: Dr. Birgitta Unger-Richter

Hutsingen

„Ein Hut, ein Stock, ein Regenschirm!“ ist ein beliebter Vers, der die Schrittfolge „vorwärts, rückwärts, seitwärts, ran“ einleitet. Für mich bedeutete er eine Abwechslung beim Spazierengehen mit den Kindern. Für einen Sängerwettstreit mit gereimten Versen wäre er allerdings nicht geeignet gewesen. Da braucht es schon mehr. Bei solchen „Gstanzl“ werden vier Zeilen gereimt und dann im Dreivierteltakt gesungen. Diese ironischen, witzigen Reime gehören u.a. zum Repertoire des Hochzeitsladers, der so Gäste einlädt, sie bei der Feier begrüßt und immer wieder für gute Stimmung sorgt. Auch im Bereich des süddeutschen Kabaretts werden gerne Gstanzl gesungen. Vielen bekannt sein dürften die Mitglieder der Wellfamilie, die in der Tradition des Roider Jackl politische Botschaften in Gstanzl packen.

Es gibt auch Wettbewerbe im Gstanzlsingen, wozu das früher im Dachauer Land verbreitete Hutsingen gehört. Für 1870 ist erstmals ein solches Hutsingen bekannt. 1930 wurde es dann von einem Volksmusiker, dem Kiem Pauli, in Erdweg wieder in Erinnerung gebracht. In den 50er Jahren belebte Berufschullehrer Heinrich Neumaier diese Art von Sängerwettstreit. Zuletzt gab es 2021 ein Hutsingen beim Poetischen Herbst in Sickertshofen. Traditionell konnte man sich dabei einen Hut ersingen: wer beim zehnminütigen Vortrag einen zu erratenden Begriff möglichst oft und in zahlreichen Variationen in Reimen unterbrachte, konnte als 1. Preis einen Velourshut, als zweiten einen Filzhut und drittens Würste gewinnen. Eine Jury aus Ratsherren, damals Bezirksheimatpfleger Dr. Göttler, Landrat Löwl und Kabarettistin Martina Schwarzmann entschieden neben dem Publikumsapplaus über den Sieger.

Die hohe Kunst des Reimens gepaart mit Witz und Spontaneität war und ist dabei unerlässlich! Gstanzlsingen ist ein geschätzter Brauch, der leider nicht mehr viele Vertreter hat. Schon beim letzten Hutsingen im Dachauer Land suchten wir lange nach drei Teilnehmern.

Der Landesverein für Heimatpflege lädt jetzt zur Fortbildung ein und hofft damit, interessierte Musiker dafür zu gewinnen. Sebastian Göller, einer der beiden Leiter der Abteilung Volksmusik, schreibt dazu in der Einladung: „Es ist eine bayerische Art Kritik zu üben und lachend die Wahrheit zu sagen.“ Und er gibt ein Beispiel: „Gstanzl krahn / ois wia r a Hahn / Oam, dem geht´s oft gengan Strich, / de andern dafür freuen sich.“

Einen Hut kann man bei diesem Workshop noch nicht gewinnen- aber wer weiß, vielleicht finden sich danach wieder ein paar Teilnehmer für ein Hutsingen…

 

TITELFOTO: Das Playmobil-Trachtenpaar im Büro meiner Kollegin Vroni. Danke, dass sie als Model fungieren durften!

Und hier ein paar Eindrücke aus dem Archiv Neumaier, Dachau. Herzlichen Dank an Heinz Neumaier für die Fotos:

Hutsingen im Dachauer Land
  1. Münchner Illustrierte Zeitung von 1935, hier Georg Kellerer
  2. Münchner Illustrierte Zeitung von 1935

Anmeldungen für den Workshop Gstanzl-Singen nimmt der Bayerische Landesverein für Heimatpflege entgegen. Die Gstanzl-Werkstatt ist schon ausgebucht, wie ich erfahren habe: aber bei so großer Nachfrage hoffe ich auf eine Wiederholung. Die Abendveranstaltung um 19.00 Uhr im Freilichtmuseum Massing kann aber besucht werden.

Zum Nachlesen: Heinrich Neumaier: Die Volkskultur im Landkreis Dachau und ihre Wiederbelebung. In: Zeitschrift Amperland 1968, 4.Jg., S.105-110. Robert Böck: Das Hutsingen. Ein Beitrag zur Volkskunde des Dachauer Landes. In: Volksfrömmigkeit und Brauch. Studien zum Volksleben in Altbayern, München 1990, S.179 -205. Siegfried Bradl: Zur Wiederbelebung des Hutsingens im Dachauer Land. In: Zeitschrift Amperland , 2008, 44.Jg., S.294-299.

Auf Youtube gibt es Videos vom Gstanzlsingen, u.a. auch mit dem Roider Jackl.

 

 

 

 

Eine Mammutaufgabe

Ein wahre Mammutaufgabe war das Projekt der Archäologischen Arbeitsgruppe im Hutter-Museum! Was als vage Idee begann, hat jetzt ein Gesicht bekommen: seit Mitte September sind an fünf Orten im Landkreis Dachau Schilder aufgestellt, auf denen man Informationen zu Bodendenkmälern erhält.

Im Vorfeld der Aktion wurde viel diskutiert. Sollte man auf die Bodendenkmäler aufmerksam machen oder nicht? Schließlich wollte man ja keine Schatzjäger, Sondengänger oder Raubgräber anlocken. Aber wäre es nicht besser auf die Bodendenkmäler hinzuweisen, um sie besser ins Bewußtsein zu bringen und damit gerade vor Mißbrauch zu schützen?

Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege teilte die letztere Ansicht und unterstützte das Unterfangen tatkräftig und finanziell. Die Hobbyarchäologen des Vereins setzten daraufhin viel Zeit, Kenntnisse und Beharrlichkeit ein, um die Schilder auf den Weg und an ihren Platz zu bringen. Wo konnten sie aufgestellt werden? Wer war der Grundbesitzer und erteilte die Genehmigung dafür? Wie tief sollten die Fundamente sein – gab es Leitungen im Boden, die gefährdet waren? Wie war es um die Verkehrssicherheit bestellt? Welche offiziellen Genehmigungen waren einzuholen?

Parallel zu all den behördlichen Hürden und den technischen Details wurden die Inhalte für die Tafeln gesammelt, mehrfach überarbeitet und optisch ansprechend gestaltet. Zusätzlich gibt es an jedem Ort jetzt auch einen Informationsflyer.

Die Beschilderung ist eine Werbung für den Schutz unserer archäologischen Denkmäler und öffnet ein Fenster in die Vergangenheit: Reste von Römerstraßen, Befestigungen und Grabhügeln haben Jahrhunderte überdauert. Sie erzählen von der Zeit der Römer und ihrer Verkehrs- und Handelswege, dem Leben im Mittelalter mit Burgen und Siedlungen, den Menschen in ihrer jeweiligen Zeit.

Sie können sich gerne auf die Reise zu einigen der archäologischen Stätten in unserer Heimat machen und dort mehr erfahren. Respekt vor der Geschichte und des Ortes ist dabei selbstverständlich. Bei Fragen rund um den Denkmalschutz sind sowohl die Kreisheimatpflege als auch die Untere Denkmalschutzbehörde ein guter Ansprechpartner. Das Hutter-Museum in Großberghofen bietet für interessierte Besucher eine kleine, aber feine Sammlung zur Archäologie im Landkreis Dachau.

Es gibt noch viel zu tun in der Zukunft, um – auch noch nicht entdeckte – Bodendenkmäler zu schützen. Eine Mammutaufgabe? Jedenfalls hat das Plüschmammut beim gerade abgeschlossenen Schilderprojekt als Maskottchen gute Dienste geleistet.

 

FOTO: Birgitta Unger-Richter mit Dank an Frau Dr. Mayer, ihr Mammut fotografieren zu dürfen. Wie sie mir kürzlich mitteilte, hat das Mammut auch einen Namen: „Manni“.

Mein großer Dank gilt weiterhin allen Mitgliedern der Archäologischen Arbeitsgruppe, die für das Durchführen des Schilderprojektes verantwortlich waren: das war eine Wahnsinnsarbeit! Chapeau! Hier noch ein Eindruck der Arbeitsgruppe mit Frau Dr. Mayer bei der Standortüberprüfung in Großberghofen. Dort gibt es ein Schild an der Ruhebank mit Blick auf das Areal der ehemaligen Villa Rustica. Das andere Bild zeigt exemplarisch für die anderen Schilder die Aufstellung bei Arnzell. Der Übersichtsplan zeigt die archäologischen Stätten im Landkreis Dachau.

 

It´s magic!

„It´s magic!“ So kündigt Marianne Sägebrecht alias Jasmin Münchgstettner in Percy Adlons  Film „Out of Rosenheim“ (1987) einen Zaubertrick in  Brenda’s „Bagdad Cafe“ an. Vielleicht nicht gerade Magie oder Zauberkraft, aber zumindest Heilkraft wird vor allem den Kräutern zugesprochen, die traditionell an Mariä Himmelfahrt in die Kräuterbuschen gebunden werden. Dazu zählt das Johanniskraut, das für gute Stimmung sorgen soll,  die Minze, die beim Vertreiben von Kopfschmerzen helfen kann oder der Spitzwegerich, der antiseptisch wirkt. Früher fanden die Gebinde ihren dauerhaften Platz im Herrgottswinkel unter dem Kreuz, wo bei Bedarf Kräuter entnommen werden konnten. So hatte man seine Hausapotheke praktisch in Reichweite. Die Anzahl der Kräuter variierte dabei von 3 bis 99. Beliebt waren seit jeher Zahlen mit hohem Symbolwert: 7 steht für die Tage der Schöpfung und 12 für die Apostel. Auch die Zahl 3 und ihre Vielfachen konnte deren Anzahl bestimmen: 3 x 3 oder 3 x 33 als Symbol für die heilige Dreifaltigkeit. Manche aber schrieben ihnen neben der medizinischen Wirkung auch eine andere magische Kraft zu: Salbei sollte zu Wohlstand und Erfolg führen, Kamille versprach Glück in der Liebe und Arnika sollte gegen Feuer und Hagel schützen.

Die Legende, die sich um die Entstehung des Kräuterbuschen-Bindens rankt, weist ebenfalls wundersame Züge auf: es heißt, dass sich nach Marias Himmelfahrt der Boden um ihre leere Grabstätte in eine Blumenwiese verwandelt habe und es aus ihrem Grab nach Rosen und Lilien duftete. Daran sollen die bunten Kräuterbuschen erinnern, in die manche zusätzlich eine Rose als Mariensymbol stecken.

Und um nochmals auf „Out of Rosenheim“ und die Zaubershow zurückzukommen – für mich liegt ein wesentlicher Teil der Magie im Gesichtsausdruck der beiden Protagonistinnen Jasmin und Brenda: ihr Lächeln verzaubert die Zuschauer bis heute noch. That´s magic!

In diesem Sinne wünsche ich ihnen einen fröhlichen Feiertag!

 

FOTO: Birgitta Unger-Richter, Kunstpfad zu Corona-Zeiten in Altomünster, der den Spaziergängern auch ein Lächeln ins Gesicht zauberte.

Wer einen Kräuterbuschen zu Mariä Himmelfahrt selber binden möchte, findet dazu zahlreiche Anleitungen, oder geht einfach in den Garten, die Wiese oder den Wochenmarkt und trifft seine individuelle Auswahl an Kräutern und Blumen. Als Ausflugsziel an Mariä Himmelfahrt lockt der Fraumarkt in Jetzendorf im benachbarten Landkreis Pfaffenhofen.

Do schaug her

Zum Hinschauen gibt es seit einigen Wochen in Kleinberghofen einige große Transparente, die Stationen der Dorfentwicklung vom 19. bis ins 20. Jahrhundert zeigen. Man sieht wie der „Bummerl“ durchs Zeitlbachtal schnauft, der Bahnhof 1913 angelegt wurde, das Maibaumaufstellen vor dem Gasthof Rothenfußer, noch unbefestigte Straßen, den Bau der sogenannten „Siedlung“ in den 70er Jahren und natürlich die bekannte Silhouette des Dorfes mit Mesner-, Schulhaus und der Kirche St. Martin auf dem Berg. Man kann auch Kühe entdecken, die immer noch auf der Wiese mit Blick auf den Ortsteil Eckhofen grasen.

Die historischen Fotos sind eine Einladung, gestern und heute miteinander zu vergleichen. Gleichermaßen ein Angebot für Alteingesessene und für Neubürger, die den Ort auf inzwischen an die 1600 Bewohner wachsen ließen. Die Fotos bieten Informationen zur näheren Heimat und sind gleichzeitig eine Werbung für das Dorfjubiläum, das am dritten Juliwochenende begangen wird. Das Dorf feiert seinen 1100. Geburtstag! Die Vereine haben sich seit Monaten darauf vorbereitet und laden zu einem Festabend am 18. Juli und am Sonntag zu einem ganztägigen Fest rund ums Bürgerhaus mit buntem Programm für Groß und Klein ein.

Für mich als Ortsansässige gibt es noch einen weiteren Anlass zum Feiern: nicht 1100 Jahre aber doch 10 Jahre besteht jetzt der Blog heimatpflege-dachau.de.! Jeden Monat habe ich einen Beitrag zur Heimatpflege im Landkreis Dachau verfasst, insgesamt 120 Beitrage, die nicht nur von vielen treuen Abonnenten gelesen werden.

Unser Dorf-Festkomitee-Mitglied Reinhard Kreitmair hat für das Dorfjubiläum einen wunderbaren Slogan getextet: „1100 Jahre Kleinberghofen – kann Spuren von Heimat enthalten.“ Auch auf heimatpflege-dachau.de kann man Spuren von Heimat entdecken. Es genügt darauf zu schauen und zu lesen: do schaug her!

 

 

Titelfoto: Birgitta Unger-Richter, eines der Transparente am Ortseingang von Eisenhofen kommend. Das Projekt wurde dankenswerterweise von der Stiftung Kunst und Kultur der Sparkasse unterstützt.

Mein Dank geht an Reinhard Kreitmair für den Slogan, der hier nochmals zu Ehren kommt und an Christian Chymyn, der für die Gestaltung des Logos und Plakates verantwortlich ist.

 

111 Dinge, die man gesehen haben sollte

111 Dinge, die man in einem Ort oder Land gesehen oder getan haben sollte, lautet der Titel einer sehr erfolgreichen Reiseführer- und Ratgeberreihe. Sie brachte mich darauf, eine kleine Version im Landkreis Dachau auf meinem Blog zu veröffentlichen.

Ich fange einmal mit 11 Dingen an und warte auf ihre Ergänzungen: vielleicht schaffen wir es dann ja auch einmal auf 111 außergewöhnliche Attraktionen in unserer näheren Heimat!

Zu den 11 Dingen gehören:

  1. Bei Föhn vom Schloßgarten aus die Alpenkette betrachten und dabei versuchen, die Gipfel namentlich zu bestimmen.
  2. Mit der S-Bahn-Linie 2 nach Altomünster fahren und eisschleckend über den Markt , durch den Finsteren Gang und dann rund ums Kloster schlendern.
  3. In Tandern auf dem „Beste Gegend Pfad“ spazieren gehen, durch den Bilderrahmen schauen und sich vornehmen, am Abend die alten Rosenmüller-Filme wieder anzuschauen.
  4. In Sulzemoos in der Schulhütte alte Schreibschrift üben und etwas über Mathias Kneißl erfahren, der an der Schule wenig Freude hatte.
  5. Ein Stück auf dem Jakobsweg über Vierkirchen bis Dachau pilgern, dabei die beiden Jakobskirchen besuchen und das Einkehren nicht vergessen.
  6. Den Biergarten in Mariabrunn aufsuchen, eine Brotzeit auspacken und die (angeblich) heilende Quelle suchen.
  7. Sich wie ein Maler oder eine Malerin fühlen und auf den Spuren der Dachauer Künstler den beschilderten Künstlerweg mit Gemälden und entsprechenden Motiven gehen und/oder die Museen und Galerien besuchen.
  8. Mit der S-Bahn bis Erdweg fahren, das denkmalgeschützte Wirtshaus am Erdweg bewundern und dann zur ältesten Kirche im Landkreis, der Petersberg-Basilika mit ihren romanischen Wandmalereien spazieren.
  9. Während der Volksfestzeit in Dachau den Duft von gebrannten Mandeln schnuppern, viele Lose beim traditionellen Glückshafen erwerben und damit auch anderen etwas Gutes tun.
  10. Dem Weg des Erinnerns in Indersdorf folgen und auf dem Bezirksfriedhof eine Gedenkminute für die Kinder der Kinderbaracke einlegen.
  11. Zur Keltenschanze in Arnzell fahren, den Feldweg hinaufgehen und über die Größe der noch gut sichtbaren Anlage staunen.

Vielleicht sind ja auch für sie ein paar Anregungen für die nächsten Wochenenden und Ferien dabei? Weitere nehme ich gerne in die „Longlist“ auf, die ich hier fortführen werde: 111 Dinge, die man im Landkreis Dachau gesehen haben sollte…

 

FOTO: Birgitta Unger-Richter.

Auch absolut sehenswert sind alte Automaten, in denen sich auch 11 und mehr sehenswerte Dinge verbergen. Diesen hier habe ich im Wirtshaus in Vierkirchen fotografiert.

 

LONGLIST: Bisher sind einige Tipps für Tandern und Schwabhausen in den Kommentaren eingegangen. Und auch aus Petershausen erhielt ich Anregungen von Elisabeth Mecking per Mail:

„Sehr schön finde ich z. B. den kleinen Fußweg ausgehend vom Parkplatz am Karlsberg in Dachau hinauf in die Altstadt. Er führt durch reich blühende, bunte Rosensträucher – gerade jetzt die beste Jahreszeit dafür! Auf etwa halber Höhe links an einer Mauer befindet sich ein Brunnen, d. h. ein Wasserrohr, ein Relikt noch aus der alten Wasserversorgung der damaligen Schlossbewirtschaftung.

Etwas Besonderes in der Verbandsgemeinde Petershausen ist der „Lochstein“, ein Flurdenkmal an der kleinen Straße zwischen Kollbach und Asbach. Hier wurde ein etwa 50 Meter langer Erdwall, in einer gewundenen Drachenform, aufgeschüttet. Am Kopf des Drachens ist eine Säule aus Stein aufgestellt, von mehreren Löchern durchbohrt. Jedes Loch gibt zielgenau den Blick frei zu den Kirchen im Pfarrverband Petershausen. Am Eingang zu der Anlage sind nahe der Landstraße mehrere Infotafeln aufgestellt.

Einen Ort der Ruhe mit einem wunderschönen Panorama Ausblick findet man in Obermarbach. Gleich am Ortsende in Richtung Norden sieht man ein „Zweisitzer Sofa“ aus hellem Jurakalk. Von hier aus ist der Blick frei über das liebliche Glonntal und bei entsprechendem Wetter zu 13 Kirchtürmen. Dieses Kunstwerk ist gedacht als „Jubiläumsplatz“ – hier dürfen die „Obermarbacher“( und nur die O.!) zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten oder Taufen einen Obstbaum pflanzen. (Die Angaben zum Lochstein und zum Jubiläumsplatz können noch ausführlicher nachgelesen werden in der Chronik der Gemeinde Petershausen, Geschichte, Band 1, S. 175).

Auch einen Besuch wert ist das Friedenskreuz in Sollern. Es steht mächtig in der Flur, eingerahmt mit kleinen Hecken und aufgestellten Bänken, nördlich von Sollern. Ebenfalls mit einem großen Rundumblick. Die dazu verwendete Eiche stammt aus dem Bayerischen Wald, wurde anfangs des 2. Weltkrieges mit der Bahn nach Petershausen transportiert und bis zur Verarbeitung im Sägewerk in Petershausen eingelagert. Gestiftet hatte das Friedenskreuz ein Großbauer aus Sollern. (nachzulesen in: Chronik der Gemeinde Petershausen, Geschichte, Band 2, Seite 179.)“

Lourdes ganz nah…

…kann man sich an einem Ort fühlen, der zwischen Langenpettenbach und Wagenried liegt. In einer Senke in einem Wäldchen steht eine kleine Bründlkapelle mit einer Lourdesmadonna. Es ist ein lauschiger und stiller Ort, der leicht zu übersehen ist.

Was für ein Unterschied zum „großen Lourdes“, wohin an die sechs Millionen Wallfahrer pro Jahr reisen! Viele Kranke kommen an den Ort am Rand der Pyrenäen, wo 1858 der vierzehnjährigen Bernadette Soubirous mehrfach die Muttergottes erschienen war. Sie suchen vor allem Heilung durch das Wasser aus einer Quelle, die die Hl. Bernadette entdeckt haben soll.

Einige Pilger, die dort waren, brachten Skulpturen und geweihtes Wasser mit und trugen damit zur weiteren Bekanntheit des Wallfahrtsortes bei. Manche bauten sich auch ihr eigenes Lourdes, um an die damit verbundenen Wunder und Heilungen anzuknüpfen. So auch in der Nähe von Wagenried, wo Familie Krimmer Ende des 19. Jahrhunderts eine vorhandene Kapelle zur Lourdesgrotte umgestaltete. Hier steht inmitten einer Art von Tropfsteinhöhle eine Nachbildung der Marienfigur, deren Urbild der französische Bildhauer Josef-Hugues Fabisch 1864 nach den Angaben Bernadettes schuf.

Kurz nach dem Krieg kamen viele Bewohner des nahe gelegenen Flüchtlingslagers in Wagenried wegen des Quellwassers zur kleinen Kapelle. Heute weist ein Schild darauf hin, dass die Quelle „kein Trinkwasser“ spendet.

Einmal im Jahr treffen sich die noch lebenden ehemaligen Lagerbewohner mit den heutigen Wagenriedern. An „Christi Himmelfahrt“ ist die Wiese oberhalb der Kapelle Ziel einer Wallfahrt, bei der eine Andacht gefeiert wird. Anschließend geht es in den Ort, um ein Dorffest zu feiern. Dazu kommen manchmal an die 200 Teilnehmer – im Vergleich zu Lourdes aber immer noch eine überschaubare Menge. Und übers Jahr ist die Kapelle ein stiller Ort, wo man sich Lourdes nahe fühlen kann…

 

Fotos: Birgitta Unger-Richter

Einen Einblick bietet der Kurzfilm auf dem YouTube-Kanal Kirche digital erleben im Landkreis Dachau.

Übrigens gibt es noch weitere Lourdesgrotten im Landkreis Dachau, wie in Kreuzholzhausen (Lourdeskapelle) , Großberghofen (Hutterkapelle), Hadersried (Wegkapelle), Purtlhof (Hofkapelle), Schauerschorn (Marienkapelle), Unterumbach (Hofkapelle).

Mehr zum ehemaligen Lager in Wagenried: Eleonore Philipp: Das Lager Wagenried. In: Norbert Göttler (HG): Nach der Stunde Null. Stadt und Landkreis Dachau 1945 bis 1949, München, S.153-163.  

Ein informatives Hörbild zur Kapelle gibt es bei den Hörpfaden der vhs Indersdorf.

Auch einen Vorschlag für eine Wanderung zur Brunnenkapelle macht die vhs Indersdorf.

 

 

Der Lenz ist da

Der Lenz ist da! Auf der „Kreativ-Wiese“ in Kollbach steht Frau Flora gerade im Mittelpunkt einer frühlingshaften Dekoration mit vielen Blumen, Gockelnestern und einem Schriftzug „Lenz“.

Was vor einigen Jahren als einmalige Idee begann, hat sich inzwischen zur festen Einrichtung in Kollbach gewandelt – ein Wiesenstück in der Ortsmitte, das mit immer neuen Dekorationen bestückt wird. 2019 begannen einige Bürger auf einem brach liegenden Grundstück gegenüber dem Gasthaus mit Blumen und Dekoration etwas Farbe in den Ort zu bringen. Inzwischen werden je nach Jahreslauf immer wieder neue Themen in Szene gesetzt.

Bis heute ist die Wiese ein beliebtes Ziel bei Spaziergängern. Aber auch Autofahrer halten immer wieder an und loben die beiden Gestalter Elisabeth Bauer und Hans Dirigl für die immer wieder neuen Ideen. Die Kreativität strahlt auch auf andere aus: die beiden wurden auch schon von den Kindern des Waldkindergartens unterstützt, die für die Wiese Sterne oder Wichtel bastelten. 2021 gab es eine besondere Aktion: jedes Kind, das für den Osterhasen ein Osterbild malte und es in einem eigens dafür aufgestellten Briefkasten einwarf, erhielt ein kleines Ostersäckchen nach Hause gebracht. Diese Aktion war ein kleiner Ersatz und Trost für die in der Coronazeit nicht stattfindende Ostereiersuche.

Apropos Osterhase: als ich in Kollbach war, wartete bereits eine Figur in der Schubkarre darauf, dass sie sich in einen Hasen verwandelt. Für die vielen weiteren Hasenfiguren, die sich dann mit ihm zusammen auf der Wiese versammeln werden, stiften Kollbacher Bürger auch Kleidung wie Dirndl oder Lederhose und einen Namen. Diese Paten feiern dann die Hasentaufe auf der Kreativwiese mit einem Umtrunk.

So ist die Wiese nicht nur ein dekorativer Hingucker, sondern auch ein Platz der Begegnung im Ort, der auch zum Mitmachen und zur Geselligkeit einlädt. Und für die Vorbeifahrenden ist sie ein netter Gruß, der viele zum Schmunzeln bringt. Aktuell ist der Lenz da und läßt sein blaues Band flattern, bis er vom Osterhasen abgelöst wird…

 

 

 

 

 

 

Titelfoto und „Lenz“: Birgitta Unger-Richter

Die folgenden Bilder stammen von der Ortschronistin Frau Berberich aus Kollbach, die die Wiese für die Installationen zur Verfügung stellt und alle bisherigen Dekorationen dokumentiert hat. Mein herzlicher Dank gilt ihr und Elisabeth Bauer und Hans Dirigl, die mir viel über ihre Wiese berichtet haben.

 

Hexen und Heilige

Am Unsinnigen Donnerstag stürmen wieder die Hexengilden die Rathäuser im Landkreis Dachau – auch in Markt Indersdorf. Weniger bekannt ist, dass an diesem Tag auch das Treffen des dortigen Isidoribundes stattfindet.

Zunächst feiern die Mitglieder eine Messe in der Marktkirche. Anschließend findet die Jahresversammlung des Vereins in einem Wirtshaus statt. Zum Essen gibt es traditionell drei Weißwürste, zwei Kalbsbratwürste und drei Brez´n, zusammengebunden mit einem weißblauen Band. Früher dauerte das Zusammensein mit Musik und Pferderennen bis spätabends oder sogar bis zum nächsten Tag, wie ein Chronist 1924 festhielt.

Gegründet wurde der Isidoribund 1635 nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges, also vor 390 Jahren. Damit ist er der älteste Verein in Markt Indersdorf! Er war als eine Art von Selbsthilfevereinigung der Bauern gedacht, um sich gegenseitig in Notlagen zu unterstützen. Dazu gehörte, dass jedem Vereinsmitglied ein Jahr nach seinem Tod eine Messe gelesen wurde. Der Jahresbeitrag war nie sehr hoch. So betrug er beispielsweise 1924 zehn Pfennige und seit 2016 einen Euro. Unterstützung erhielt der Verein von jeher auch durch die örtlichen Brauer.

Und warum traf man sich ausgerechnet am Unsinnigen Donnerstag, wo doch der Gedenktag des Heiligen am 15. Mai ist? Im Frühjahr gab es viel Arbeit für die Landwirte, weshalb man den Gedenktag „aus praktischen Gründen“ vorverlegte. Und weil am Unsinnigen Donnerstag in Indersdorf traditionell die ersten Fastenbrezeln gebacken wurden, gibt es diese bis heute zu den Würsten beim Mittagessen.

Das Vereinszeichen ist ein Pflug aus Eisen, der an den Namensgeber des Bundes erinnert. Der wahrscheinlich im 11. Jahrhundert lebende Hl. Isidor von Madrid (die Lebensdaten sind nicht gesichert) war laut einer Legende ein frommer Bauernknecht. Als sein Herr ihn einmal auf dem Feld aufsuchte, fand er ihn kniend ins Gebet vertieft. Seine Arbeit wurde derweil von zwei Engeln, die den Pflug zogen, verrichtet. Hexen und Hexerei waren damals nicht im Spiel – wie die Heiligsprechung des Isidor am 12. März 1622 durch Papst Gregor XV bestätigte.

 

Foto: Birgitta Unger-Richter

Mein Dank gilt dem Vereinsvorsitzenden Willi Lamm, der mir Unterlagen zum Isidoribund zur Verfügung gestellt hat. Dazu gehört ein Auszug aus „Bayerisch Land und Volk in Wort und Bild“ von 1924 zum Isidorifest und handschriftliche Aufzeichnungen zur Vereinsgeschichte. Weiterhin s. Robert Gasteiger, Wilhelm Liebhart: Braukunst und Brauereien im Dachauer Land, Dachau 2009, S. 275-277. Der Indersdorfer Heimatforscher Josef Berghammer (1936 – 2009) sammelte Informationen, die auf der Webseite der Gemeinde nachgelesen werden können.

Lichterglanz am Taubenhaus…

… ließ mich im letzten Jahr innehalten: jetzt gehen die Tauben auch schon mit der Zeit und dekorieren ihr Heim adventlich! Aber auch Taubenhäuser sind dem Wandel unterworfen, wie ein Blick in die Geschichte zeigt. Der Heimatforscher und Bauernhausbewahrer Alois Kammermeier hat diese festgehalten. Er verweist auch auf frühe Abbildungen, die auf den bekannten Stichen Michael Wenings, Ende 17. Jahrhundert, zu sehen sind. Dort sind Taubenhäuser längsrechteckige Bauten mit Satteldach und auf vier Säulen angebracht. Später haben sich bei uns im Dachauer Land vor allem quadratische Häuser mit Kreuzdach auf einer Säule eingebürgert. Seit dem 19. Jahrhundert wurden sie auch farbig bemalt.

Zunächst hatte das Aufstellen solcher Häuser einen praktischen Grund: der Mist, den die Tauben produzierten, diente der Düngung. Dieser wurde in Schubladen aufgefangen, die unter den Brutnischen der Tauben angebracht waren. Später verdrängte der Kunstdünger den Taubenmist und die Taubenhäuser blieben als Mittelpunkt und Schmuck einer Hofanlage bestehen. Einige von ihnen sind sogar unter Denkmalschutz gestellt und so dauerhafte Zeugen einer früheren Form der Landwirtschaft im Landkreis Dachau wie in Arnbach, Buxberg, Feldgeding, Mariabrunn, Oberzeitlbach, Röhrmoos und Roßbach.

Das adventliche Taubenhaus steht nicht unter Denkmalschutz. Es wurde auf Veranlassung des Hofeigentümers Kaspar Höckmayr erst 1979 mit Hilfe des ortsansässigen Burschenvereins in Großberghofen errichtet (s. die Fotos unten) und steht in der Nachbarschaft des Stafflerhaisls an der belebten Dorfstraße.

Wie seine denkmalgeschützten Verwandten ist es ein Miniaturbauernhaus mit Sprossenfenstern, Fensterläden, Brüstungen und Balkonen. Sogar ein Wetterhahn thront auf dem Dach. Als Wohnstätte für Tauben war es nie gedacht. Es diente vielmehr schon immer als Schmuck des bäuerlichen Anwesens. Im Advent bietet es einen besonders schönen Anblick mit seinem Lichterglanz am Taubenhaus – für den natürlich die Besitzer des Hofes sorgen und nicht die Tauben selbst.

 

Foto: Birgitta Unger-Richter

Wer mehr über Taubenhäuser erfahren möchte, wird in der digitalen Ausgabe der Zeitschrift Amperland fündig: Alois Kammermeier: Der Taubenkobel in Nordwest Oberbayern. In: Amperland 1987 (Jg. 23), S.460-465. 

Einen Zeitungsartikel, ein Foto von der Aufstellung und eines mit einer Ansicht bei Tageslicht hat mir freundlicherweise Familie Höckmayr zur Verfügung gestellt:

Aufstellen des Taubenhauses

Zeitungsartikel 01.05.1979
Artikel 01.05.1979, Zeitung nicht bekannt

Von Eisbegonien, Kehrschaufeln und praktischen Gartengeräten

Vielleicht sind einige am Morgen von Allerheiligen noch etwas müde vom Feiern der Gruselparties oder vom Süßigkeitenbetteln und schlafen erst einmal aus. Andere begeben sich auf den Friedhof, um ihrer verstorbenen Familienmitglieder zu gedenken. Der eine oder die andere ist vielleicht auch erschöpft vom Vorbereiten eines Grabes, das an diesem Tag tipptopp sein soll, wenn die Geistlichkeit den Segen spendet. Die Feier auf dem Friedhof ist nämlich auch ein Anlass, um vor dem Winter die Familiengräber gärtnerisch zu gestalten, Verblühtes abzuschneiden, Erde aufzufüllen und herbstlich zu bepflanzen. Dass dabei ein gewisser Wettbewerb und damit verbundener Stress herrschen kann, hat die Kabarettistin Martina Schwarzmann schon vor Jahren festgestellt: sie war auf der verzweifelten Suche nach den vielerorts beliebten Eisbegonien, die schon ausverkauft waren (s.u.).

Und es soll ja ordentlich sein: mir wurde berichtet, dass am Tag vor der Gräbersegnung auch schon Planen über die Gräber gebreitet wurden, damit keine Blätter die sorgfältig hergerichteten Arrangements zerstören. Etwas Praktisches in Sachen Ordnung rund ums Grab sah ich in meiner alten Heimat im südlichen Baden-Württemberg: hier werden hinter den Grabsteinen ganzjährig allerlei nützliche Haushaltsgeräte aufbewahrt. Es finden sich viele Besen und Schaufeln, die die Angehörigen jederzeit – nicht nur an Allerheiligen – nutzen können. Auf anderen Friedhöfen gibt es Gerätehäuschen, wo man alles für die Grabpflege ausleihen kann. Eine mobile Alternative bietet das „Gartengerät De Luxe“, für das ein Versandhändler wirbt: „Nach der abgeschlossenen Arbeit … lässt sich das komplette Friedhofsgerät (Harke, Schaufel und Besen) im praktischen Nylonbeutel verstauen und sauber transportieren.“

Egal für was man sich entscheidet – das Kümmern um das Andenken an die Verstorbenen ist ein schöner Brauch, der viel über die Kultur des Miteinanders von Generationen in einer Gesellschaft aussagt. Dabei ist es auch zweitrangig, ob man sich im Vorfeld für Eisbegonien, Kehrschaufel hinterm Grabstein oder „Gartengeräte De Luxe“ entscheidet.

 

FOTO: Raimund Richter

Traditionell wird der Toten eigentlich an Allerseelen gedacht, am 2. November. Der Brauch hat sich aber verändert und wird heute häufig zusammen mit dem Gedenken an die Heiligen am 1. November gefeiert. Familienmitglieder treffen sich auf den Friedhöfen, zünden Lichter auf den Gräbern an, besuchen einen Gottesdienst und nehmen an der Gräbersegnung teil. Gerne beschließt man den Gang auf den Friedhof mit einem gemeinsamen Mittagessen oder einer Kaffeerunde.

Wer Martina Schwarzmanns Erfahrungen mit der Grabpflege (Eisbegonien) nachhören möchte, findet den Beitrag auf Youtube: https://youtu.be/Qo7j1d7mDPo?si=4La2H4pv8LdyPv4k